Aus dem Gerichtssaal/ 25-Jähriger aus Belzig hofft, dass ihn nun die Liebe vom Teufel Alkohol, von Straftaten und rechtsradikaler Gesinnung heilt
POTSDAM/BELZIG Stolz zeigt Christian S. (25, Name geändert) aus Belzig den Ring, der am
Finger seiner linken Hand blitzt. Seit Anfang April ist er mit seiner
Freundin verlobt. Mit ihrer Hilfe will er sich ändern, ein straffreies Leben
führen, eine Familie gründen.
Einen Grund für seine Tat kann er nicht nennen
Doch zunächst sitzt er wieder auf der Anklagebank, weil er am 11. Dezember
2003 auf dem Bahnhof den rechten Arm zum Hitlergruß erhoben und “Heil”
geschrieen hatte. Der junge Arbeitslose versucht erst gar nicht, die ihm
vorgeworfene Tat abzustreiten. Einen Grund dafür aber weiß er nicht.
Lediglich “Ich war betrunken, mir ist der Arm ausgerutscht. Das war aus
Versehen. Ich weiß, dass man so was nicht macht” ist zu hören.
Zwei Polizeibeamten fiel Christian S. und sein Kumpel auf dem Bahnhof auf.
Sie seien angetrunken gewesen. “Er war lustig und gut drauf”, sei aber
“straßentauglich” gewesen, so die merkwürdige und wenig beweistaugliche
Zeugenaussage des einen Beamten. “Damit kann ich nichts anfangen”, reagiert
Richterin Waltraud Heep. Der zweite Polizeibeamte kann sich nach längerer
Überlegung schließlich doch noch an den Vorfall erinnern. Er hatte den
“Heil”-Ruf gehört und den Hitlergruß gesehen.
Als er deshalb auf Christian S. und seinen Freund zugegangen ist, sei dieser
sehr erschrocken, aber nicht aggressiv gewesen. Und belästigt hätten die
beiden auch niemand. Mit dem Atemalkohol-Kontrollgerät habe man einen Wert
von 1,4 Promille festgestellt.
Er steht nicht das erste Mal vor Gericht
“Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen” nennt man
juristisch diesen Strafbestand. Nicht zum ersten Mal musste sich Christian
S. deshalb vor Gericht verantworten. Das heißt: Er ist einschlägig
vorbestraft. Erst am Ende März 2003 war er aus der Haft entlassen worden.
Gemeinschaftlicher Diebstahl, Beleidigung, Hausfriedensbruch, gefährliche
Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sind weitere
Straftaten, für die Christian S. in den vergangenen Jahren verurteilt worden
war. “Hat das noch nicht gereicht, wollen sie wieder zurück ins Gefängnis?”,
fragt die vorsitzende Richterin, denn immerhin waren erst acht Monate nach
der Haftentlassung vergangen, als die neue Straftat begangen wurde.
“Nie wieder”, kommt schnell und energisch die Antwort. “Ich mache das nicht
mehr”, ist sich der Angeklagte sicher. Seine Verlobte habe zu ihm gesagt “so
geht das nicht weiter”, und daran werde er sich halten, erklärt er vor
Gericht.
Immer wieder schaut er lächelnd, mit fragendem und freundlichem Blick zu
ihr, die mit im Gerichtssaal sitzt. Mit dem Alkohol sei es jetzt auch
vorbei. Auch das habe er ihr zu verdanken. “Ich trinke so gut wie gar nicht
mehr, höchstens mal ein oder zwei Bier, aber auch das selten.” Dass er
derzeit unter Bewährungsaufsicht an einer Therapie wegen des
Alkoholmissbrauchs und an einem Anti-Gewalt-Training teilnimmt, hebt der
Angeklagte mehrmals als Beweis für seine ehrliche Absicht, “ein besseres
Leben” führen zu wollen, hervor.
An die Zügel und an die Leine genommen
Obwohl Christian S. geständig war, sieht der Staatsanwalt wegen der
erheblichen Vorstrafen eine Haft von neun Monaten für angemessen. Der
Verteidiger aber weist mit Erfolg darauf hin, dass ohne Geständnis seines
Mandanten die vorgeworfene Tat nicht zu beweisen gewesen wäre, da die
Aussagen der Polizeibeamten dazu nicht ausgereicht hätten. Sein Mandant gebe
sich Mühe, sein Leben zu ändern, deshalb sollte ihm noch eine Chance
gegeben, und nicht mit den schärfsten juristischen Waffen geschossen werden.
Dem folgte das Gericht und verurteilte Christian S. zu einer Freiheitsstrafe
von sechs Monaten, für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
“Sie sollen Ihre Chance haben”, so die Richterin. Auch sie unterstellt die
ernsthafte Absicht des Verlobten und Verliebten, der unter dem guten
Einfluss seiner Verlobten steht, die ihn “an die Zügel und an die Leine”
nehmen sollte.