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Klima & Umwelt

Rohdung #2 – Denke ich an Ökos in der Nacht…

Infos zu Rohdung – der Kolumne aus dem Dschun­gel gibt es hier.

Im Mai 2019 läuft die Hochschule für nach­haltige Entwick­lung Eber­swalde (HNE), ein­schließlich der ökol­o­gis­chen Szene drumherum, zur Hochform auf, das N‑Wort wird über fünf Tage lang gefeiert. Mit den Nach­haltigkeit­sta­gen, welche dieses Jahr erst­ma­lig aus­gerichtet wer­den, sollen in mehr als 20 Ver­anstal­tun­gen die Facetten nach­haltiger Entwick­lung sicht­bar gemacht und disku­tiert wer­den. Nichts ungewöhn­lich­es an ein­er Hochschule welche sich der Nach­haltigkeit ver­schrieben hat. Wichtig zu ver­ste­hen ist, dass Nach­haltigkeit nicht im Sinne von Wirtschaftlichkeit gemeint ist. Vielmehr, den Nach­haltigkeits­grund­sätzen der HNE fol­gend, sei die “Funk­tion­stüchtigkeit des glob­alen Ökosys­tems die Vor­raus­set­zung für jeglich­es men­schliche Leben und Wirtschaften”.[1]  Dementsprechend sei vor allem diese Funk­tion­stüchtigkeit zu berück­sichti­gen und zu schützen. Aus diesem Dog­ma fol­gt, dass alles, ins­beson­dere Diskus­sio­nen, an der Hochschule einzig unter dem Cre­do der Nach­haltigkeit stat­tfindet. Zwar manch­mal belächelt, aber nie ern­sthaft kri­tisiert, ist der Begriff, weg von Diskus­sion und Entwick­lung, zum reinen Iden­ti­fika­tion­s­mo­ment verkom­men mit dem sich Stadt, Stud­is und Hochschule schmück­en. Wie im Baukas­ten eso­ter­isch­er Spin­nereien kann sich jede_r nehmen was zusagt und sich in der Igno­ranz der Real­ität vor eben dieser ver­steck­en und dabei wohlfühlen.

Für die HNE und über­wiegende Teile der Ökoszene gilt: Statt zu unter­suchen, wie und ob Nach­haltigkeit im sich drehen­den Karus­sell der Wider­sprüche von Naturschutz, Kli­maschutz, Wirtschaft und Wohl­stand Platz find­et, wird sie als grundle­gend und best­geeignet zur Gestal­tung ein­er ver­meintlich besseren Welt ange­se­hen. Nach Auf­fas­sung der HNE beste­ht die Ökonomie inner­halb sozialer Sys­teme bzw. der Gesellschaft, welche wiederum ihren Platz im glob­alen Ökosys­tem find­et. Zwar wird die wech­sel­seit­ige gegen­seit­ige Bee­in­flus­sung dieser drei Bestandteile zuge­s­tanden, prak­tisch jedoch nahezu ignori­ert. Wer Beispiele ver­langt, muss sich zwis­chen Nach­haltigkeitsvor­lesung und Green­pea­ce­plenum nur an der Men­sa vor­bei bewe­gen: Unter dem Pro­jekt der soge­nan­nten nach­halti­gen Men­sa, wird hier ver­sucht bio in und fleis­chhaltiges aus dem Speise­plan zu bekom­men. Gelieferte Ergeb­nisse sind mehr Bioessen zu deut­lich höherem Preis. Ver­fehlte Ergeb­nisse sind eine bessere Welt, weniger Tier­leid, ein gutes Leben und der Welt­frieden. Bio und veg­an wer­den zum rev­o­lu­tionären Werkzeug verklärt.

