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Rückblick auf die Landtagswahlen

Platzeck sicherte SPD-Sieg. Analyse der Forschungs­gruppe Wahlen /
Wahlex­treme in einzel­nen Regionen

(MAZ) Die Pop­u­lar­ität von Min­is­ter­präsi­dent Matthias Platzeck hat der SPD nach
ein­er Analyse der Forschungs­gruppe Wahlen die Vor­ma­cht­stel­lung im Land
gesichert. Platzeck gelte als der mit Abstand glaubwürdigste,
tatkräftig­ste, kom­pe­ten­teste und sym­pa­this­chste der drei
Spitzenkan­di­dat­en von SPD, CDU und PDS, hieß es gestern. 

Auf der +5/-5-Skala (sehr zufrieden bis sehr unzufrieden) erreichte
Platzeck die Note 2,1. PDS-Spitzen­frau Dag­mar Enkel­mann kam nur auf den
Wert 0,7; Jörg Schön­bohm (CDU) sog­ar nur auf 0,2. Auch bei der Frage
nach dem gewün­scht­en Regierungschef war Platzeck klar über­legen: 56
Prozent woll­ten ihn, nur 15 Prozent Schön­bohm und elf Prozent Enkelmann. 

Von der Koali­tion kon­nten wed­er SPD noch CDU prof­i­tieren, da die
Regierungsar­beit neg­a­tiv bew­ertet wird (minus 0,2). Die ohne­hin schwache
Akzep­tanz der SPD-CDU-Regierung nahm weit­er ab: Nach 47 Prozent (1999)
fän­den jet­zt nur noch 35 Prozent eine Große Koali­tion gut, 42 Prozent
hal­ten sie für eine schlechte Vari­ante. Rot-Rot ist keine Alternative:
Nur 36 Prozent aller Befragten fän­den eine Koali­tion aus SPD und PDS
gut, 46 Prozent schlecht. Die SPD-Anhänger tendieren klar zur Großen
Koalition. 

Die Strate­gie der PDS, mas­siv gegen die Arbeits­mark­tre­form Hartz IV zu
agi­tieren, hat­te großen Erfolg: 39 Prozent hal­ten die PDS für eine
“soziale” Partei (SPD: 32, CDU: neun Prozent). Die DVU schnitt bei
jün­geren Wäh­lern beson­ders gut ab, bei den 18- bis 29-Jähri­gen erreicht
sie 14 Prozent (plus drei). Die SPD ver­lor beson­ders stark in den
mit­tleren Alters­grup­pen (30- bis 45-Jährige: minus elf; 45- bis
59-Jährige: minus zehn), während die CDU ihre größten Ein­bußen bei den
unter 30-jähri­gen Wäh­lern (minus zwölf) hatte. 

Bei der Land­tagswahl haben die Parteien in den einzel­nen Wahlkreisen
sehr unter­schiedlich abgeschnit­ten. So kam die SPD im Wahlkreis 1
(Prig­nitz) auf 39,7 Prozent, im Wahlkreis 38 (Ober­spree­wald-Lausitz)
hinge­gen nur auf 25,1 Prozent. Ihr höch­stes Ergeb­nis in ein­er Gemeinde
fuhr die SPD mit 46,1 Prozent in Wit­ten­berge ein. In Grünewald
(Ober­spree­wald-Lausitz) wählten nur 15,5 Prozent die SPD

Die PDS siegte am deut­lich­sten im Wahlkreis 22 (Pots­dam). Die
Linkssozial­is­ten erhiel­ten dort 37,6 Prozent. Am schlecht­esten schnitten
sie im Wahlkreis 6 (Havel­land) mit 17,9 Prozent ab. In Heckelberg-Brunow
(Märkisch-Oder­land) gaben 45,5 Prozent der Wäh­ler ihre Stimme der PDS,
in Lenz­er­wis­che (Prig­nitz) waren es nur 9,9 Prozent. 

