RHEINSBERG Das ABM-Projekt “Zwangsarbeit in Rheinsberg 1940 — 1945” wurde gestern in Rheinsberg vorgestellt. Rund 30 Einwohner (darunter 13 Schüler der Heinrich-Rau-Schule) hatten sich im Rathaussaal eingefunden. Sie informierten sich über die Recherche, die als ABM von fünf Männern und Frauen in zwöfmonatiger Arbeit bewältigt wurde. Ausgangspunkt der Forschungen war die Anfrage eines ehemaligen Zwangsarbeiters, die im November 1999 die Stadt erreichte. Unter Leitung des Leiters der Kurt-Tucholsky-Gedenkstätte Peter Böthig wurde daraufhin gemeinsam mit der Rheinsberger Arbeitsfördergesellschaft Rabs und dem Arbeitsamt ein ABM-Projekt ins Leben gerufen, um die Geschichte von Zwangsarbeit in der Stadt und Umgebung zu erforschen und zu dokumentieren.
Von September 200 bis September 2001 befassten sich die fünf ABMler mit der Thematik. Orte für die Nachforschungen waren Archive in Neuruppin, Potsdam und Berlin. Außerdem wurden ein Internet-Forum genutzt und 50 Bürger aus Rheinsberg und Orten des heutigen Amtes befragt.
“Es war nicht einfach, Dokumente und Zeugnisse aus dieser Zeit zu finden. Viele Papiere wurden nach dem Krieg vernichtet. Die Aktenbestände in den Archiven erwiesen sich als lückenhaft. “Das Ergebnis der Recherchen ähnelt einem Mosaik”, erklärte gestern Böthig. “Viele Steinchen konnten zusammengetragen werden, doch manche Felder blieben leer.”
Dennoch konnten die Namen von über 400 Zwangsarbeiter in Rheinsberg und Umgebung ermittelt werden. In einigen Fällen gelang es sogar, die Lebensschicksale nachzuzeichnen.
Die Männer und Frauen waren in Betrieben wie der Oculus, die Optik für Fernrohre herstellte, einem Sanitätspark, der sich auf dem Gelände der “Carmol” befand, beschäftigt. Auch in der Rheinsberger Steingutfabrik von Ernst Carstens, dem Harpener Bergbau sowie weiteren Betrieben waren Fremdarbeiter im Einsatz.
In den umliegenden Dörfern gab es zahlreiche Bauern, die Zwangsarbeiter beschäftigten. Eine Liste mit den ermittelten Namen und den Einsatzorten ist der 70-seitigen Publikation angefügt. Soweit ermittelbar, werden auch die Namen derjenigen genannt, bei denen die Zwangsarbeiter angestellt waren.
Die Dokumentation berichtet von 14 Anfragen, die in der Zwischenzeit beim Amt Rheinsberg eingegangen sind. In zwei Fällen konnte eine Bestätigung erteilt werden. Zwölf der Anfragen wurden an das Kreisarchiv Neuruppin und andere Stellen weitergeleitet, weil die Forschungen ergeben hatten, dass man wahrscheinlich dort mehr sagen kann.
Von besonderem Interesse dürften die Erinnerungen von Wassilina Mirowetz sein, deren Mann als Zwangsarbeiter beim Schmied Dehnke in der Langen Straße Dienst verrichtete. In ihrem Brief vom 1. August 2000 berichtet die Witwe über ihre eigenen Erfahrungen und die ihres Mannes. Iwan Mirowetz gehört zu dem Fremdarbeitern, die nachweislich in Rheinsberg im Einsatz waren. Ein zweiter Fall handelt von Wladimir Achmann. Der heute in der Ukraine lebende ehemalige Fremdarbeiter war bei Hermann Lück in Repente im Einsatz.
Heikel
Kommentar von MAZ-Redakteur Ekkehard Freytag
Es ist immer noch schwer. Auch gut 50 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes ist jedes Erinnern ein heikler Akt. Es sei hier nur quälende Debatte zum Entschädigungsfond erwähnt. Doch nicht allein im Großen offenbart sich das Problem.
Gestern ist eine gut 70 Seiten starke Broschüre zur Zwangsarbeit in Rheinsberg präsentiert worden. Denn Kriegsgefangene und “Ostarbeiter” sind eben auch in hiesigen Betrieben zum Einsatz gekommen. Eine Vorreiterrolle in Brandenburg wird in der geschichtsträchtigen Stadt nun für ihr geschichtsbewusstes Handeln zuerkannt. Doch mischt sich Bitteres in die Wertschätzung. Denn den Anstoß lieferte nicht die Stadt, er stammte von Schülern. Und als diese schon aus Zeitgründen das Projekt nicht mehr verfolgen konnten, installierte man eine ABM. Diese hat fleißige und aufwändige Arbeit geleistet. Doch mussten die Laien-Forscher überfordert sein. Eine wissenschaftliche Arbeit konnten sie nicht vorlegen. Die Rheinsberger Verhältnisse im Zeitkontext zu bewerten war ihnen nicht möglich. So ist es gut, dass in Rheinsberg die dunklen Seiten der eigenen Geschichte betrachtet werden. Nur beendet ist das Werk damit noch lange nicht.