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Richter verletzen Verfassung durch zu lange Verfahren

Pots­dam. Keine Tabus sollte es geben, als sich die Lan­desregierung am
Mon­ta­gnach­mit­tag in Belzig für zwei Tage zusam­menset­zte, um über
Einsparun­gen für den Haushalt 2004 zu berat­en. Finanzmin­is­terin Dagmar
Ziegler (SPD) soll mit einem Papi­er zu der gestern begonnenen
Sparklausur
gereist sein, das unter anderem den Abbau von 236 Stellen bei den
Gerichten
vor­sieht. Dabei sind zumin­d­est die Ver­wal­tungsrichter offen­bar schon
jetzt
der­art über­lastet, dass sie den durch die Ver­fas­sung garantierten
“Anspruch
auf ein zügiges Ver­fahren” nicht mehr erfüllen kön­nen: Ein Kolumbianer
hatte
vor dem Lan­desver­fas­sungs­gericht gegen die Dauer seines Asylverfahrens
geklagt — und Recht bekom­men. Damit hat das Gericht erst­mals in seiner
Geschichte einen Ver­stoß gegen die Lan­desver­fas­sung festgestellt. 

Angesichts der eingeschränk­ten Frei­heit und unsicheren Lebensplanung
des
Mannes sei “die ver­strich­ene Ver­fahrens­dauer von gut drei Jahren und
fünf
Monat­en zu lang”, heißt es in dem Beschluss. Das Ver­fahren sei während
dieser Zeit vom zuständi­gen Ver­wal­tungs­gericht in Cot­tbus “nicht
nennenswert
gefördert worden”. 

Zwar bezieht sich die Entschei­dung auf den Einzelfall — aber das
Bran­den­burg­er Oberver­wal­tungs­gericht lässt nun alle 5666
Ver­wal­tungs­gerichtsver­fahren prüfen, die bere­its länger als drei Jahre
dauern. Wie viele ver­gle­ich­bare Fälle dabei ans Licht kom­men werden,
wagt
wed­er das Gericht noch das Jus­tizmin­is­teri­um zu schätzen. Klar ist nur,
dass
im ver­gan­genen Jahr 13 291 solche Ver­fahren bei der Brandenburger
Justiz
eingin­gen — rund 900 mehr als im Jahr zuvor. Und dass die
durchschnittliche
Belas­tung mit 300 Ver­fahren pro Ver­wal­tungsrichter um 80 Prozent über
dem
Bun­des­durch­schnitt liegt. Eine Folge: Asylver­fahren dauern im Mittel
zweiein­halb Jahre. 

Die Lan­desregierung habe “zu akzep­tieren”, dass die Personalausstattung
der
Gerichte das Grun­drecht auf ein zügiges Ver­fahren garantieren müsse,
heißt
es in dem Beschluss des Ver­fas­sungs­gerichts weit­er. Juris­ten sehen
darin
eine deut­liche War­nung an die Lan­desregierung, mit ihrer Sparpolitik
nicht
die Jus­tiz zu Ver­fas­sungs­brüchen zu zwin­gen. Die Min­is­te­rien in Potsdam
hüten sich angesichts der laufend­en Spark­lausur vor schnellen
Kommentaren.
Petra Marx, Sprecherin von Min­is­terin Bar­bara Rich­stein (CDU) sagte
lediglich, das Gericht habe “den Fin­ger in eine Wunde gelegt”. Es müsse
gek­lärt wer­den, “woran diese Grun­drechtsver­let­zung liegt”. Sie sei
jedoch
nicht symptomatisch. 

Anders als andere Richter haben die Bran­den­burg­er Verwaltungsrichter
von
Jahr zu Jahr mehr zu tun. Sie prüfen nicht nur Asylver­fahren, sondern
müssen
sich auch mit Kla­gen gegen große Bau­vorhaben befassen.
Min­is­teri­umssprecherin Marx ver­weist auf zusät­zlich geschaffene
Stellen: Im
Jahr 2000 seien zehn neue Ver­wal­tungsrichter eingestellt wor­den, in den
fol­gen­den Jahren seien es ein­mal acht und ein­mal neun gewesen. 

Jus­tizmin­is­terin Rich­stein will sich in der Kabi­nettsklausur für eine
angemessene Ausstat­tung der Jus­tiz ein­set­zen. Dabei hat sie das
Oberver­wal­tungs­gericht auf ihrer Seite: Es han­dele sich bei der
Gerichts­barkeit “um einen staatlichen Auf­trag, der manchen anderen
staatlichen Auf­gaben eben deshalb vorge­ht, weil ein Grun­drecht in Frage
ste­ht”, heißt es dort. 

Zu konkreten Sank­tio­nen im Fall des Kolumbian­ers haben sich die
Ver­fas­sungsrichter nicht geäußert. Aber das zuständi­ge Cottbuser
Ver­wal­tungs­gericht hat die Sache jet­zt nach oben auf die Aktenstapel
gelegt:
In der ersten Juni-Woche solle der Fall ver­han­delt wer­den, sagte ein
Sprecher.

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