ND: Zur OB-Wahl gibt es ein Bündnis Linkspartei, CDU, FDP, Aktive
Unabhängige Bürger und Frauenliste. Die Kooperation mit der CDU ist
ungewöhnlich. Warum entschied sich Ihre Partei dafür?
Siewert: In Cottbus lag die Wahlbeteiligung bei Urnengängen in der
Vergangenheit immer bedenklich niedrig. Für die Politikverdrossenheit
der Bürger war offenbar das Parteiengezänk verantwortlich. An der
Abstimmung am 2. Juli, bei der die parteilose Oberbürgermeisterin Karin
Rätzel abgewählt wurde, lag die Beteiligung bei 35 Prozent — was für
Cottbus viel ist. Wir werteten dies als eine positive Reaktion auf das
parteiübergreifende Bündnis zur Abwahl von Karin Rätzel. An diesen
Erfolg gilt es anzuknüpfen.
Die Probleme in Cottbus sind groß. Im ersten Halbjahr 2006 kehrten zum
Beispiel 1000 Einwohner ihrer Heimat den Rücken. Cottbus stirbt, wenn
wir da nicht gegensteuern. Es ist unbedingt notwendig, Sachpolitik an
die Stelle von Parteiengezänk zu setzen — im Interesse der Stadt und
ihrer Bürger. Diese Möglichkeit eröffnet sich mit unserem Bündnis, aus
dem die SPD leider früh ausgeschert ist, indem sie Martina Münch ohne
Absprache als OB-Kandidatin präsentierte. Im Augenblick traue ich den
Christdemokraten mehr als den Sozialdemokraten. Die SPD ist in Cottbus
leider nicht berechenbar.
Wie wird ihre Basis den Bund mit der CDU aufnehmen?
Ich nehme an, das 90 bis 95 Prozent einverstanden sind. Wir haben die
Angelegenheit im Vorfeld schon mit den Vorsitzenden der
Basisorganisationen besprochen. Die machten ihre Zustimmung davon
abhängig, dass das gemeinsame Positionspapier eine linke Handschrift
trägt. Nun kann ich sagen, dass dies der Fall ist.
Nennen Sie markante Belege.
Die linke Handschrift durchzieht das komplette Papier. Immerhin
erstellte die Linkspartei den ersten Entwurf, die CDU und die anderen
Partner machten dann ihre Anmerkungen, und am Montagabend einigten sich
alle auf eine Fassung, in der viel von unseren Vorstellungen erhalten
geblieben ist. Als Beispiel möchte ich anführen, dass das
Carl-Thiem-Klinikum städtisches Eigentum bleiben soll. Festgestellt wird
auch, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Cottbus keinen Platz haben.
Die SPD wechselte den Kandidaten, stellt nun Verkehrsminister Szymanski
gegen den Bündnis-Bewerber Holger Kelch (CDU). Verändert das die Situation?
Mit Münch hätte die SPD hundertprozentig verloren — jetzt ist es offen,
denn Szymanski ist bekannt und einer von hier. Aber wir sind
optimistisch. Vor dem 2. Juli glaubte ja auch keiner, dass die Abwahl
von Rätzel klappt. Mit Szymanski habe ich in den vergangenen vier Wochen
vielleicht mehr gesprochen als mit meiner Frau. Wir duzen uns. Aber das
spielt keine Rolle. Szymanski entschied sich zu spät. Wir werfen nun
nicht mehr alle Absprachen über Bord. Vor dem 2. Juli forderten der
CDU-Stadtvorsitzende Michael Schierack und ich Szymanski auf, als
Kandidat eines parteiübergreifenden Bündnisses anzutreten. Damals wollte
er nicht.