(Gudrun Mallwitz, Die Welt) Potsdam — Dienstag um 1.30 Uhr in Strausberg (Märkisch-Oderland): Zwei Polizisten winken im Zuge einer Verkehrskontrolle einen Golf-Fahrer an den Straßenrand. Der Mann hinter dem Steuer ist kein Unbekannter in der rechtsextremen Szene. Christian B. aus dem uckermärkischen Angermünde ist Funktionär des “Märkischen Heimatschutzes”; die Organisation wird vom Verfassungsschutz überwacht. Auf dem Beifahrersitz liegt ein Heft mit der Aufschrift “Auschwitz — Fakten versus Fiktion”. Die Beamten bitten den 21jährigen, den Kofferraum zu öffnen. Dort finden sie in einem Karton 671 CDs mit dem Titel “Anpassung ist Feigheit — Lieder aus dem Untergrund”. Nach dem Stand der Erkenntnisse handelt es sich um den bislang umfangreichsten Fund von einschlägigen CDs im Land Brandenburg, wie Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gestern bekannt gab.
Die rechtsextreme Szene habe die Scheiben im Rahmen ihres “Projekts Schulhof” bereits im Sommer 2004 an Schüler verteilen wollen. Sie hatte das Vorhaben aber zurückgestellt, nachdem die Staatsanwaltschaft Halle im August vorigen Jahres gegen den Auftraggeber, einen Versandhandelsbetreiber für Propagandamaterial der rechten Szene, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der schweren Jugendgefährdung eingeleitet hatte. Das Amtsgericht Halle erließ daraufhin einen Beschlagnahmebeschluß. Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden wurden rund 50 000 Exemplare in einem sächsischen Preßwerk hergestellt.
Die noch unverpackten CDs sollten jetzt zum Schuljahresbeginn verteilt werden. Laut einem Hinweisblatt wollten die Aktivisten die CDs auch in Straßenbahnen, Jugendclubs und Schwimmbädern unter die Jugendlichen bringen. In Sachsen wurden bisher rund 100 CDs entdeckt, in Thüringen waren einzelne Tonträger in Briefkästen geworfen worden.
“Der Fund zeigt das konspirative Vorgehen der rechten Szene, die Jugendliche mit Musik als Einstiegsdroge ködern will”, sagte Schönbohm. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes vernetzen sich zunehmend neonazistische Kameradschaften, Musikindustrie und die NPD. “Die CDs sind ein beredtes Beispiel, wie die Szene zusammenrückt”, so ein Experte des Verfassungsschutzes.
Christian B., Aktivist des “Märkischen Heimatschutzes”, war bis dato nicht mit der Verteilung der CDs in Verbindung gebracht worden. Der 2001 in Kerkow (Uckermark) gegründete “Märkische Heimatschutz” war ursprünglich ein Kameradschaftsverbund, der sich zu einer vereinsähnlichen, länderübergreifenden neonazistischen Organisation entwickelt hat. Er stellt sich gern als Interessensvertreter arbeits- und orientierungsloser Jugendlicher dar. Peinlich für die rechtsextreme Szene: Die Beamten entdeckten in dem Golf auch noch eine Liste mit geplanten Aktivitäten des “Heimatschutzes” in Berlin und Brandenburg bis zur Bundestagswahl am 18. September. Sie enthält detaillierte Anweisungen für jeden Tag wie “Pappen bekleben” oder “Hängen ganztags”. Für den 20. August sind Aktionen und Infostände geplant. Daneben ist “Heß-Marsch” vermerkt.
Für den gesamten Zeitraum ergeht die Aufforderung: “Ausschau halten nach Gegenveranstaltungen! Hier könnte in die Diskussion eingegriffen werden oder mit Transparenten für Aufregung gesorgt werden”.
Schönbohm zeigte sich besorgt darüber, daß Brandenburgs Polizei im ersten Halbjahr 2005 mehr politisch motivierte Straftaten registriert hat. Im Vergleich zur ersten Hälfte 2004 stieg die Zahl um 242 auf 1089 an. Der Zuwachs sei vor allem auf strafrechtliche Verfolgung im Zusammenhang mit der Bekleidungsmarke “Thor Steinar” zurückzuführen. Es habe sich um 205 Fälle gehandelt.
Beschlagnahmte rechtsradikale Musik-CDs (Tagesschau)
Musik sei “das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen”, sagte einmal Ian Stuart Donaldson, Sänger der Nazi-Band “Skrewdriver”. Tatsächlich bemühen sich Rechtsextreme zunehmend, ihr Gedankengut via Tonträger an Schüler zu bringen — etwa mit der “Aktion Schulhof”. Kostenlos, versteht sich.
“Bomben auf Israel”
Die Bands tragen Namen wie “Störkraft” und “Landser” (“Bomben auf Israel”), sie rufen ganz offen zu Rassenhass und Gewalt auf (“Afrika für Affen, Europa für Weiße”) — alles vermeintlich Deutsche wird verherrlicht (“Deutsches Reich statt BRD”). Rechtsextremes Gedankengut wird so über zunehmend professionell produzierte Musik transportiert und findet Zugang in Klassen- und Jugendzimmer.