Genau ent­ge­genge­set­zt fie­len die Zahlen für die CDU aus: Sie kamen in
Lenz­er­wis­che auf ihr bestes Ergeb­nis von 39,2 Prozent, in Heckelberg
hinge­gen auf ihren Neg­a­tivreko­rd von 10,1 Prozent. Im Havel­land konnten
sie mit 27 Prozent die meis­ten Stim­men auf sich vere­inen, in Platzecks
Wahlkreis Pots­dam wählten dage­gen nur 11,5 Prozent die CDU


Ein Dorf wählt braun und kein­er weiß warum. In Grünewald im
Ober­spree­wald-Lausitz-Kreis gab jed­er vierte Wäh­ler seine Stimme der DVU

(LR) Ger­hard Göbel, parteilos­er Bürg­er­meis­ter von Grünewald im
Ober­spree­wald-Lausitz-Kreis, kön­nte stolz sein auf seinen Ort. Mit 65
Prozent liegt die Gemeinde in der Wahlbeteili­gung fast zehn Prozent über
dem Landesdurchschnitt. 

Doch die Freude verge­ht Göbel beim Blick auf das Wahlergeb­nis. 80
Dorf­be­wohn­er stimmten für die recht­sex­treme Deutsche Volk­sunion (DVU),
das sind 23,5 Prozent. Mit ein­er Stimme mehr wurde die CDU ger­ade noch
stärk­ste Partei im Ort. Nur in Hirschfeld, im Elbe-Elster-Kreis, schnitt
die DVU mit 25,8 Prozent der Stim­men noch bess­er ab. 

“Ich kann mir das eigentlich nicht erk­lären” , sagt der Bürgermeister
über den DVU-Erfolg. Den 660 Ein­wohn­ern in Grünewald selb­st und im
Ort­steil Sel­la gin­ge es nicht schlechter als den Men­schen in vielen
anderen Orten der Region. Es gibt eine Kita im Ort, eine Gaststätte,
aber keinen Laden, keine Post. 

Die Arbeit­slosigkeit ist hoch, wie über­all im
Ober­spree­wald-Lausitz-Kreis. Für die Dor­fer­neuerung fließen Fördermittel
in den Ort. Ger­ade wird ein weit­er­er Abschnitt der Dorf­s­traße erneuert.
Im Gemein­der­at sitzen nur Parteilose. Auf einem Pri­vat­grund­stück in
Grünewald tre­f­fen sich jeden Som­mer Recht­sradikale aus ganz Deutschland,
offiziell zu ein­er “Geburt­stags­feier” .

Die DVU war die erste Partei, die im Land­tagswahlkampf in Grünewald ihre
Plakate an jede Lat­er­ne hängte. Für andere Parteien war da kaum noch
Platz. Dieter H. hat Wahlkampf­ma­te­r­i­al der Recht­sradikalen im Ort
verteilt. Parteim­it­glied sei er nicht, nur Sym­pa­thisant, ver­sichert der
seit Jahren arbeit­slose Mittvierziger. Was die DVU für ihre Wähler
leis­ten will, kann er eben­so wenig benen­nen, wie das, was sie in der
ver­gan­genen Leg­is­laturpe­ri­ode im Bran­den­burg­er Land­tag getan hat. Doch
vor klaren Erwartun­gen, an denen sie gemessen wird, muss sich die DVU
nicht fürcht­en. “Die sollen mitre­den, damit nicht noch mehr Ausländer
hier reinkom­men” , sagt ein Arbeit­slos­er, der die Recht­sex­tremen gewählt
hat. Bei vie­len DVU-Wäh­lern scheinen neben dem Frust über die
wirtschaftlich schwierige Sit­u­a­tion auch Mis­strauen und Ablehnung gegen
Aus­län­der eine große Rolle gespielt zu haben. 

