Potsdam (dpa) Der Großteil der verfassungsfeindlichen Straftaten in Brandenburg wird nach wie vor von Rechtsextremisten verübt. Die rechtsextreme Szene gebe sich zunehmend harmlos, sei aber tatsächlich gefährlicher geworden, heißt es im Verfassungsschutzbericht 2004, den Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Dienstag in Potsdam vorstellte. “Mindestens die Hälfte der Beobachtungstätigkeit des Verfassungsschutzes zielt deswegen auf den Rechtsextremismus.”
Dem Bericht zufolge gibt es derzeit 1290 Rechtsextremisten in Brandenburg. 2003 war die Zahl auf 1265 geschätzt worden. Besonders die Zahl der Neonazis sei gestiegen, und zwar von 220 (2003) auf 300, sagte Schönbohm. Es gebe in Brandenburg zwar nur halb so viele Linksextremisten (2004: 660, 2003: 670). Diese seien jedoch nicht weniger gewalttätig. Die Kameradschaften hätten sich als auf die Dauer nicht überlebensfähig gezeigt, berichtete der Minister. Vor einem Monat waren die Kameradschaften “Hauptvolk” und “Sturm 27” verboten worden.
Die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten stieg 2004 um 18,7 Prozent auf 1865 Fälle gegenüber 1571 im Vorjahr. Vor allem das deutliche Anwachsen der politisch motivierten Gewalttaten um knapp 26 Prozent auf 131 Fälle (2003: 104) gebe Anlass zur Sorge. Gezählt wurden 105 rechtsextreme Gewalttaten, 18 mehr als 2003. Beim Linksextremismus wurde eine Zunahme um acht auf 22 Attacken festgestellt. Bei der rechten Gewaltkriminalität stieg die Aufklärungsquote von 82 auf 91 Prozent.
Mit 105 der bundesweit 776 rechtsextremen Gewalttaten liegt Brandenburg bundesweit auf Platz zwei hinter Nordrhein-Westfalen. Bei einem Bevölkerungsanteil von rund 3 Prozent geschehen in Brandenburg knapp 14 Prozent dieser Gewalttaten. Gerechnet auf 100 000 Einwohner liegt die Mark klar auf dem ersten Rang.
Er habe keine Erklärung für den deutlichen Anstieg rechtsextremer Gewalttaten, räumte Schönbohm ein. Darum könne auch keine Therapie entwickelt werden. “Mehr als 70 Prozent rechtsextremistischer Gewalttäter wissen morgens nicht, dass sie abends eine Straftat begehen.” Diese spontane Vorgehensweise mache es für den Verfassungsschutz so schwierig, Gewaltdelikte vorherzusagen.
Schönbohm zufolge sind in Brandenburg nur wenige Islamisten bekannt. Der Bericht schätzt ihre Zahl auf unverändert etwa 50. Sie würden sich nicht auf einen Kampf in Brandenburg, sondern in ihren Heimatländern vorbereiten. Die meisten hier lebenden Ausländer lehnten Gewalt ab, sagte Schönbohm. Zugleich begrüßte er die Tatsache, dass in den Gebetsräumen im Land jetzt auch auf Deutsch gepredigt werde.
Verfassungsschutz-Chefin Winfriede Schreiber sprach von einem Lagebericht des Extremismus im Land. Ihr Ziel sei es, die Öffentlichkeitsarbeit der Behörde und die Zusammenarbeit mit der Polizei zu verbessern. “Wir sind nicht geheim.” Schreiber hatte das Amt im Januar übernommen. Ende Dezember hatte der Verfassungsschutz als Abteilung des Innenministeriums 134 Planstellen, von denen 121 besetzt waren. Die Personalkosten betrugen rund 4,9 Millionen Euro, die Sachmittel etwa 1,15 Millionen Euro.