Rechtsextremismus noch nicht im Griff
POTSDAM Rolf Wischnath scheint seinen Frieden mit Jörg Schönbohm gemacht zu haben — zumindest vorerst. Prägte gegenseitige Ablehnung das Verhältnis beider, scheint sich das geändert zu haben, trotz aller bestehenden politischen Gegensätze. Der Cottbuser Generalsuperintendent Wischnath jedenfalls, der auch Vorsitzender des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit ist, lobt den Innenminister und seinen Kampf gegen den Rechtsextremismus.
Schwierigkeiten hat Wischnath, der sich selbst einen “demokratischen Linken” nennt, nur, wenn Schönbohm seine Auffassungen in der rechtskonservativen “Jungen Freiheit” verbreitet. Das sei für ihn “nicht nachvollziehbar”. Damit habe Schönbohm geschickt, wie Wischnath wiederum glaubt, von Misserfolgen wie dem Fürniß-Rücktritt ablenken können.
Um dem Rechtsextremismus wirkungsvoll zu begegnen, ist aus seiner Sicht weiterhin ein “Dreiklang aus Prävention, Intervention und Repression” aller staatlichen und gesellschaftlichen Kräfte notwendig, sagte Wischnath gestern vor Journalisten. Er beklagte “Alltagsrassismus” im Land. Pöbeleien, Beleidigungen, ständige Diskriminierungen und Übergriffe seien “fast normal”. Den Rechtsextremismus habe man noch nicht im Griff.
Er warnte davor, den Mord an einem Schüler im uckermärkischen Potzlow politisch zu instrumentalisieren. Sowohl seelische Verwahrlosung der Täter als auch deren rechtsextreme Gesinnung hätten zu dem Verbrechen geführt. Er reagierte damit auf Äußerungen von CDU-Fraktionschefin Beate Blechinger, die für den vermutlichen Haupttäter von Potzlow einen rechtsextremistischen Hintergrund bestritten und die familiären Verhältnisse verantwortlich gemacht hat.
In Potzlow wiesen klare Indizien darauf hin, dass der Mord rechtsextremistisch begründet war. “Ein Verfall der Werte ist überall erkennbar”, meinte Wischnath. Am häufigsten werde Gewalt in Familien angewandt. “Menschliche Beziehungen scheinen immer häufiger durch Macht und Gewalt und nicht durch Liebe und Zuneigung geprägt zu sein.”
Kritisch äußerte sich Wischnath über das gegenwärtige “Nebeneinander” der bestehenden Initiativen wie Aktionsbündnis und Handlungskonzept “Tolerantes Brandenburg”, das beim Bildungsministerium angesiedelt ist. Das müsse überdacht werden, forderte er. Schon im kommenden Jahr sollte es zu effizienteren Strukturen kommen. Wischnath kündigte an, im Mai 2004 nicht noch einmal für den Vorsitz des Aktionsbündnisses zu kandidieren.
Nach fünf Jahren an der Spitze des Bündnisses könne er darauf verweisen, dass sich etwas in der Gesellschaft getan habe, betonte er. Die Stimmung habe sich verändert. Menschen, die offen gegen Diskriminierungen auftreten, könnten inzwischen eher hoffen, Unterstützung zu finden und nicht nur betretenes Wegsehen.
Wischnath hat auch einen Vorschlag, wer den neuen Verdienstorden des Landes Brandenburg als Erster bekommen sollte: der Pfarrer Hans Siebmann aus Köln. Der 71-Jährige habe sich schon zu DDR-Zeiten Verdienste um die Unterstützung des Kirchenkreises Finsterwalde erworben. Als noch die Mauer stand, habe er sogar Geld in seiner Unterhose in die DDR geschmuggelt, erzählte Wischnath.