Viele Grünewalder schimpfen ganz unge­niert über die “Weißrussen” im
Nach­barort. Gemeint sind Spä­taussiedler aus Rus­s­land über deren
ver­meintlich­es Luxu­sleben wilde Gerüchte im Umlauf sind. Dass jedem
Spä­taussiedler ange­blich die Fahrerlaub­nis finanziert wird, ist nur eine
dieser Geschichten. 


Spree-Neiße: Schwarz­er Süden mit einem Hang zum recht­en Extrem?

(LR) Im Wahlkreis 42 hat­te die DVU ihr drit­tbestes Prozent-Ergebnis
Mit sechs Prozent aller Zweit­stim­men ist die recht­sex­treme DVU am
Wahlson­ntag für eine weit­ere Leg­is­laturpe­ri­ode in den Brandenburger
Land­tag einge­zo­gen. Sechs Sitze statt bish­er fünf hat sie dort nun inne. 

Wenn es nach den DVU-Wäh­lern im Wahlkreis 42 (Spree-Neiße II) gegangen
wäre, hätte die Volk­sunion sog­ar noch mehr Plätze bekom­men. Mit 9,5
Prozent aller Zweit­stim­men (ins­ge­samt 2323) lag das Ergeb­nis hier weit
über dem Lan­des­durch­schnitt. Nur die Wahlkreise 37 (Elbe-Elster II) und
38 (Ober­spree­wald-Lausitz I) lagen mit 11,3 Prozent (3225 Stim­men) und
12,2 Prozent (1800 Stim­men) noch darüber. 

Weniger Prozente im Norden 

Deut­lich zu verze­ich­nen ist auch, dass die Akzep­tanz für die DVU, die
oft nicht mal per­sön­lich, son­dern nur mit flächendeckender
Schlag­wort-Plakatierung in Erschei­n­ung trat, größer wird, je weiter
südlich sie operiert. Das soziale und Arbeits­mark­t­ge­fälle vom
Speck­gür­tel zum Bran­den­burg­er Rand hin, reicht aber allein kaum als
Erk­lärung aus, denn in den nördlichen Wahlkreisen der Prig­nitz und
Uck­er­mark gab es in der Regel zwis­chen vier und fünf Prozent für die
DVU, max­i­mal um die sieben. Möglicher­weise wäre auch die Nähe zum
benach­barten Sach­sen eine Erk­lärung, wo die NPD mit ins­ge­samt 9,2
Prozent die Stim­men am recht­en Rand sam­melte. Bei­de – NPD und DVU –
trat­en mit ähn­lichen Parolen und Plakat­en auf – sozusagen ein
län­derüber­greifend­es “Schnau­ze voll!” . Allerd­ings hat­ten sie sich
abges­timmt, sich im jew­eils anderen Bun­des­land keine Konkur­renz zu machen. 

Eine Ursachen-Forschung für den Stim­mengewinn der DVU ste­he erst am
Anfang und sei für alle demokratis­chen Parteien uner­lässlich, meinte der
bish­erige SPD-Land­tagsab­ge­ord­nete Ulrich Freese am Wah
labend. Die DVU
sei allein mit “Bauchthe­men” auf Stim­men­fang gegan­gen, und es habe ihn
schon sehr ver­wun­dert, dass bei der Wahlver­anstal­tung mit Matthias
Platzeck auf dem Sprem­berg­er Markt PDS-Anhänger und DVU-Sympathisanten
in ein­er Rei­he ges­tanden hät­ten. Der PDS wirft er Mitver­ant­wor­tung an
dem hohen Stim­mengewinn der DVU vor: “Nach mein­er tief­sten Überzeugung
hat die pop­ulis­tis­che Kam­pagne mit der Plakatierung ‚Hartz ist Armut per
Gesetz” dafür gesorgt, dass andere mit noch pop­ulis­tis­cheren Parolen bei
den ohne­hin besorgten Men­schen ankom­men konnten.” 

Wo steck­en die Erststimmen? 

