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Reclaim the “No-Go Areas”

(von flex­id — 02.07.2006) Aktion in Rathenow: eine WM-Par­ty mit­ten in ein­er No-Go Area, gemein­sam mit Flüchtlin­gen und Antifas 

»No-Go Areas«, war da noch was? Mit dem Anpfiff der WM war die hek­tis­che Diskus­sion um »No-Go Areas« so gut wie vergessen. Deutsch­land, einig Party­land. Auch wenn die befürchteten ras­sis­tis­chen Auss­chre­itun­gen aus­blieben, für Migran­tInnen und Flüchtlinge geht das Leben unter der »nor­malen« ras­sis­tis­chen Bedro­hung weit­er. Die Racism Help Line hat vom 10. bis zum 24. Juni elf ras­sis­tis­che Angriffe in Berlin und Bran­den­burg gemeldet, darunter drei Fälle von Mis­shand­lung durch die Polizei. Nur wenige Tat­en ste­hen direkt mit der WM in Zusam­men­hang, was ihre Auswirkung auf die Betrof­fe­nen in kein­er Weise mindert. 

Die »No-Go Area«-Debatte hat­te sich auf weit­en Streck­en in ein­er bloßen Beschrei­bung dieser Real­ität fest­ge­fahren, ohne konkrete Hand­lungsper­spek­tive. Dabei liegt diese auf der Hand: eine Verän­derung kann nur von der kollek­tiv­en Aktion der Betrof­fe­nen aus­ge­hen. Wenn es stimmt, dass die Macht der Ras­sis­ten im Wesentlichen auf der Ein­schüchterung der Betrof­fe­nen beruht, dann ist es an uns, gemein­sam mit diesen den öffentlichen Raum zurück­zuer­obern. Das haben wir getan, beispiel­haft in Rathenow, ein­er Hochburg der mil­i­tan­ten recht­en Szene in Bran­den­burg. Anlass war für uns das Viertel­fi­nale am 30. Juni. 

Es war in Rathenow, wo wieder ein­mal Ras­sis­ten einen Flüchtling angrif­f­en, am 22. Mai in der Nähe des Heims. Ismail A. aus Togo war an jen­em Abend mit seinem Fahrrad auf dem Rück­weg vom Super­markt, wo das Chip­karten-Sys­tem ihn zwang einzukaufen. Wie immer nahm er die Abkürzung über das Gelände des ehe­ma­li­gen Beton­werks, ein­er riesi­gen Indus­trieru­ine neben dem Heim. Drei Ras­sis­ten woll­ten ihn mit ihrem BMW über­fahren, Ismail kon­nte sich in let­zter Sekunde durch einen Sprung ins Gebüsch ret­ten. Er litt Todesäng­ste. Seit­dem mied er das Are­al, genau wie andere Flüchtlinge aus dem Heim. Das Beton­werk wurde zur »No-Go Area«. 

Der 30. Juni brachte die Wende. Auf dem Gelände des Beton­werks, in ein­er leer­ste­hen­den Halle, fand an diesem Abend eine WM-Par­ty statt, gemein­sam organ­isiert von der Antifa West­havel­land, der Opfer­per­spek­tive und den Heim­be­wohner­In­nen. Die Aktion war denkbar kurzfristig organ­isiert, die Entschei­dung fiel erst drei Tage vor dem Spiel. Den­noch gelang es in einem Kraftakt, die Aktion auf die Beine zu stellen. Am Nach­mit­tag waren noch zähe Ver­hand­lun­gen mit der Polizei durchzuste­hen, mit der Bauauf­sicht im Rück­en. Das kon­nte ger­ade noch abgewen­det wer­den. Als dann kurz vor Anpfiff des Spiels Argen­tinien-Deutsch­land der DVBT-Receiv­er in der abgeschirmten Stahlbe­ton­halle noch nicht sendete, wurde die Par­ty kurz­er­hand auf das Gelände des Heims ver­lagert, hier spiel­ten sich begeis­terte Szenen ab. Nach dem Elfme­ter­schießen Rück­kehr in die Halle, in der mit­tler­weile ein bril­lantes Bild an die geweißte Wand gewor­fen wurde. Die Par­ty ging weit­er, auch wenn das Spiel der Ukraine und Ital­ien wenig Span­nung aufkom­men ließ. Über­all glück­liche Gesichter, die »No-Go Area«, sie wurde an diesem Abend tat­säch­lich zur Par­ty-Zone. Die Recht­en, sie existierten ein­fach nicht. 

Gewiss eine ein­ma­lige Aktion, die sich in ein­er anderen Sit­u­a­tion nur schw­er wieder­holen lässt. Sie zeigt den­noch das Poten­zial kollek­tiv­er Kreativ­ität, wie wir den öffentlichen Raum neu definieren kön­nen. Reclaim the No-Go Areas! 

Den Orig­i­nal-Artikel mit Fotos find­et Ihr hier>.

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