Oranienburg (dpa) Die Opfer der vor 60 Jahren in Brandenburg eingerichteten sowjetischen Speziallager fühlen sich in wachsendem Maß ausgegrenzt. “Wir werden zunehmend vor allem in Sachsenhausen aus der Gedenkstätte herausgedrängt”, sagte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sachsenhausen, Gisela Gneist. Am 13. August will die AG an die Einrichtung des Lagers vor 60 Jahren erinnern. Nach 1945 waren rund 154 000 Deutsche — die meisten von ihnen unschuldig — in zehn sowjetische Speziallager gekommen. Jeder Dritte starb.
Gneist war als 15-Jährige 1945 in Wittenberge verhaftet worden. Zusammen mit anderen Jugendlichen führte ihr Weg, wie der hunderter anderer Betroffener, über andere Lager, wie Brandenburg/Havel, Malchow (Müritzkreis), Fünfeichen, Strelitz-Alt nach Sachsenhausen.
“Wir wollen nicht länger — wie auch 2005 noch — als Opfer zweiter Klasse betrachtet werden”, verlangt Gneist. Sie forderte Politiker von Bund und Ländern auf, 60 Jahre nach Kriegsende nicht nur Opfer der NS-Diktatur, sondern auch die meist bereits rehabilitierten Opfer der Stalin-Zeit zu unterstützen. So kommen am 13. August der ehemalige Präsident Litauens, Vytautas Landsbergis, und Schriftsteller Ulrich Schacht zur Gedenkveranstaltung nach Oranienburg. “Dass wir keinen Kontakt mit den Überlebenden der NS- Diktatur haben, liegt nicht an uns”, erklärte Gneist: “Man betrachtet uns immer noch als Täter.”
Dem Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, warf Gneist “ideologische Einseitigkeit” vor. So sei das einzige Gebäude, das an das Schicksal der Häftlinge nach 1945 in Sachsenhausen erinnern soll, auf dessen Betreiben außerhalb des eigentlichen Lagergeländes “und auch noch tiefer als ursprünglich geplant” gebaut worden. Zudem werde die AG bei allen Fragen von der Gedenkstättenleitung Sachsenhausens übergangen. Der Beirat in Sachsenhausen sei eine Farce. “So ein schlechtes Verhältnis haben die Betroffenen weder in Buchenwald, noch in Fünfeichen bei Neubrandenburg”, erläuterte die in Hamburg lebende 75-Jährige.
In Sachsenhausen, das die Nationalsozialisten einst als Konzentrationslager eingerichtet hatten, waren Gneist zufolge in den ersten Jahren nach Kriegsende ständig 12 000 bis 14 000 Menschen inhaftiert. Über ihre Haftzeit durften die Betroffenen zu DDR-Zeiten nicht reden. Viele kamen nach 1948 noch in sowjetische Straflager. Die AG Sachsenhausen wurde 1991 gegründet und hat bundesweit rund 350 Mitglieder.