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Rechte Propagandaveranstaltung gestört

(Infori­ot) Der ursprüngliche Wort­laut dieser Erk­lärung wurde wegen der Androh­nung ein­er Strafanzeige leicht abgeän­dert. Hin­ter­gründe hier.

(Bünd­nis Mad­stop) Am Mittwoch, den inter­ve­nierten AntifaschistIn­nen des „bünd­nis mad­stop“ gegen eine
geschicht­sre­vi­sion­is­tis­che Pro­pa­gan­dav­er­anstal­tung im Alten Rathaus. Die
Ver­anstal­tung unter dem ser­iös klin­gen­den Titel „Zukun­ft braucht Erin­nerung! System
und Wirk­lichkeit der Spezial­lager in der SBZ/DDR 1945 – 1950“ ist Teil einer
Kam­pagne, die mit­tels ein­er gle­ich­set­zen­den Bew­er­tung von nationalsozialistischen
Massen­ver­brechen und undemokratis­chen Meth­o­d­en der sow­jetis­chen Repressionsorgane
auf die Rel­a­tivierung und Ver­harm­lo­sung des Nation­al­sozial­is­mus hinar­beit­et. Mit
Flug­blät­tern und Trans­par­enten kri­tisierten die AntifaschistIn­nen dieses Ziel. Dabei
geht es nicht darum jenen, die per­sön­lich­es Leid erfahren abzus­prechen, dieses zu
gedenken. Eine Darstel­lung der Geschichte der Spezial­lager jedoch, die die
his­torischen Kausal­itäten ver­schweigt bzw. an den Rand drängt und keine kritische
Reflek­tion auf das Wirken der in den Spezial­lagern Internierten im Drit­ten Reich und
ihrer massen­haften Beteili­gung an der Aufrechter­hal­tung des Regimes, an
Ver­nich­tungskrieg und Holo­caust bein­hal­tet, trägt zu einem Kli­ma bei, in dem
„Helden­verehrun­gen“, wie sie das Land Bran­den­burg in Halbe erlebt, hervorragend
gedeihen.

Die Ref­er­enten­liste las sich wie ein who is who jen­er poli­tis­chen Kreise, die durch
akademis­che Titel und Posten in staatlichen Stiftun­gen gedeckt, an einer
Rel­a­tivierung deutsch­er Schuld und der Reha­bil­i­tierung der Täter der
nation­al­sozial­is­tis­chen Ver­brechen arbeitet.

Dr. Klaus-Dieter Müller z.B. ist Mitar­beit­er der Stiftung Säch­sis­ch­er Gedenkstätten.
Die Stiftung Säch­sis­che Gedenkstät­ten gibt sich schon lange nicht mehr mit der
Gle­ich­set­zung von DDR und Nation­al­sozial­is­mus ab. Längst wer­den von der Stiftung
NS-Mörder geehrt, während Opfer des Nation­al­sozial­is­mus, wie z.B die
Wehrma­chts­de­ser­teure per­ma­nent ver­höh­nt wer­den. Diese Poli­tik hat dazu geführt, dass
alle Organ­i­sa­tio­nen der Opfer des Nation­al­sozial­is­mus – auch jene die der DDR sehr
kri­tisch bis ablehnend gegenüber­ste­hen wie der Zen­tral­rat der Juden und der
Zen­tral­rat der Sin­ti und Roma – ihre Mitar­beit in der Stiftung aufkündigten.

Nicht fehlen durfte der unter Geschichtswis­senschaftlern als Schar­la­tan gel­tende Huber­tus Knabe, der sich unter anderem mit sein­er Beze­ich­nung des Stasige­fäng­niss­es in Hohen­schön­hausen als “Dachau des Kom­mu­nis­mus” einen Namen als Stich­wort­ge­ber der recht­en Szene machte.

Jörg Schön­bohm, der es sich nicht verkneifen kon­nte, im April 2006 die überlebenden
Häftlinge des KZ Sach­sen­hausen zu belei­di­gen, in dem er sie in einem Atemzug mit
ihren Peinigern, mit Denun­zianten und Euthanasieärtzten nan­nte, die im sowjetischen
Spezial­lager interniert waren, hielt die Abschlussrede „Gedenken als Aufgabe
poli­tis­ch­er Kul­tur“. Er der Ladendiebe, Schulschwänz­er und Schwarz­fahrer am liebsten
hin­ter Git­tern sehen möchte, hält die zeitweise Internierung der Täter des größten
Men­schheitsver­brechens der Geschichte für unzuläs­sig. Das Gedenken, das Schönbohm
hier ein­fordert gibt es längst. Im bran­den­bur­gis­chen Halbe man­i­festiert es sich
jährlich in einem der wichtig­sten Nazi­aufmärsche in der BRD. Angesichts dessen, dass
er diese Kam­pagne der Ver­harm­lo­sung und Rel­a­tivierung mit vorantreibt, erscheint
Schön­bohms Ver­such, autoritär und repres­siv gegen die Nazi­aufmärsche in Halbe
vorzuge­hen eher als Weg­beißen von Konkur­renz, denn als Ver­such die Demokratie zu
verteidigen.

