(HEIKE BERGT, MAZ) ORANIENBURG “Wer braucht denn Kriegshelden? Mutig sind doch die, die den Krieg verweigern”, findet Christina Wendt. “Die Welt hat so viele Probleme. Keines ist mit Krieg zu lösen. Also, desertiert, wo ihr könnt”, ruft sie auf und steigt aus dem Sattel. Die junge Frau aus Bernau gehört zu den 17 Reitern, die gestern hoch zu Roß durch Oranienburg zogen. Ein bunter Zug, der “Friedensritt 2005”, zu dem sie am Sonnabend in Bernau aufgebrochen waren.
Seit 1984 organisieren Freizeitreiter den meist einwöchigen Wanderritt zu politischen Themen quer durch die Bundesrepublik. Geboren wurde die Idee 1981, als erstmals Menschen mit ihren Vierbeinern an der Gedenkveranstaltung “Blumen für Stukenbrock” an der internationalen Kriegsgräberstätte in Westfalen teilnahmen. Seitdem protestierten sie auf dem Pferde-rücken u. a. mit einem Ritt von Gorleben nach Morsleben, rund um den Konrad-Schacht, gegen Gentechnik auf der Expo oder im letzten Sommer gegen das Bombodrom in der Wittstocker Heide.
In diesem Jahr vereinte die Reiter zwischen 17 und 70 Lenzen aus Kassel, Köln, dem Wendland und Berlin der Gedanke “Den Deserteuren zur Ehre, den Kriegern zur Mahnung”. Denn den “Krieg gewinnt immer der Tod. Wir satteln für Frieden, Abrüstung, Umwelt und Menschenrechte”, so Christina Wendt.
Nach dem Start in Bernau und ihrem Protest am dortigen Deserteursdenkmal fanden sie Quartier in Friedrichsthal. Um 11 Uhr gedachten sie gestern der Opfer des KZ Sachsenhausen. Auch hier wurden Deserteure hingerichtet. Einen Kranz aus Wiesenblumen legten sie an der Station Z nieder und riefen auf, sich nicht für Stahl und Öl in einem Krieg missbrauchen zu lassen von denen, “die den Frieden in die Herzen schießen” wollen — Text eines Songs von Liedermacher Reinhard Mey.
Nach ihrem Ritt durch die Innenstadt mit Polizeieskorte ging es bis zum Abend nach Groß Ziethen auf einen Reiterhof. “Wir brauchen nur eine Wiese und Wasser”, so Sabine Schattschneider. Bei der Reiterin aus Kreuzberg liefen die Fäden des diesjährigen Friedensritts zusammen. Über die Tiere kommen sie mit Menschen ins Gespräch, sprechen sie zudem mit Straßentheater an. So auch am Sonnabend zum Abschluss in Potsdam ab 12 Uhr mit einer satirischen Kundgebung: Der Preußenwahn treibt Blüten, kritisiert Christina Wendt, “Wir sind gegen einen Wiederaufbau der Garnisonkirche, gegen zweifelhafte preußische Traditionen wie Anpassung und Unterwürfigkeit.” Doch wenn schon Preußenkult, dann richtig, wollen die Friedensreiter provozieren und mit Pickelhaube durch die Stadt ziehen. Denn konsequenterweise plädieren sie dann auch für die Wiedereinführung des Pferdes als barockes Nahverkehrsmittel in ganz Potsdam!