Freese glaubt sich­er, dass ein ganz­er Teil der­er, die im Spremberger
Raum mit ihrer Zweit­stimme die DVU gewählt haben, ihre Erst­stimme der
PDS-Kan­di­datin Bir­git Wöllert gegeben haben. Die ver­mutet aber etwas
ganz anderes. “Ich glaube eher, dass das Leute waren, die sich gut mit
den sehr recht­skon­ser­v­a­tiv­en Ansicht­en von Andreas Kot­twitz anfreunden
konnten.” 

CDU-Kan­di­dat Kot­twitz wiederum, der im Wahlkampf unter anderem den
früheren Sprem­berg­er Bürg­er­meis­ter Egon Wochatz (erst jüngst wegen der
Teil­nahme an einem Tre­f­fen von SS-Vet­er­a­nen in die öffentliche Kritik
ger­at­en) für sich hat­te wer­ben lassen, geht auf solche Spekulationen
nicht ein. “Ich hätte es natür­lich lieber gese­hen, wenn diese Wähler
sich mit ihrer Zweit­stimme der CDU zugewen­det hät­ten anstatt der DVU” ,
sagt er. 


Schwarzbach (OSL): “Per­vers” – Warum wählt die heile Welt braun, Frau
Theiss?

(LR) 16,8 Prozent für die DVU: Schwarzbach­er Bürg­er­meis­terin schockiert
Schicke Idylle, ver­schworene Gemein­schaft, junge Fam­i­lien, viel
Nach­wuchs: Schwarzbach ist das Vorzeige-Dorf Num­mer 1 im Süd­kreis. Aber
plöt­zlich mis­cht sich braun in die schwarze 610-See­len-Gemeinde der
roten Bürg­er­meis­terin Gabi Theiss (SPD). Die zeigte sich angesichts von
16,8 Prozent für die DVU in ihrem Ort bei der Land­tagswahl schockiert. 

Zwar ist Schwarzbach damit nicht das Braun­bach der Region – in Grünewald
stimmten sog­ar 23,5 Prozent für die Recht­en. Gabi Theiss beruhigt das
aber wenig: “Was da abging, war ja noch per­vers­er als bei uns. Und das
war schon so furcht­bar.” Die rührige Bürg­er­meis­terin, eigentlich die
heile Welt gewöh­nt, scheint sich für die 66 DVU-Wäh­ler unter ihren
Pap­pen­heimern fast entschuldigen zu wollen: “Ja, ich schäme mich richtig
dafür. Wer wählt bei uns DVU? Haben wir uns zu wenig um unsere
Mit­men­schen gekümmert?” 

Den­noch habe es in der Gemeinde, die in ein­er Riesen-Gemeinschaftsaktion
schon das 550-jährige Jubiläum für 2005 vor­bere­it­et, keinen Rechtsruck
gegeben. Da ist Gabi Theiss sich­er. Vielmehr hät­ten sich einige wohl
ihren Poli­tik-Frust von der Seele gewählt. “Protest” , mut­maßt sie,
“ohne zu über­legen, was man Bran­den­burg damit antut.” Ähn­lich vermutet
es Ruh­lands Amts­di­rek­tor Roland Adler, der mit Grünewald, Schwarzbach
und Hohen­boc­ka (16,7 Prozent) wahre DVU-Hochbur­gen in seinem Amt
regiert. “Ich bin aber entsch­ieden dage­gen, diese Orte als braune Dörfer
abzus­trafen. Viele wer­den aus Unzufrieden­heit mit der Poli­tik so gewählt
haben.” 

Und was bleibt vom braunen Desaster? Während Adler in der
Bürg­er­meis­ter­runde Kon­se­quen­zen disku­tieren will, set­zt Gabi Theiss in
Schwarzbach auf das, was sie am besten kann: reden. “Am besten gleich
über den Garten­za­un. Wir müssen aufk­lären, damit so was nicht noch mal
passiert.” 


