LUCKENWALDE. Aus dem Gefängnis heraus hat der wegen versuchten Mordes verurteilte Neonazi Jan Weicht sechs einstige Kumpane aus der Trebbiner rechten Szene schwer belastet — sie stehen jetzt in Luckenwalde (Teltow-Fläming) vor Gericht. Die Männer sollen laut Weicht aktiv an zwei Überfällen auf eine Gruppe italienischer Bauarbeiter im September 1996 beteiligt gewesen sein und einen der Männer, den Italiener Giovanni Andreozzi, schwer verletzt haben. Am Mittwoch soll das Urteil fallen.
Bisher waren nur der 29-jährige Weicht und ein weiteres Mitglied der rechten Szene für die fremdenfeindlichen Übergriffe am 29. September 1996 in Trebbin belangt worden. Vor fünf Jahren wurde Weicht vom Landgericht Potsdam wegen versuchten Mordes zu 15 Jahren Haft verurteilt. Er hatte bei den Angriffen Andreozzis Kollege Orazio Giamblanco fast umgebracht. Mit einer Baseballkeule schlug er dem damals 55-jährigen Sizilianer mehrmals auf den Kopf und zertrümmerte ihm dabei die Schädeldecke. Seit dem Überfall sitzt Orazio Giamblanco im Rollstuhl. Weichts Komplize bei dem versuchten Mord wurde zu einer Jugendstrafe von acht Jahren verurteilt. Bei der anschließenden Treibjagd auf weitere italienische Bauarbeiter erlitt Giovanni Andreozzi einen offenen Nasenbeinbruch, eine Rippenfraktur und eine Verletzung an der Lunge. Er musste wochenlang im Krankenhaus behandelt werden.
Im vergangenen Jahr hatte sich Weicht der Potsdamer Staatsanwaltschaft anvertraut und die sechs Männer im Alter von 23 bis 29 Jahren schwer belastet. Vor dem Amtsgericht in Luckenwalde hatte er bei Prozessbeginn in der vorigen Woche angegeben, er habe in den vergangenen Jahren im Gefängnis sehr viel Zeit zum Überlegen gehabt und sich gefragt, für wen er eigentlich die Schuld abtrage. “Weicht hat sich von seiner rechten Gesinnung losgesagt”, sagte Staatsanwalt Peter Petersen, der die Anklage gegen die sechs ehemaligen Weicht-Freunde vertritt. Es gebe keinen Grund, dem einstigen Neonazi nicht zu glauben. Er mache sich mit seiner späten Aussage keine Freunde im Gefängnis. Im Gegenteil, er müsse mit Vergeltung rechnen.
Weicht habe sich schon 1997 in einem aus dem Gefängnis geschmuggelten Brief enttäuscht über die fehlende Hilfe aus der rechten Szene für sich und seine Mutter nach seiner Verurteilung gezeigt und in den Jahren im Gefängnis wohl mitbekommen, dass es nichts bringe, als “Märtyrer der rechten Szene” einzusitzen. Speziell den 28-jährigen André P. habe der Ex-Neonazi beschuldigt, an jenem Abend mit einem Baseballschläger auf Giovanni Andreozzi eingeprügelt zu haben. “Der Angeklagte hat lediglich Fußtritte und Faustschläge zugegeben, die anderen sagen gar nichts zu den Vorwürfen”, sagte Staatsanwalt Petersen.
Am Abend des 29. September 1996 waren italienische Bauarbeiter auf dem Weg von einem Café in ihre Containerunterkünfte zunächst von Jan Weicht und einem Mittäter angepöbelt und dann verprügelt worden. Dabei war Orazio Giamblanco von Weicht mit der Baseballkeule so traktiert worden, dass der Italiener nur mit Glück überlebte. Kurz darauf wurden Giamblancos Kollegen von einer Horde Rechtsradikaler gejagt und verprügelt.
Die Anwälte der nun angeklagten sechs Männer zweifeln an der Glaubwürdigkeit Weichts. Dieser habe die Angeklagten lediglich aus Rache beschuldigt. Er habe für die Tat nicht allein büßen wollen und offenbar auch erfahren, dass über ihn in der rechten Szene in Trebbin gelacht werde. Zudem habe Weicht in der vergangenen Woche ausgesagt, vor dem Überfall auf Giamblancos Kollegen Andreozzi mehrere Biere und eine halbe Flasche Whisky auf Ex getrunken zu haben. Bei dieser Menge sei Weicht wohl kaum noch in der Lage gewesen, sich an einen der Beteiligten des Überfalls auf den Italiener Giovanni Andreozzi erinnern zu können, hieß es.
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