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Rechter Alltag in Oranienburg

Studie zu Recht­sex­trem­is­mus in der Kreis­stadt: Die Szene ist organ­isatorisch schwach — doch einem recht­en Kon­sens tut das keinen Abbruch

(MAZ, Jens Thomas) ORANIENBURG In der Oranien­burg­er Jugend sind recht­sex­treme Erschei­n­ungs­for­men seit fast
zwei Jahrzehn­ten fest etabliert. Das ist das Ergeb­nis ein­er zwei­jähri­gen Studie zum The­ma jugendlich­er Recht­sex­trem­is­mus in der 30 000 Ein­wohn­er großen Stadt im Ober­hav­el-Kreis. Dieser Extrem­is­mus zeige sich heute jedoch nicht mehr allzu offen­sichtlich: Wed­er gebe es in der Kle­in­stadt mit einem
Aus­län­der­an­teil von 1,9 Prozent eine Jugen­dor­gan­i­sa­tion der NPD noch Kam­er­ad­schaften. Vielmehr kon­nten die Forsch­er “diverse Jugend­grup­pen” mit ins­ge­samt bis zu 100 Per­so­n­en beobacht­en, die ein aus­län­der­feindlich­es bis
recht­sex­tremes Ver­hal­ten haben. 

Zwei Jahre erforschte eine Stu­den­ten­gruppe unter Leitung des Berlin­er FU-Poli­tikpro­fes­sors Hajo Funke die Stadt. Die Unter­suchung baut auf Forschungsergeb­nis­sen des 1998 veröf­fentlicht­en Buch­es “Wir wollen uns nicht
daran gewöh­nen” von Markus Kem­per, Har­ald Kli­er und Hajo Funke auf. Damals sollte Frem­den­feindlichkeit in Oranien­burg unter­sucht und die Bürg­er dazu ermutigt wer­den, einen recht­en Kon­sens in der Stadt nicht hinzunehmen. 

Dies­mal ging um mehr: Auch das demokratis­che Engage­ment sollte kri­tisch hin­ter­fragt wer­den. Ergeb­nis: Man habe sich mit­tler­weile an eine All­t­agskul­tur mit recht­sex­tremen Vorze­ichen gewöh­nt, sagt Ralph Gabriel, Mitini­tia­tor der Studie. Die gewalt­täti­gen Straßenkrawalle rechtsextremer
Jugend­grup­pen nach der Wende hät­ten sich zwar ver­flüchtigt — aber seit 1999 nehme recht­sex­treme Gewalt wieder zu. Meist werde das mit den Worten “Früher war alles schlim­mer.” abge­tan, so die Forsch­er. Heute gebe es in Oranienburg
zum Teil einen recht­sex­tremen Kon­sens, in den sich Jugendliche ein­fach eingliedern kön­nen. So gel­ten rechte Marken wie Cons­daple als in. Die Jugendlichen wür­den sich meist als “rechts aber unpoli­tisch” beze­ich­nen. Und
generell fände man Aus­län­der meist “scheiße” — obwohl es sie in der Stadt kaum gibt. 

Auf­fäl­lig ist, wie wenig organ­isiert die Recht­sex­trem­is­ten sind. Zwar gebe es den Märkischen Heimatschutz mit ein­er “Sek­tion Ober­hav­el” und vier Sym­pa­thisan­ten oder die NPD mit einzel­nen Mit­gliedern im Kreis. Die Forsch­er kon­nten in der Stadt keine Organ­i­sa­tio­nen oder Parteien find­en, die aktiv
sind. “Doch eine feste Struk­tur in der recht­sex­tremen Szene Oranien­burgs ist offen­sichtlich gar nicht notwendig. Die Szene ist auch so quick­lebendig”, sagt Gabriel. Die Übergänge vom nor­malen Dor­fju­gendlichen zum
Recht­sex­trem­is­ten seien fließend. Die Jugendlichen träfen sich spon­tan an Orten wie dem Schloss­park oder am Lehnitzsee. Das seien “Zonen der Angst”,
wie es die Forsch­er nen­nen. Orte, die recht­sex­treme Jugendliche dominierten. Da komme es dann unter Alko­hole­in­fluss auch zu Pöbeleien oder Übergriffen
gegen Andersaussehende. 

Erschüt­ternd sei, wie wenig “demokratis­ches Engage­ment” dem ent­ge­genge­bracht wird, so die Forsch­er. So ließ der Leit­er des ansäs­si­gen Jugend­clubs ver­laut­en, dass er den Recht­sex­trem­is­mus nicht als das eigentliche Problem
anse­he. Michael Ney, Vize-Lan­drat von der CDU, hat­te sog­ar öffentlich gegen eine Studie zu recht­sex­tremen Erschei­n­ungs­for­men in der nahe gele­ge­nen Sied­lung Leege­bruch protestiert. “Die Stadt will sich im pos­i­tiv­en Licht
darstellen”, erk­lärt sich Lisa Wandt vom Forscherteam das Verhalten. 

Doch nicht alle nehmen das stillschweigend hin. So gibt es vor Ort die “AG gegen Rechts” oder das “Forum gegen Ras­sis­mus und rechte Gewalt”. Dies seien aber nur vere­inzelte Gegeninitiativen. 

Die Studie “Futur Exakt. Jugend­kul­tur in Oranien­burg zwis­chen recht­sex­tremer Gewalt und demokratis­chem Engage­ment” von Ralph Gabriel, Ingo Gras­torf, Tan­ja Lakeit, Lisa Wandt und David Weyand ist im Ver­lag Hans Schiler
erschienen.

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