DVU-Hochbur­gen: Der rechte Rand der Mark

(Berlin­er Zeitung) LAUCHHAMMER. Läge der Wahlkreis Ober­spree­wald-Lausitz I nicht in
Süd-Bran­den­burg, son­dern etwa ein Stück weit­er in Nord-Sach­sen, würde er
nicht beson­ders auf­fall­en. Er läge über dem Durch­schnitt — doch der
Anteil der Bürg­er, die rech­s­tex­trem gewählt haben, war in Sachsen
ander­swo höher. In Bran­den­burgs Wahlkreis 38 macht­en 12,22 Prozent ihr
Kreuz bei der DVU und ver­halfen der Partei zu ihrem lan­desweit besten
Ergebnis. 

Vor Ort ist das kein neues Phänomen. “Das zieht sich schon über längere
Zeit hin”, sagt die parteilose Bürg­er­meis­terin von Lauchhammer,
Elis­a­beth Mühlp­forte. In der größten Stadt des Wahlkreis­es holte die DVU
12,76 Prozent. Zwei DVU-Mit­glieder aus der Stadt sitzen seit 2003 im
Kreistag. Aufge­fall­en sind sie nicht. “Sie haben keine einzige Vorlage
einge­bracht”, sagt Kreistagschef Wolf-Peter Han­nig (PDS).

Eine Erk­lärung für den Erfolg der Recht­en hat nie­mand. Die DVU habe
jeden Lat­er­nenpfahl mit Plakat­en behängt, sagen alle. Die
stel­lvertre­tende Wahllei­t­erin Susanne Priemer ver­weist auf die
Per­spek­tivlosigkeit der Region: “Wir sind hier im Randge­bi­et, nicht im
Speck­gür­tel.” Die Arbeit­slosigkeit im Land­kreis liegt bei 27 Prozent. 

Im Dorf Grünewald wurde die DVU mit 23,5 Prozent sog­ar zweitstärkste
Partei — mit nur ein­er Zweit­stimme weniger als die CDU. Doch die Leute
hier seien von Arbeit­slosigkeit “eher nicht so stark betrof­fen”, die
liege um die 18 Prozent, sagt Amts­di­rek­tor Roland Adler (partei­los).
Allerd­ings liegt das Amt direkt an der Gren­ze zu Sach­sen — und Grünewald
ist an drei Seit­en von Sach­sen umgeben. 

Die DVU selb­st sieht ihren Erfolg darin begrün­det, dass die Partei in
der Region sehr aktiv ist. “Dort ist die DVU nicht nur eine Kombination
aus drei Buch­staben, son­dern mit konkreten Per­so­n­en ver­bun­den”, sagt der
Sprech­er der Land­tags­frak­tion, Thi­lo Kabus. In ganz Bran­den­burg hatte
die Partei etwa 97 000 Plakate aufge­hängt, nach eige­nen Angaben wurde
ein Drit­tel zer­stört. “Dort, wo wir viele Aktivis­ten haben, wur­den sie
schnell wieder erset­zt”, sagt er. Wie etwa im Elbe-Elster-Kreis, wo die
Partei auch im Kreistag sitzt und dies­mal ihr zweitbestes Ergebnis
erzielte. Hier sei die DVU auch bei der let­zten Kom­mu­nal­wahl stark gewesen. 

Darüber, wie stark die rechte Jugend­kul­tur im Wahlkreis 38 ist, sind die
Befragten uneins. Kreistagsleit­er Han­nig erk­lärt sich das so: “Die
rechte Szene schwappt von Sach­sen herüber.” Das Erstarken der
Recht­sex­tremen wird allzu rasch auf den Ein­fluss der Neon­azis in Sachsen
zurück­ge­führt. Als gegen die recht­sex­trem­istis­che Organisation
“Skin­heads Säch­sis­che Schweiz” (SSS) in Sach­sen ermit­telt wurde, sollen
sich SSS-Anhänger nach Bran­den­burg abge­set­zt und dort Nazi-Rockkonzerte
organ­isiert haben. 


