(Henri Kramer) Innenstadt – Die Mobilisierung läuft über SMS: Als gestern gegen 12 Uhr Mittag die Gewissheit bei Julia S. und ihren drei Mitangeklagten wächst, dass über sie in zwei Stunden das Urteil vor dem Potsdamer Landgerichts gesprochen wird, informieren sie Freunde aus der linken Szene der Stadt. Deshalb sind mit Beginn der rund einstündigen Urteilsverkündung ab 14.15 Uhr rund zehn Zuschauer im Gericht anwesend. Während des Verfahrens waren Gäste nicht erlaubt, weil die Beschuldigten teilweise unter 21 Jahre alt sind. Die Verurteilung der vier Angeklagten – zwei Bewährungsstrafen, zwei Verwarnungen – nehmen viele der Besucher und vor allem die Anwälte der Beschuldigten kopfschüttelnd zur Kenntnis: Sowohl die linke Szene als auch die Verteidiger hatten auf Freisprüche gehofft. Doch in ihrer Begründung des Urteils ging Richterin Angelika Eibisch nur am Rande auf die möglichen Entlastungszeugen ein, die die Verteidigungsseite in der Öffentlichkeit benannt hatte (PNN berichteten). Zudem wies die Richterin die Versionen der Angeklagten über ihre Erlebnisse der Tatnacht als „Schutzbehauptungen“ zurück.
So stellte sich laut Gericht der Tathergang in der Nacht des 19. Juni vergangenen Jahres wie folgt dar: Das spätere Opfer des Überfalls, der beim Urteil nicht anwesende Benjamin Oe., war mit einer Gruppe von zehn bis 15 Rechtsextremen in der Stadt unterwegs. In einer Tram Richtung Innenstadt sah die Gruppe zwei mutmaßlich linksalternative Jugendliche und griff sie an. Nach der Schlägerei verlor Oe. seine Freunde aus den Augen. Beim Café Heider wartete er dann auf den Bus. In diesem Moment sollen ihn die Angeklagten laut der Richterin erblickt haben und vermummt auf ihn zugerannt sein. Julia S. sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht dabei gewesen, sondern hätte noch kurz mit Bekannten gesprochen. Erst später sei sie dazu gekommen und hätte mitgeschlagen. Die gefährlichen Schläge mit einem Teleskopschlagstock auf den Kopf von Oe. hätte jedoch Patrick B. ausgeführt. Julia S.-Anwalt Steffen Sauer reagierte auf das Urteil mit Unverständnis: „Diese Version, dass noch jemand später dazu kam, hat kein einziger Zeuge ausgesagt.“ Über eine Revision wolle er in den nächsten Tagen entscheiden.