WITTSTOCK Volkstrauertag 2003: 24 Personen aus der rechten Szene marschieren
in Zweier-Kolonne zum Kriegerdenkmal in Dossow. Sie stellen sich im
Halbkreis auf. Schwarz-weiß-rote Fahnen werden geschwenkt. Einer hält eine
Rede. Zwei Personen legen einen Kranz vom “nationalen Widerstand
Prignitz-Ruppin” für die “tapferen Gefallenen des ersten und zweiten
Weltkrieges” nieder. Nach einer Schweigeminute löst sich die Versammlung
auf.
Organisator dieser nicht angemeldeten und genehmigten Versammlung war nach
Auffassung der Staatsanwaltschaft der 25-jährige Stadtverordnete Mathias
Wirth aus Wittstock. Der Kfz-Mechaniker hatte wegen Verstoßes gegen das
Versammlungsgesetz einen Strafbefehl erhalten. Gestern fand die Verhandlung
vor dem Neuruppiner Amtsgericht statt. Sie endete mit einem Freispruch.
Resigniert hatte Staatsanwalt Kai Clement nach drei Zeugen auf die Anhörung
weiterer verzichtet: “Es hat keinen Sinn.” Die Zeugen seien so katastrophal,
dass man mit ihnen nichts anfangen könne. Es käme nur noch einer in
Betracht. Und bei dem könne er sich an allen fünf Fingern abzählen, was da
herauskomme. Nämlich nichts, wie die vorangegangenen Befragungen zeigten.
Bei allen drei Zeugen war ein kollektiver Gedächtnisschwund eingetreten. So
schien bei Stefan L. “keine Ahnung” das Lieblingswort zu sein. Er wollte
Mathias Wirth nur vom Hören und Sehen kennen. Mit wem er nach Dossow
gekommen sei: “Keine Ahnung.” Wer den Kranz niedergelegt habe: “Kann ich
nicht sagen.” Worum es gegangen sei: “Keine Ahnung.”
Ähnlich aufschlussreich äußerte sich der nächste Zeuge: “Dossow sagt mir
nichts.” Warum er überhaupt mitgefahren sei, wenn er keinen kannte und nicht
wusste, worum es ging?, wollte Richter Schippers wissen. “Warum nicht? Wenn
mich einer zum Fußball eingeladen hätte, wäre ich ja auch mitgefahren.”
Genauso wenig trug Carmen S. zur Klärung bei: “Ich vergesse eigentlich immer
schnell wat.” Sie habe von der ganzen Aktion nichts gewusst, sondern nur auf
Wunsch ihres Freundes ein paar Leute eingesammelt und nach Dossow gefahren.
Worüber die im Auto geredet hätten, habe sie nicht interessiert: “Ich musste
mich auf die Straße konzentrieren.” Mathias Wirth kenne sie nur vom Sehen.
Wer den Aufmarsch initiiert hatte, konnte gestern nicht geklärt werden. Es
gebe Hinweise auf Mathias Wirth, so der Richter. Doch nach dem Grundsatz im
Zweifel für den Angeklagten sei Wirth freizusprechen.