Frust-Wahl: 25,8 Prozent für die DVU in Hirschfeld

(BM) Hirschfeld — Nur einen Stein­wurf von der säch­sis­chen Landesgrenze
ent­fer­nt, in Hirschfeld (Elbe-Elster) im äußer­sten Süden Brandenburgs,
gibt es einen Dön­er-Stand. Das ist bemerkenswert für ein Dorf mit knapp
1000 Wahlberechtigten, in dem bei der Land­tagswahl jed­er Vierte, der zur
Urne ging, die recht­spop­ulis­tis­che Deutsche Volk­sunion (DVU) gewählt hat. 

25,8 Prozent für die DVU: Das ist das höch­ste Wahlergeb­nis für die
Partei in Bran­den­burg und entspricht in etwa der Arbeit­slosen­quote von
rund 27 Prozent im Ort. Auf die Idee, das 600 Jahre alte Dorf deshalb
eine Hochburg der Recht­sex­tremen zu nen­nen, käme einen Tag nach dem
Urnen­gang in dem ver­schlafen wirk­enden Ort aber nie­mand. Selb­st der
türkische Imbiss­be­treiber Mehmet Ogoz nicht: “Klar, manch­mal gibt es
Sprüche, aber die Recht­sex­tremen lassen sich hier kaum blicken.” 

Von der DVU hat sich auch kein­er der Kan­di­dat­en während des Wahlkampfes
in Hirschfeld sehen lassen. Woher dann aber der Erfolg? “Das ist eine
reine Protest­wahl gewe­sen”, sagt Bürg­er­meis­ter Bernd Trobisch
(partei­los). Wohl ist dem 57-Jähri­gen Kom­mu­nalpoli­tik­er beim Blick auf
das Wahlergeb­nis aber keineswegs: “Das hätte ich uns gern erspart.” 

Die Bürg­er von Hirschfeld wählten allerd­ings schon immer mehrheitlich
kon­ser­v­a­tiv. Die CDU erre­ichte 1999 ins­ge­samt 65 Prozent der Stimmen.
Viele dieser Wäh­ler seien nun zur DVU gewechselt. 

“Eine Ohrfeige für die da oben”, nen­nt es Rent­ner­in Moni­ka Reyentanz.
Die Men­schen fühlten sich im Stich gelassen. Manch ein­er ist gar nicht
erst zur Wahl gegan­gen. So wie Ron­ny Schnei­der, ein 20 Jahre alter
Land­wirt. “Ändert sich doch sowieso nüscht”, meint er. Junge Leute gebe
es hier man­gels Arbeit kaum noch. Er habe noch welche, und deshalb sei
er noch hier. 

Für die älteren Hirschfelder sieht es auch nicht rosig aus: Einige
schälen Kartof­feln in der benach­barten Fab­rik. Für vier Euro die Stunde.
Bürg­er­meis­ter Tro­bisch winkt ab: “Ist doch klar, dass hier nie­mand mehr
an Besserung glaubt.” 


Män­ner, jung, Hauptschule. Die Recht­sex­tremen set­zten erfol­gre­ich auf
die Proteststimmung

(FR) Die recht­sex­tremen Parteien DVU und NPD waren vor allem bei jüngeren,
for­mal weniger gebilde­ten Män­nern erfol­gre­ich. Das hat die
Forschungs­gruppe Wahlen festgestellt. 

Auch wenn sich Organ­i­sa­tion­sstruk­tur und Auftreten von NPD und DVU stark
unter­schei­den, gibt es nach der Analyse bei der Wäh­ler­schaft doch
auf­fäl­lige Par­al­le­len. Sowohl bei den DVU- als auch den NPD-Anhängern
fühlten sich weit über­durch­schnit­tlich viele benachteiligt, in
Bran­den­burg sähen 88 Prozent der DVU-Anhänger und in Sach­sen 96 Prozent
der NPD-Anhänger in den in Deutsch­land leben­den Aus­län­dern eine
“Über­frem­dungs­ge­fahr”, so die Forsch­er. Trotz des im Osten relativ
niedri­gen Aus­län­der­an­teils meine in bei­den Län­dern eine überwältigende
Mehrheit, dass es in Deutsch­land zu viele Aus­län­der gebe. Der Wahlkampf
der Recht­sex­tremen habe jedoch haupt­säch­lich auf die Proteststimmung
gegen die Sozial­re­for­men abgezielt. Diese Rech­nung sei aufgegangen. 

