Rechte kapern Klinik-E-Mails
(MAZ, Ulrich Wangemann) Das Klinikum wird von Attacken eines Computer-Virus heimgesucht. Eine
unbekannte extremistische Gruppe missbraucht die E‑Mail-Adressen des
Klinikums, um Hass-Botschaften zu versenden.
Was viele ahnungslose Computerbenutzer unter dem offiziellen Absender des
Klinikums in ihrem elektronischen Postfach finden, liest sich so: “Es ist
erwiesen, dass insbesondere bei schweren Delikten, aber nicht nur da, der
Ausländeranteil unproportional hoch ist.” Angefügt sind Statistiken, die
beweisen sollen, dass die “Ausländerkriminalität verharmlost” werde und
entsprechende Belege “dem Bürger verschwiegen” würden. Hinter dem
pseudosachlichen Zahlenwerk verbirgt sich die Botschaft: “Wir brauchen nicht
die Kriminellen der ganzen Welt zu uns kommen zu lassen beziehungsweise
deren Anwesenheit zu dulden.”
Klinik-Verwaltungschefin Gabriele Wolter ist empört: “Es sieht so aus, als
würde das Klinikum rechtsextreme Mails verschicken.” Wolter hat gestern
Anzeige erstattet.
Seit zwei Wochen bemühen sich die Computertechniker des Hauses
herauszufinden, wer hinter der Aktion steht. Offenbar handelt es sich um
einen Computer-Wurm namens sober, der Rechner weltweit heimsucht. “Wir sind
sicher, dass die Mails nicht aus unserem Haus kommen können”, sagt Detlef
Krause, Chef der Datenverarbeitungs-Abteilung des Klinikums. Das
krankenhausinterne Netz sei geschützt. Ein solcher Virus könne sich nur an
eine Botschaft heften, wenn sie das Hausnetz verlasse. Das Klinikum war auf den Missbrauch erst aufmerksam geworden, als die Datenpiraten Botschaften an
gelöschte Klinikadressen schickten. Die kamen dann als unzustellbar zurück.
Das Landeskriminalamt kennt andere Fälle von gekaperten E‑Mail-Adressen. Die
private Mail-Adresse der ehemaligen Eberswalder Polizeipräsidentin Uta
Leichsenring, die zur Landtagswahl für die Grünen antritt, wird ebenfalls
von Extremisten missbraucht. Rechtsradikale verschickten ihre Botschaften
vor einem halben Jahr sogar unter Verwendung von offiziellen Adressen des
Landtags.
“Wir kennen Fälle aus Österreich, der Schweiz, Holland und Brasilien”, sagt
Toralf Reinhardt, Sprecher des Landeskriminalamts in Eberswalde. Seit dem
10. Juni schwappe eine “Flut von Nachrichten” durchs Netz. Die Täter sind
weiterhin unbekannt. Den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllten die Mails
inhaltlich nicht. Dazu seien sie zu neutral abgefasst. Jedoch gelte das
Benutzen fremder Absender als Computersabotage.
Viel tun kann die Klinik offenbar nicht gegen die Angriffe. Der Landtag
allerdings griff zu drastischen Maßnahmen: Er schaltete die betroffenen
Seiten ab.