Janine Berg­er vom „bünd­nis mad­stop“ kündigte an: „Das „bünd­nis mad­stop“ wird es auch
in Zukun­ft nicht zulassen, dass rechte Geschichts­fälschung und Pro­pa­gan­da in Potsdam
und Umge­bung ungestört ver­bre­it­et wer­den kann.“

Aus gegeben­em Anlass

Das verteilte Flug­blatt: Gegen das Ver­waschen und Ver­schwim­men von Täter- und Opferperspektive

In jed­er Gesellschaft, so wird gesagt, gedenken die Men­schen ihrer Toten, unabhängig
davon, unter welchen Umstän­den diese ums Leben gekom­men sind. Wenn wir hier Einwände
erheben, dann nicht gegen das indi­vidu­elle und stille Totenge­denken. Auch befassen
wir uns hier nicht mit the­ol­o­gis­chen Fra­gen von Schuld und Sühne, von Vergeltung
oder Verge­bung. Wir befassen uns mit der gesellschaftlichen Wahrnehmung von
Todesum­stän­den massen­haft ermorde­ter Men­schen “im Schat­ten des Krieges”. Uns
inter­essiert die gesellschaftliche Wer­tung der Toten, die uns im Nach­hinein als
ermordet unter dem Faschis­mus oder als ermordet unter dem Antifaschis­mus präsentiert
werden. 

Die His­torik­er sind sich weit­ge­hend darin einig, dass die Ver­brechen der Nazis
einzi­gar­tig waren und mit herkömm­lich­er Kriegs­führung kaum etwas zu tun hat­ten. Die
Deutschen führten im Osten einen weltan­schaulich motivierten Eroberungs- und
Ver­nich­tungskrieg, auch und vor allem gegen die Zivil­bevölkerung. Mit diesem
Ver­nich­tung­spro­gramm, das sich schon beim Über­fall auf Polen abze­ich­nete, begann
Deutsch­land 1939 den Zweit­en Weltkrieg. Die His­torik­er sind sich auch dahingehend
einig, dass der Nazis­mus vorsät­zlich, das heißt per Pro­gramm, alle bish­eri­gen Regeln
der Kriegs­führung gebrochen und alle mörderischen Instink­te des Men­schen aktiviert,
gebün­delt und für sein ras­sis­tis­ches Ver­nich­tung­spro­gramm einge­set­zt hat.
Ein­ma­ligkeit und Aus­maß der Ver­brechen, geplante und vorsät­zliche Durch­führung der
Massen­morde und das massen­hafte Erzeu­gen von Befehls­ge­hor­sam und absolutem
Pflicht­ge­fühl (bei gle­ichzeit­igem Fehlen von Unrechts­be­wusst­sein und
Schuldein­sicht), dies sind die Kri­te­rien, die die Naziver­brechen his­torisch einmalig
machen. Deshalb also, weil der Nazis­mus dieses extrem­ste Vernichtungspotenzial
verkör­pert, muss auch, das Gedenken an den Wider­stand und an die Opfer des Nazismus
außergewöhn­lich sein. Eine “nor­male Gesellschaft” hätte also der Opfer des
Naziter­rors in beson­der­er Weise zu gedenken, sie hätte den Wider­stand gegen den
Nazi-Faschis­mus her­vor zu heben als die einzig akzept­able “Pflichter­fül­lung”
gegenüber dem eige­nen men­schlichen Gewissen. 

Was aber tut unsere abnor­male, anomis­che Gesellschaft? Sie hält — in gespielter
Unschuld und mit schein­bar­er Unparteilichkeit — das Hak­enkreuz neben den Roten Stern
und schickt sich an, “objek­tive” Ver­gle­iche anzustellen. Das Hak­enkreuz, unter dem
Mil­lio­nen Men­schen in Europa ver­sklavt und ermor- det wur­den, soll mit dem “Roten
Stern” kon­trastiert wer­den, der für eben­so viele Men­schen die Hoff­nung auf Befreiung
aus den Ghet­tos, Konzen­tra­tionslagern, “Arbeit­serziehungslagern”,
Kriegs­ge­fan­genen­lagern, Gestapo-Gefäng­nis­sen und Folterzellen ver­hieß. Das
Kon­trast­mit­tel zum Hak­enkreuz soll also “Rot­er Stern” heißen, und die Verbrechen,
die unter dem Roten Stern began­gen wur­den, sollen spiegel­bildlich zu denen
betra­chtet wer­den, die die Nazis began­gen haben. Ziel ist eine Pattstel­lung bzw. ein
Null-Sum­men­spiel: Ich spiele mein total­itäres Regime aus, wenn du deines ausspielst.
Zeige mir dein Mas­sen­grab und ich zeige dir meines. 

