Der Erfolg sollte binnen kürzester Zeit zum Absturz führen: Kaum war die
rechtsradikale DVU 1998 in den Magdeburger Landtag eingezogen, zerlegte
und zerlumpte sich die 16-köpfige Fraktion selbst: Die ahnungslosen
Volksvertreter fielen nicht nur durch dubiose Abspaltungen und peinliche
Rücktrittsforderungen gegen ihren Münchner Parteichef Gerhard Frey auf.
Hinzu kamen Berichte über Diebstahl aus der Fraktionskasse, Kinderpornos
auf dem Dienstcomputer und Strafanzeigen wegen Tierquälerei. Die Wähler,
die der DVU ihr Vertrauen schenkten, sahen ihre Stimmen rasch vergeudet.
Diese Erfahrungen mit rechtsextremistischen Parteien schrecken jedoch
offenbar nicht. So ist die NPD bei der Saarland-Wahl auf vier Prozent
gekommen. Sie habe sich an die Anti-Hartz-Kampagne der PDS gehängt und
profitiere mächtig davon, sagt der Dresdner Parteienforscher Werner
Patzelt. Ein Erfolg der NPD bei der Landtagswahl in Sachsen am 19.
September sei daher wahrscheinlich. Dass am selben Tag beim Urnengang in
Brandenburg die DVU erneut ins Potsdamer Parlament einziehen könnte –
diese Befürchtung verstärkt sich bei den demokratischen Parteien in
Brandenburg.
In Sachsen inszeniert die NPD eine Neuauflage des Spektakels von 1999.
Die Rechtsextremisten wollen erstmals den Dresdner Landtag erobern. Die
etablierten Parteien fürchten, dass es diesmal klappen könnte und manche
Wähler den Wahlschein zum Waffenschein machen wollen. Denn schon bei den
Kommunal- und Europawahlen im Juni in Sachsen hatte die NPD in mehreren
Orten mehr als 20 Prozent der Stimmen geholt. Zwar lag das landesweite
Ergebnis nur bei 0,9 Prozent, doch im Mittelwert der Hochburgen wie der
Sächsischen Schweiz, dem Muldentalkreis sowie den Kreisen Riesa, Meißen
und Freiberg waren es durchschnittlich 8,5 Prozent. Als ähnlich hoch
gilt landesweit die Bereitschaft, rechte Parteien zu wählen.
Eigentümliches Verhalten
Einmal im Parlament vertreten, bleiben Rechtsextremisten jedoch
wirkungslos. Everhard Holtmann, Politologe an der Uni Halle, erklärt:
„Protestparteien des rechten Randes zeigen, wenn sie einmal in
Parlamente gewählt sind, ein eigentümliches Verhalten.“ Sie versuchten
einerseits, bei der Protesthaltung zu bleiben, andererseits gebe es eine
„Überanpassung“ an die parlamentarischen Gepflogenheiten, weil sie den
Wählern Ergebnisse vorweisen müssen. Somit blockieren sich die Parteien
selbst.
Die Chancen der NPD für einen Einzug in den Landtag stiegen dennoch,
weil die DVU nach einer Absprache auf den Freistaat verzichtet und dafür
allein in Brandenburg antritt. Und auch die ehemalige Landesführung der
heillos zerstrittenen Republikaner, die bei der Kommunalwahl in Chemnitz
10,3 Prozent bekamen, ruft wie die DVU zur Wahl der NPD auf.
Ihre Wahlwerbung betreiben die ausländerfeindlichen Extremisten mit
großem Materialaufwand, müssen allerdings nachts zum Schutz ihrer
Plakate Wachen aufstellen. Die Partei, die vom Verfassungsschutz
beobachtet wird, hält sich dafür durch intensive Kontakte zur
gewalttätigen Skinheadszene das nötige Personal. Die Parteigänger geben
sich als starke Sachsen – auch wenn ihr Spitzenkandidat Holger Apfel aus
München stammt.
Die CDU will sich nun bemühen, am rechten Rand zu fischen und in
Vereinen und Verbänden vor Ort auf Stimmenfang zu gehen.
Ministerpräsident Georg Milbradt warnt zugleich vor den Folgen einer
Wahl von Rechtsextremisten: „Wir dürfen das Land nicht den radikalen
Parteien überlassen. Die verschrecken die Investoren und schaffen keinen
einzigen neuen Arbeitsplatz.“
Unterschätzte Rechtsextreme
Für den Brandenburger PDS-Landeschef Ralf Christoffers werden die
Rechtsextremen bei der Landtagswahl noch völlig unterschätzt. Er ist
nicht der einzige Politiker, der befürchtet, dass die rechtsextreme DVU
gegenüber der Landtagswahl 1999 zulegen könnte. Damals bekam sie 5,28
Prozent und zog mit fünf Abgeordneten in den Landtag ein. Diesmal könnte
der DVU, die das Land bereits mit 100 000 Plakaten überschwemmt hat, der
Frust über Hartz IV zugute kommen. „Geld spielt keine Rolle“, sagt der
DVU-Landeschef Sigmar-Peter Schuldt.
Finanziert wird die Kampagne laut Verfassungsschutz vom schwerreichen
Münchner Verleger der National-Zeitung Gerhard Frey. „Er gibt das Geld“,
erklärt Verfassungsschutz-Chef Heiner Wegesin. Zwar liegt die DVU in
Umfragen zurzeit unter fünf Prozent. Doch betonen Meinungsforscher, dass
sich viele in Telefonumfragen nicht als Wähler rechtsextremer Parteien
outen. Sollte die DVU tatsächlich deutlich zulegen, könnte bei einem
Wahlsieg der PDS sogar die absolute Mehrheit für die große Koalition
gefährdet sein.
Allerdings gibt es noch eine zweite rechtsextreme Grup-pierung, die in
den Potsdamer Landtag will: „Ja zu Brandenburg“. Mario Schulz, der sie
ins Leben rief, ist für den Verfas-sungsschutz ein alter Bekannter. Er
war NPD-Landesvorsitzender. Laut Wegesin hat er sich von der NPD
getrennt, weil sie ihm „nicht mehr völkisch genug war“, nachdem sie bei
der Europawahl einen Bosnier kandidieren ließ. Mit Schulz verließen vor
allem junge Neonazis die NPD. „Ja zu Brandenburg“ sei „klar
rechtsextremistisch, ihr Programm geht auf das der NSDAP von 1920 zurück“.
Alle großen Parteien fordern die Wähler unterdessen inständig auf, an
die Urnen zu gehen. Denn eine geringe Wahlbeteiligung könnte den
rechtsextremen Parteien rechnerisch zum Sprung in die Landtage von
Dresden und Potsdam verhelfen.