Am erfol­gre­ich­sten seien die Recht­sex­tremen bei jün­geren, for­mal niedrig
gebilde­ten Män­nern. In Sach­sen erre­iche die NPD bei den 18- bis
29-jähri­gen Män­nern 21 Prozent, bei allen unter 35-Jähri­gen mit
Hauptschu­la­b­schluss sog­ar 26 Prozent aller Stim­men. Aber auch bei den
unter 30-Jähri­gen ins­ge­samt schnei­de die NPD mit 18 Prozent und DVU mit
14 Prozent beson­ders gut ab. 

Die Zahlen basieren auf Tele­fon­um­fra­gen unter je rund 1000
Wahlberechtigten in Sach­sen und Bran­den­burg in der Woche vor der Wahl
sowie Umfra­gen unter 5451 Wäh­lern in Sach­sen und 5643 Wäh­lern in
Bran­den­burg am Wahltag. 


Zus­pruch für NPD und DVU irri­tiert Wirtschaft

(FR) Wirtschaftsver­bände, Unternehmen und Insti­tute haben unter­schiedlich auf
die Wahler­folge von NPD und DVU in Sach­sen und Bran­den­burg reagiert.
Zwar wird ein Imageschaden bei aus­ländis­chen Inve­storen nicht
aus­geschlossen, ein Stopp von Investi­tio­nen gilt aber als unwahrscheinlich. 

Der Präsi­dent des Deutschen Indus­trie- und Han­del­skam­mertages, Ludwig
Georg Braun, rief die demokratis­chen Parteien zu einem gemeinsamen
Han­deln gegen das Erstarken der recht­sex­tremen Parteien aufgerufen.
Angesichts des Einzuges von NPD und DVU in die Land­tage in Sach­sen und
Bran­den­burg sei eine Koali­tion der Ver­nun­ft uner­lässlich, sagte Braun
der Chem­nitzer Freien Presse. Anderen­falls dro­he eine Verun­sicherung der
Wirtschaft und damit eine Zurück­hal­tung der Inve­storen aus dem In- und
Aus­land in den bei­den Bundesländern. 

Der jüng­ste Erfolg der recht­sex­tremen Parteien ist nach Ein­schätzung des
Bun­desver­bands des Groß- und Außen­han­dels (BGA) sehr kon­trapro­duk­tiv für
die Wirtschaft in Sach­sen und Bran­den­burg. “Jed­er Anschein von
Recht­sradikalis­mus schadet dem Anse­hen des Lan­des und schreckt damit
Inve­storen ab”, sagte BGA-Präsi­dent Anton Börn­er am Mon­tag. Die
Bun­desre­pub­lik habe bis­lang im Aus­land “als Garant für Sta­bil­ität und
Ver­lässlichkeit” ges­tanden. Der US-Dien­stleis­ter World Trade Center
(WTC) befürchtet in Sach­sen wach­sendes Mis­strauen bei potenziellen
aus­ländis­chen Geschäftspartnern. 

“Kein Stopp der Investitionen” 

Das Münch­n­er ifo Insti­tut rech­net aber derzeit nicht mit negativen
wirtschaftlichen Fol­gen für die neuen Län­der. “Hil­fre­ich ist es
natür­lich nicht”, sagte ifo-Chefvolk­swirt Ger­not Nerb. Er könne sich
aber nicht vorstellen, dass zum Beispiel aus­ländis­che Unternehmen
deswe­gen ihre Investi­tio­nen ver­schieben oder sog­ar absagen könnten.
Grund­sät­zlich sei das poli­tis­che Umfeld schon ein Stan­dort­fak­tor, sagte
Nerb. Allerd­ings wür­den in allen Demokra­tien immer wieder radikale
Parteien nach oben gespült. Ein Beispiel sei Frankre­ich, wo es einen
recht­sradikalen Boden­satz gebe. 

