Neonazis wollen am Samstag in Belzig gegen Migranten demonstrieren. In Halbe
verbietet die Polizei rechte Aufmärsche zum Volkstrauertag. In Potsdam sind
hingegen Wehrmachtsdeserteure nicht zur Trauer geladen
(TAZ, 07.11.03) Unmittelbar vor dem 65. Jahrestag der nationalsozialistischen Pogromnacht
demonstrieren am Samstag Neonazis in der brandenburgischen Kleinstadt Belzig
mit antisemitischen Parolen gegen Migranten und Flüchtlinge. Bei dem
Drahtzieher des Aufmarsches handelt es sich nach Informationen der taz um
den vorbestraften Neonazi Pascal S.
Der heute 25-Jährige hatte mit einem Dutzend Gesinnungsgenossen im September
1997 eine Punkband in Pritzwalk brutal überfallen. Ein Bandmitglied wurde
lebensgefährlich verletzt. Pascal S. verbüßte deshalb bis vor kurzem eine
mehrjährige Freiheitsstrafe. Vor seiner Haftentlassung hatte Pascal S. in
Neonazipostillen angekündigt, sich weiter “am Kampf” zu beteiligen. Im
Sommer drohte dann eine “Nationale Aktionsgemeinschaft/Freies Deutschland”
auf der alternativen Website “inforiot”, man werde “Belzig wieder zu einer
national befreiten Zone für Volksgenossen machen”. Am 6. Oktober warfen
Unbekannte einen Brandsatz in das Alternative Infocafé “Der Winkel” in
Belzig, wo sich Flüchtlinge, linke Jugendliche und Migranten treffen.
Belzigs Bürgermeister Peter Kiep (SPD) sagte der taz, das “Belziger Forum
gegen Rechtsradikalismus und Gewalt” werde nicht gegen die Neonazis auf die
Straße gehen.
Derweil versucht das Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) einen der größten
Neonaziaufmärsche dieses Jahres in Halbe zu verhindern. Die
Sicherheitsbehörden haben für den 15. November und den darauf folgenden
Volkstrauertag zwei Aufmärsche von Neonazis auf dem Kriegsgräberfriedhof in
Halbe verboten. Im vergangenen Jahr hatte das Bundesverfassungsgericht das
Verbot des rechten Gedenkmarsches am Volkstrauertag mit Verweis auf das
Brandenburger Feiertagsgesetz bestätigt. Komplizierter ist die Rechtslage
für den 15. November. Hier beruft sich das Polizeipräsidium auf das
Gräberschutzgesetz. Das Persönlichkeitsrecht der Toten auf dem
Kriegsgräberfriedhof in Halbe sei besonders schutzwürdig und würde durch
eine politische Demonstration verletzt.
Die Neonazis, die schon Anfang der 90er-Jahre über den Friedhof zogen,
wollen allerdings nicht erneut klein beigeben. Sie erhoffen sich für den 15.
November einen Sieg vor Gericht und durch offene Verherrlichung der SS
mehrere tausend Teilnehmer an diesem Tag.
Gegendemonstranten, die unter dem Motto “Den Kessel zum Kochen bringen”
mobilisieren, haben es in Halbe nicht leicht. Das Amt Schenkenländchen
untersagte eine Gedenkveranstaltung für 57 in Halbe bestattete ermorderte
Zwangsarbeiter und Deserteure mit der Begründung, auch hiermit würde die
Ruhe der Toten gestört. Ludwig Baumann, Vorsitzender der “Bundesvereinigung
Opfer der NS-Militärjustiz” und Hauptredner bei der geplanten Kundgebung,
hofft, dass es bei dem Verbot nicht bleiben wird. Derzeit wird über einen
Ausweichort verhandelt.
Auch beim offiziellen “Volkstrauern” in Potsdam ist der ehemalige
Wehrmachtsdeserteur Baumann als Redner nicht erwünscht. Potsdams
Oberbürgermeister Jan Jakobs (SPD) lehnte einen Vorschlag der Frakion “Die
Anderen” ab, den 80-Jährigen bei der städtischen Gedenkfeier sprechen zu
lassen.