Kein Wun­der, wenn die Nach­haltigkeit als wichtig­stes Ziel und lap­i­dare Dinge, wie der prekäre Geld­beu­tel von Student_innen, soziale oder poli­tis­che Auseinan­der­set­zun­gen, höch­stens als Neben­wider­spruch wahrgenom­men wer­den. Warum kam es darauf nicht zu Auf­s­tand, Revolte und Plün­derun­gen der Men­satheke? Die ein­fache und zugle­ich trau­rige Antwort ist, dass die Hochschu­lange­höri­gen es selb­st so woll­ten. Denn in Eber­swalde gehört es zum guten Ton in der Krum­men Gurke (Region­al­laden) und dem Globus (Bio­laden) in masochis­tis­ch­er Manier zu viel Geld für grundle­gende Kon­sumgüter auszugeben, welch­es man sich zuvor durch Verzicht und dem 20. Recy­clen von son­st irgend­was zusam­menges­part hat. Man fährt auch nicht Auto oder fliegt in den Urlaub, zumin­d­est hat man ein ganz schlecht­es Gewis­sen dabei. Sonst hätte man im Wet­t­lauf um den kle­in­sten ökol­o­gis­chen Fußab­druck des Jahres schon im Jan­u­ar ver­loren. Der Selb­s­find­ungstrip nach Goa und das Yoga Retreat in Indi­en scheinen dann aber doch uner­lässliche Aus­nah­men zu sein. Nach­haltiger Kaf­fee, nach­haltige Schuhe, nach­haltiges Essen, nach­haltiges Leben, was nicht nach­haltig zu bekom­men ist, ist verzicht­bar. Wer am meis­ten „Han­dle nachhaltig“-Ratgeberlisten erfüllt und abends als Erste das Licht aus, oder gar nicht erst an macht, gewin­nt. Die Teil­nahme an Fri­days for Future Demon­stra­tio­nen ist, im Gegen­satz zu Ver­nun­ft, Voraus­set­zung.

Das Prob­lem an all diesen für sich irrel­e­van­ten indi­vidu­ellen Entschei­dun­gen ist deren Ide­ol­o­gisierung, welche diese Indi­vid­ua­lentschei­dun­gen ver­meintlich notwendig für eine ange­blich bessere Welt macht und sie damit ins kollek­tiv-poli­tis­che verz­er­rt. Dementsprechend fühlt sich als Kollek­tiv, wer im Sinne der Nach­haltigkeit für eine ver­meintlich bessere Welt „kämpft“. Nicht dazu gehört, wer sich diesem Ziel nicht ver­schreibt. Da aber jede_r etwas tun könne, gibt es keine Entschuldigung nicht Teil des Kollek­tivs zu sein. So gilt es diejenigen zu mis­sion­ieren, welche noch nicht im Sinne der Nach­haltigkeit gebildet sind und in Feind­schaft gegenüber jenen zu leben, die ein­er Zuge­hörigkeit zum Kollek­tiv wider­sprechen. Diese Feind­schaft äußert sich nicht in argu­men­ta­tiv­er Auseinan­der­set­zung, son­dern in einem sub­tilen Moral­ter­ror, dessen Aus­sage ein ums andere Mal „xyz ist aber nicht nachhaltig“ und dessen Funk­tion eine zer­mür­bende ist. Gemein­schaft bedeutet eben immer Auss­chluss derer, die nicht dazu gehören, die nach­haltige Volks­ge­mein­schaft ist geboren. Zwis­chen den Zuge­höri­gen ist jede Dif­ferenz aufge­hoben, das einzig wichtige ist das Engage­ment unter dem Dog­ma der Nach­haltigkeit. Kri­tis­che Diskus­sion weicht hier der Har­moniesucht. Zugle­ich find­et sich ein Eli­taris­mus in der Art und Weise sich möglichst voll­ständig der Nach­haltigkeit zu ver­schreiben. Die selb­ster­nan­nten change agents der HNE sollen die Nach­haltigkeit nach dem Studi­um in die Gesellschaft tra­gen und dort verankern.[2] Diese Zuge­hörigkeit dient zur Selb­stvergewis­serung, dass man auf der „richti­gen“ Seite von weiß und schwarz, hell und dunkel, gut und böse, Green­peaceEn­er­gy und RWE, ste­ht. Wichtiger als Auseinan­der­set­zung ist, sich wohl mit und bedeu­tend für die Entwick­lung unter dem Dog­ma der Nach­haltigkeit zu fühlen. Ker­stin Kräusche, Ref­er­entin für Nach­haltigkeit an der HNE, bringt das Mantra der Volks­ge­mein­schaft mit Biosiegel auf den Punkt:
Wenn viele Akteurin­nen und Akteure zusam­me­nar­beit­en und Ver­ant­wor­tung übernehmen, […], dann kann das klap­pen mit der Nachhaltigkeit“