Die Naziver­brechen wer­den par­al­lel zu der Internierung von NS-Tätern durch die
Sow­je­tu­nion gestellt. Ist das eine poli­tis­che Strate­gie, unsere Wahrnehmung zu
lenken und neu zu fokussieren, oder ist das eine his­torische Meth­ode des
Sys­temver­gle­ichs? Worauf soll das hin­aus­laufen? His­torische Aufk­lärung oder
Ver­harm­lo­sung des Holo­caust? So eine Par­al­lelführung eignet sich schon sehr gut als
psy­chis­che Ent­las­tungsak­tion zugun­sten der willi­gen Unter­stützer und Vollstrecker
des NS-Programms.

Ent­las­tung und Entschul­dung der T&au
ml;tergesellschaft unter dem Deck­man­tel der
his­torisch objek­tiv­en Geschichts­darstel­lung? Vertrei­bung, Bombenkrieg,
Ver­schlep­pun­gen, willkür­liche Rachejus­tiz der Sieger, alles das schuf “natür­lich”
auch Opfer auf­seit­en der Täterge­sellschaft. Und diese Opfer wer­den nun gegen-
erin­nert, ihr Leid wird dem der Holo­caustopfer ent­ge­gen gehal­ten bzw. par­al­lel dazu
dargestellt. 

Unter der Hand erscheint der Holo­caust gar nicht mehr so “ein­ma­lig”; die Verbrechen
der Nazis haben auf ein­mal ein Pen­dant; die Befreiung vom Nazis­mus erscheint nun
dop­pel­bödig, denn unter­schwellig wird die Frage in den Raum gestellt: Hat der
grausame Befreiungskampf in Ost€pa nicht eben­so viel Leid über die Menschheit
gebracht, wie die deutsche Okku­pa­tion dieser Gebi­ete? Das The­ma der heutigen
Ver­anstal­tung ist keine unpoli­tis­che Angele­gen­heit, die lediglich für kleine und
harm­lose Verun­sicherun­gen im deutschen Geschichts­bild sorgt. Ihr Sinn ist ein
ander­er: Die Sin­gu­lar­ität des Holo­caust soll unter­graben wer­den, der Antifaschismus
unter dem “Roten Stern” soll als links­faschis­tis­ches Gewalt­sys­tem denun­ziert werden,
die Internierung von Teil­nehmern am Ver­nich­tungskrieg und Unter­stützern des
Nation­al­sozial­is­mus soll in eine Lin­ie mit den Ver­brechen von SS und Wehrmacht
gestellt wer­den. Zwar wird bei jed­er Gele­gen­heit betont: Wir wollen keine
“Aufrech­nung” betreiben. Aber komis­cher­weise sehen fast alle Deutschen in
Ver­anstal­tun­gen wie dieser ein Ange­bot zur Aufrech­nung. Wenn jemand ständig betonen
muss, “… wir wollen nicht aufrech­nen”, dann sind diese Beteuerun­gen an den
Erken­nt­nis­sen der Psy­cho­analyse zu messen, die besagen: Das Unbe­wusste ken­nt keine
Vernei­n­ung. Auf unseren Fall ange­wandt: Wer ständig betont, dass nicht aufgerechnet
wer­den soll, dessen Unbe­wusstes sagt: Ich will, dass aufgerech­net wird! Keine Frage:
Aus den Aus­sagen von Schön­bohm, Knabe etc. spricht das deutsche kollektive
Unbe­wusste zu uns. Es sagt uns: Über die Ver­brechen des Nation­al­sozial­is­mus darf nur
gere­det wer­den, wenn man gle­ichzeit­ig den Blick auf die “Ver­schlep­pun­gen” und die
Gewal­texzesse der Befreier wirft. Eine ein­deutige Unter­schei­dung von NS-Tätern und
NS-Opfern ist gar nicht möglich. Eine Parteinahme für eine der bei­den Gruppen
erübrigt sich. — Ken­nen wir nicht diese Botschaft schon seit fün­fzig Jahren?

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