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Grund genug für den Verfassungsschutz, auf das Phänomen Rechtsrock aufmerksam zu werden. Viele der Bandmitglieder wurden inzwischen wegen Volksverhetzung verurteilt, gleichwohl bleibt rechte Musik eine Gefahr, wie im Verfassungsschutzbericht 2004 festgestellt wird.
50.000 Tonträger für Jugendliche
Den brandenburgischen Behörden gelang nun ein Schlag gegen die Neonazi-Musikszene: 671 CDs mit rechtsextremen Inhalten wurden in Strausberg nahe Berlin sichergestellt. Laut Innenminister Jörg Schönbohm bislang der größte Fund mit rechter Musik in dem Bundesland, der allerdings nur Teil eines viel größeren Postens von 50.000 CDs sein soll.
Auf die Tonträger stießen die Beamten allerdings nur durch pures Glück: Bei einer Verkehrskontrolle fanden sie die CDs im Auto eines Funktionärs des “Märkischen Heimatschutzes”, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Laut eines entdeckten Hinweisblatts sollte die Musik unter anderem an Straßenbahnen, Jugendclubs oder auch Schwimmbädern verteilt werden.
Antifaschisten produzieren CD “Hörbar tolerant”
Antifaschisten machen sich das Prinzip der Rechten nun zu eigen: Der Verein Brandenburg gegen Rechts gab eine CD mit dem Titel “Hörbar tolerant. Musik gegen rechts” heraus. Mit dem Tonträger will der Verein über die Entstehung von Rechtsextremismus und dessen Erscheinungsformen informieren. Zum Paket gehören eine Musik-CD und eine CD-Rom.
Die CD-Rom hält Ratschläge für Jugendliche bereit, die Opfer von rechtsextremen Taten wurden. Auf der Musik-CD finden sich Songs von 13 Künstlern, die ihre Musik ohne Gage zur Verfügung stellten. Die CD soll über Lehrer, Jugendleiter und Fachleute in der politischen Bildung vertrieben werden. Einige der 20.000 kostenlosen Exemplare können zudem direkt beim Verein Brandenburg gegen Rechts angefordert werden.
Rechtsextreme CDs von Polizei beschlagnahmt
(ab., Berliner Zeitung) POTSDAM. Brandenburgs Polizei hat am Dienstag in Strausberg 671 CDs mit rechtsextremer Musik beschlagnahmt. Es handele sich um den größten Fund seit Bestehen des Landes, teilte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Mittwoch bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik für das erste Halbjahr mit. Die 671 CDs sollen Teil eines Postens von insgesamt 50 000 CDs sein, der zur Verteilung an Jugendliche bestimmt gewesen sei. Die Zahl politisch motivierter Straftaten stieg im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um knapp 29 Prozent auf 1089 an.
In Brandenburg wird weniger betrogen und gestohlen. Aber die Gewalttaten nehmen weiter zu. Mit 107 769 registrierten Straftaten in den ersten sechs Monaten des Jahres sei der niedrigste Stand seit Bestehen des Landes erreicht, sagte Schönbohm. Das entspreche einem Rückgang von 9,3 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2004. Mit einer Aufklärungsquote von 58,7 Prozent liege Brandenburg weiter im Spitzenfeld der Bundesländer. Große Problemfelder blieben aber die Gewalt- und die Drogenkriminalität.
Steiler Anstieg der Drogendelikte
Die Zahl der Gewalttaten stieg um gut zwei Prozent auf 2 726. Bei fast zwei Drittel der Fälle handele es sich um gefährliche und schwere Kö
;rperverletzungen, so der Minister. Die Totschlagsdelikte stiegen von 31 auf 45, die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von 914 auf 948. Fast die Hälfte der Tatverdächtigen bei Gewaltstraftaten sind Jugendliche und Heranwachsende bis 21 Jahre.
Die gewaltige Zunahme von 34,6 Prozent weist die Statistik bei der Drogenkriminalität aus. 3 414 Fälle seien im ersten Halbjahr erfasst worden. Die hohe Zuwachsrate erklärte der Innenminister auch mit den verstärkten Aktivitäten der Polizei in diesem Bereich. Überwiegend handele es sich dabei um den verbotenen Konsum vor allem von Cannabis, sagte Schönbohm.
Als falsch hätten sich die Befürchtungen erwiesen, die EU-Osterweiterung könne zu einer höheren Kriminalität in der Grenzregion zu Polen führen, sagte Schönbohm. Die Zahl der erfassten Straftaten in den Grenzgemeinden sank um fast 20 Prozent auf 12 872. Stark rückläufig sind der Statistik zufolge auch die Diebstahls‑, die Straßen‑, die Wirtschafts‑, die Computer- sowie die Umweltkriminalität.