Da wun­dert es auch nicht, dass eso­ter­ische Spin­nerei an der Hochschule Platz hat. Die HNE zeigt, wie prak­tisch Eso­terik im Bil­dungs­be­trieb sein kann, wenn das einzig wichtige Ziel die Nach­haltigkeit ist. Im Stu­di­en­gang Ökoland­bau und Ver­mark­tung wird in der Vor­lesung zu Tier­medi­zin Homöopathie propagiert. Die Hochschul­gruppe Gemein­sam Land­wirtschaften Eber­swalde bezieht ihre Gemüsek­isten von Höfen, die sich selb­st den Lehren des Anti­semiten und Ras­sis­ten Rudolf Stein­er zuord­nen. Und bei den Nach­haltigkeit­sta­gen der Hochschule gibt es einen Work­shop „Stille, Acht­samkeit und inner­er Wan­del im Kon­text der Trans­for­ma­tion“ in dem „Mith­il­fe von Kör­p­er- und Med­i­ta­tion­sübun­gen“ „gemein­sam Stille erfahren und neue Räume von Bewusst­sein“ erkun­det wer­den und „durch Meth­o­d­en der verkör­perten Ökolo­gie [sic!]“ gezeigt wer­den soll, „dass Verän­derung mit unser­er Hal­tung begin­nt“. Tiefenökolo­gie, die Men­schen zu rein emo­tionalen Natur­we­sen verkom­men lässt, find­et sich ganz selb­stver­ständlich in Diplo­mar­beit­en und in der Lehre, beispiel­sweise in einem Mod­ul zu Umwelt­bil­dung, wieder. Auch der recht­seso­ter­ischen Szene um die in den Anas­ta­sia-Büch­ern propagierten Fam­i­lien­land­sitze wird eine Bach­e­lo­rar­beit gewid­met: “Fam­i­lien­land­sitzsied­lun­gen als Nach­haltigkeit­skonzept”.

Gle­ich­es gilt für eine regres­sive, verkürzte und per­son­ifizierte, fol­glich also anti­semi­tis­che, Kap­i­tal­is­muskri­tik. Das Prob­lem sei nicht ein kap­i­tal­is­tis­ches Sys­tem im ganzen, gegen das deshalb auch nur ums Ganze gekämpft wer­den kann. Vielmehr seien Wach­s­tum, Kon­sum und Prof­itwille als Übeltäter auszu­machen und die Lösun­gen in bewusstem” Han­deln, in Form von Kon­sum bzw. Verzicht, Gemein­wohlökonomie und degrowth zu find­en. Das Sys­tem wird auf die Hand­lun­gen Einzel­ner, das kon­sum­ierende und das pro­duzierende Sub­jekt, reduziert und diese verant­wortlich gemacht. Damit ist die Grund­lage für die fol­gende Hex­en­jagd auf nicht-Zuge­hörige zur selb­ster­nan­nt nach­halti­gen und verzich­t­en­den Gemein­schaft geschaf­fen.

Es bleibt nur die Demon­tage und Denun­zi­a­tion der Nach­haltigkeit als die ide­ol­o­gis­che Idi­otie, die sie ist, und das Schnüren der Schuhe um der Hex­en­jagd zu entkommen.


[1] https://hnee.de/_obj/8BC45754-A5A8-47A9-A6BE-24BE804CFCAC/outline/Nachhaltigkeitsgrundsaetze-2016final.pdf
[2] ebenda

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