(LR, 28.4.) Die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Brandenburg
soll von der Jahresmitte an noch schlagkräftiger werden. Bis dahin greife
die Strukturreform unter dem Dach seines Ressorts, sagte Bildungsminister
Steffen Reiche (SPD). Die Reform bündelt die Arbeit verschiedener
Aufgabenträger in landesweit sechs Service-Stellen. Der CDU-Politiker Dierk
Homeyer zeigte sich erfreut, “dass Reiche jetzt die Notbremse zieht und den
bitter nötigen Kampf gegen rechtsextreme Gewalt zur Chefsache macht”.
Reiche räumte ein, dass es in der Vergangenheit durch das Nebeneinander
vieler Einrichtungen zu Reibungsverlusten kam. “Das wird jetzt alles
konzentriert.” Bislang waren zehn Regionale Arbeitsstellen für
Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule (RAA), sechs Mobile Beratungsteams
und 18 Vertretungen des “Beratungssystems Schule” zuständig. “Da hat man
viel Zeit verloren, um sich untereinander abzustimmen”, stellte Reiche fest.
Sämtliche Institutionen sind in das seit 1998 bestehende Handlungskonzept
“Tolerantes Brandenburg” eingebunden. Rückblickend kritisierte der Minister:
“Es gab zu viele Hauptamtliche, die in verschiedenen Strukturen gearbeitet
haben.” Zugleich hält Reiche jedoch an dem breiten Ansatz für das Vorgehen
gegen extremistische Auswüchse fest: “Die Vielfalt soll bleiben.” Neben dem
“Toleranten Brandenburg” existieren noch das Aktionsbündnis gegen Gewalt,
Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sowie der Landespräventionsrat.
Während das Handlungskonzept “staatliches Handeln” bedeute, koordinierten
der Präventionsrat die Regierungstätigkeit und das Aktionsbündnis die
“gesamte zivilgesellschaftliche Arbeit”, erläuterte Reiche. Er gab zu, dass
durch den Ausfall des Vorsitzenden des Aktionsbündnisses, Rolf Wischnath,
wie auch der Verantwortlichen für das Handlungskonzept, Uta Leichsenring,
eine schwierige Lage entstanden ist.
Zahl der Täter rückläufig
Wischnath, Cottbuser Generalsuperintendent der evangelischen Kirche, fehlt
seit Mitte Februar wegen Krankheit nach einer Auseinandersetzung um eine
Stasi-Überprüfung. Ob und wann er auf seinen Posten zurückkehrt, ist offen.
Leichsenring hatte das im April 2002 angetretene Amt einer
Toleranz-Beauftragten nie richtig ausgeübt und nach acht Monaten — ebenfalls
wegen Krankheit — aufgegeben. Derzeit stehen Reiche und sein Staatssekretär
Frank Szymanski an der Spitze von “Tolerantes Brandenburg”. Der für
Leichsenring geschaffene Posten soll nicht wieder besetzt werden.
Trotz aller Schwächen trügen die Anstrengungen gegen Extremismus Früchte. So
sei die Zahl der Täter in bestimmten Bereichen rückläufig. “Die Progression
ist gestoppt worden.” Insbesondere die Schulen lobte er: “Das Engagement ist
sichtbar gewachsen.” Hier wirkten die Programme zur gewaltlosen Bewältigung
von Konflikten. Im vergangenen Jahr war laut Statistik die Zahl rechter
Straftaten gegenüber 2001 um 8,4 Prozent auf 983, die links motivierter
Delikte um 13 Prozent auf 78 gestiegen.
CDU spricht von später Einsicht
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Homeyer,
sprach von “später Einsicht” des Ministers, begrüßte die Reform aber. Es sei
lobenswert, dass der Minister die ineffizienten Strukturen im Kampf gegen
Rechtsextremismus, “die sein Haus jahrelang mit aufgebaut hat”, nunmehr
erkannt habe und konsequent gegensteuern wolle. Bislang hätten sich die
vielen Institutionen in hohem Maße mit sich selbst beschäftigen müssen.
Nach Angaben des Potsdamer Innenministeriums sind etwa zwei Drittel der
politisch motivierten Gewalttäter 14 bis 21 Jahre alt; unter anderem wurden
50 Schüler und Auszubildende ermittelt. Der Vorsitzende des
Aktionsbündnisses, Wischnath, sprach kürzlich von “Alltagsrassismus” und
allgegenwärtigem Werteverfall in Brandenburg. Das Land habe die Situation
noch nicht im Griff.