Gew­erkschaft der Polizei ruft nach mehr Beamten

(FR) Die Gew­erkschaft der Polizei (GdP) hat als Kon­se­quenz aus den
Stim­mengewin­nen recht­sex­tremer Parteien bei den Land­tagswahlen von
Sach­sen und Bran­den­burg eine Auf­s­tock­ung des Per­son­als zur Bekämpfung
des Recht­sex­trem­is­mus gefordert. “Die Beobach­tung im Bereich
Recht­sex­trem­is­mus muss ver­stärkt wer­den”, sagte GdP-Chef Kon­rad Freiberg
der Nachricht­e­na­gen­tur Reuters am Mon­tag. Die entsprechenden
polizeilichen Kapaz­itäten seien in den let­zten Jahren in den Ländern
teils drastisch reduziert und auf den Bere­ich islamistis­ch­er Terrorismus
konzen­tri­ert wor­den. “Die Gefahr des Recht­sex­trem­is­mus ist aber nicht
zurückgegangen.” 

“Wenn man die Polizis­ten nicht aus dem Bere­ich Ter­ror­is­mus abziehen oder
von der Straße weg­holen will, muss man neue Leute ein­stellen”, sagte
Freiberg. Vor allem durch den Wahler­folg der NPD in Sach­sen komme
bun­desweit mehr Arbeit auf die Polizei zu. Die Beobach­tung des
Recht­sex­trem­is­mus müsse ver­stärkt wer­den, und es sei mit ein­er Zunahme
von Aufmärschen und Ver­samm­lun­gen der NPD zu rech­nen. Hinzu komme, dass
mit den Abge­ord­neten der NPD nun auch Führungskräfte Immu­nität genössen.
Freiberg sprach sich für einen neuen Anlauf für ein NPD-Ver­bot aus. 

Bischof hält Wahlaus­gang für “großes Unglück”

(FR) Nach den erhe­blichen Stim­mengewin­nen für NPD und DVU bei den
Land­tagswahlen am Son­ntag hat der Ratsvor­sitzende der Evangelischen
Kirche in Deutsch­land (EKD), Wolf­gang Huber, eine “aktive und
unzwei­deutige” Auseinan­der­set­zung mit dem Recht­sex­trem­is­mus gefordert.
Mit Blick auf den Wiedere­inzug der DVU in den Pots­damer Land­tag warf
Huber den anderen dort vertrete­nen Parteien Nach­läs­sigkeit in den
ver­gan­genen Jahren vor. Die Auseinan­der­set­zung müsse “im Par­la­ment, vor
Ort und auch in den Medi­en stat­tfind­en”, sagte der Bischof. Den
Wiedere­inzug der DVU bew­ertete Huber als “großes Unglück”. 

Der Vor­sitzende der katholis­chen Deutschen Bischof­skon­ferenz, Kardinal
Karl Lehmann, zeigte sich besorgt über die Erfolge am recht­en und linken
Rand. Es sei bestürzend, wenn etwa in Sach­sen rund 20 Prozent der unter
20-Jähri­gen die NPD gewählt hät­ten. Dabei habe sich­er die Problematik
der Arbeits­mark­tre­form eine Rolle gespielt. 

Auch der Präsi­dent des Zen­tral­rates der Juden, Paul Spiegel, zeigte sich
besorgt über den Wahler­folg der NPD. Mit Blick auf das gescheiterte
Parteiver­botsver­fahren erk­lärte er, dass die Entschei­dung hierüber nicht
ver­lässlich den Wäh­lern über­lassen wer­den könne, sagte Spiegel dem
Tagesspiegel.

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