Rechtsextremismus nimmt zu
POTSDAM Während ausländische und linke Extremisten in Brandenburg
weiterhin eine Nebenrolle spielen, hat sich das Problem des
gewalttätigen Rechtsextremismus im vergangenen Jahr zugespitzt. Mit 105
rechtsextrem motivierten Gewalttaten belegte Brandenburg mit seinen 2,5
Millionen Einwohnern den bundesweit zweitschlechtesten Platz — hinter
dem 17-Millionen-Einwohner-Land Nordrhein-Westfalen, wo 116 Gewalttaten
registriert wurden. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl leben Ausländer in
Brandenburg gefährlicher als in jedem anderen Land (siehe Grafik).
“Der Rechtsextremismus bleibt das größte Problem”, erklärte
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gestern in Potsdam bei der
Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2004. Die rechtsextreme
Gewalt nehme zwar bundesweit zu, “am meisten aber in Brandenburg”, so
der Innenminister. Die Steigerung gegenüber 2003 (87 Gewaltdelikte)
betrug in der Mark etwa 17 Prozent. Eine Erklärung für diesen Anstieg
hat auch Schönbohm nicht.
Die Zahl der Rechtsextremisten in Brandenburg nahm ebenfalls zu. 2004
wurden 1290 Mitglieder rechtsextremer Gruppierungen registriert, 2003
waren es 1265. Als rechtsextrem gelten Gegner der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung. Sie lehnen die fundamentale Gleichheit
aller Menschen ab und wollen auf der Basis einer rassisch hergeleiteten
Ungleichheit einen autoritär geführten Staat nach dem Führerprinzip
errichten. Rechtsextremisten sind zudem antisemitisch und
fremdenfeindlich eingestellt und verharmlosen oder leugnen die
Verbrechen des Nationalsozialismus.
Die DVU als größte rechtsextreme Partei in Brandenburg stagnierte im
vorigen Jahr bei 230 Mitgliedern. Bei den Landtagswahlen im September
2004 erreichte die Partei 6,1 Prozent und zog mit sechs Abgeordneten in
den Landtag ein. Ihre besten Wahlergebnisse erzielte die DVU mit 8 bis
9,5 Prozent in Südbrandenburg. Die rechtsextreme NPD — die mit der DVU
ein strategisches Wahlbündnis verabredet hat — verlor 50 Mitglieder und
zählt nun 130. Der Hauptgrund lag in einer Abspaltung von der NPD und
der damit einhergehenden Gründung der rechtsextremen “Bewegung Neue
Ordnung” (BNO). Den Mitgliedern der BNO war die NPD nicht rechtsextrem
genug.
Die Neonazi-Szene im Land ist von 220 auf 300 angewachsen — was
weitgehend auf die Gründung der BNO zurückzuführen ist. 165 Personen
gehören rechtsextremen Kameradschaften an. Nach Einschätzung des
Innenministerium hat die Kameradschaft als Organisationsform ihren Zenit
schon überschritten.
Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber kündigte gestern eine
verstärkte Aufklärungsarbeit ihrer Behörde im Kampf gegen
Rechtsextremismus an. “Gut informierte und selbstbewusste Bürger sind
die stärksten Waffen einer Demokratie”, erklärte die Verwaltungsjuristin.