Potsdamer Verwaltungsgericht untersagt der Bundeswehr Inbetriebnahme des Bombodroms
(Junge Welt) Die Inbetriebnahme des als »Bombodrom« bekannten Truppenübungsplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide ist vorerst gestoppt. Das Verwaltungsgericht in Potsdam hat am Freitag eine Anordnung des Bundesverteidigungsministeriums zur sofortigen Nutzung des Geländes aufgehoben. Bei dem Gericht waren insgesamt 14 Klagen gegen die geplante Inbetriebnahme des Bombenabwurfplatzes eingereicht worden. Zudem hatten die »Bombodrom«-Gegner und betroffene Kommunen Anträge auf einstweilige Anordnung gegen die sofortige Aufnahme des Betriebs gestellt. Gerichtssprecherin Ingrid Schott erklärte nach der Entscheidung, daß Gericht sei zu der Auffassung gekommen, daß das Interesse der klagenden Gemeinde Schweinrich das »sofortige Vollzugsinteresse der Bundesrepublik Deutschland« überwiegt. Die Entscheidung des Bundesverteidigungsministeriums zur militärischen Nutzung sei zudem rechtswidrig. Die Gemeinde Schweinrich sei bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Nutzung des Geländes als Eigentümerin der Wegegrundstücke anzusehen. Die Bundesrepublik dürfe daher dieses Gelände nicht gegen den Willen der Gemeinde als Luft-Boden-Schießplatz nutzen.
»Das ist nichts weniger als das vorläufige Aus für das Bombodrom«, sagte anschließend der die Gemeinde vertretende Anwalt Remo Klinger. Das Verwaltungsgericht bezweifele offenbar, daß es für die Nutzungsentscheidung des Verteidigungsministeriums überhaupt eine Rechtsgrundlage gebe. Sein Anwaltskollege Reiner Geulen erklärte, das Urteil habe weitreichende Folgen, da das Gericht auch eine »summarische Prüfung« der Erfolgsaussichten der Hauptsacheklagen vorgenommen habe. Er gehe davon aus, daß den gegen die Nutzung des »Bombodroms« gerichteten Klagen auch in der Hauptsache stattgegeben werde.
Für die 1992 gegründete Bürgerinitiative Freie Heide ist das gestrige Urteil ein großer Erfolg. Susanne Hoch, eine ihrer Sprecherinnen, zeigte sich gegenüber jW zuversichtlich, daß nun auch die Klagen der anderen Gemeinden und das Hauptsacheverfahren im Sinne der Initiative ausgehen. Zumindest habe man wieder einiges an Zeit gewonnen. Für sie sei es besonders wichtig, im Kampf gegen den geplanten Bombenübungsplatz klarzumachen, »daß es nicht nur darum geht, daß der Platz hier nicht betrieben wird, sondern daß solche Plätze generell unnötig sind«. Man wende sich gegen jegliche Beteiligung der Bundeswehr an kriegerischen Handlungen und gegen weitere Aufrüstung.
Als ersten Erfolg und Bestätigung für die ablehnende Haltung der Schweriner Landesregierung zum Bombodrom wertete Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) die Entscheidung des Potsdamer Verwaltungsgerichts. Das Gericht sei den berechtigten Einwänden der Kläger gefolgt, sagte er in Schwerin. Für die Tourismuswirtschaft in der brandenburgisch-mecklenburgischen Region sei das »ein sehr wichtiges Signal«. Den Klagen hatte sich auch das Land Mecklenburg-Vorpommern angeschlossen.
Auch der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) begrüßte das Urteil. Nach Meinung des PDS-Landesverbandes wäre die Wiederinbetriebnahme des Bombodroms nicht nur wirtschaftspolitisch unsinnig, sondern auch ein »falsches friedenspolitisches Zeichen«.
Weniger erfreut zeigte sich das in dem Verfahren unterlegene Bundesverteidigungsministerium. Man bedaure die Entscheidung des Gerichtes, erklärte ein Sprecher von Minister Struck Peter (SPD) am Nachmittag. Da sich das Gericht aber in diesem Verfahren nur mit den Eigentumsverhältnissen einzelner Grundstücke befaßt habe, sehe man keinen Anlaß, an einem Erfolg in der Hauptsache zu zweifeln, hieß es weiter.
Das Ministerium will in Kürze prüfen, ob es Widerspruch beim Oberverwaltungsgericht in Frankfurt/Oder einlegt. Man werde alle Möglickeiten ausschöpfen, »möglichst schnell den Truppenübungsplatz nutzen zu dürfen«.
“Bombodrom”-Gegner erzielen Teilerfolg vor Gericht: Luftwaffe vorerst gestoppt
(Die Welt) Potsdam — Der als “Bombodrom” bekannte Truppenübungsplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide darf vorerst nicht wieder in Betrieb genommen werden. Das Verwaltungsgericht in Potsdam habe entschieden, dass eine Klage der Gemeinde Schweinrich gegen die Nutzung des Areals bei Wittstock aufschiebende Wirkung habe, sagte Gerichtssprecherin Ingrid Schott gestern in Potsdam.
Die Anwälte der “Bombodrom”-Gegner, Reiner Geulen und Remo Klinger, teilten mit, dass damit die Anordnung des Verteidigungsministeriums zur sofortigen Nutzung des Geländes aufgehoben sei.
Der Sprecher von Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD), Norbert Bicher, sagte in Berlin, nach dem Vorliegen des Urteils werde dieses geprüft. Über weitergehende Schritte wollte Bicher nichts sagen. Der stellvertretende Sprecher der Brandenburger Landesregierung, Manfred Füger, sagte: “Es ist nicht Sache der Landesregierung, Gerichtsentscheidungen zu kommentieren.” Nach Auffassung von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) bedeute die Entscheidung für viele Menschen in der betroffenen Region eine große Hoffnung. Zudem zeige sich für die Bürgerinitiative “Freie Heide”, die seit vielen Jahren gegen den Truppenübungsplatz kämpfe, dass ihr Einsatz bisher nicht umsonst war. PDS-Landeschef Ralf Christoffers sieht in dem Urteil ein Signal in die richtige Richtung. Die Wiederinbetriebnahme des Bombodroms wäre nach seinen Worten nicht hinnehmbar.
Nach Ansicht der Brandenburger Grünen ist das Urteil ein “erster Etappensieg der Vernunft”. Das Gericht nehme die zahlreichen Einwände gegen das Bombodrom sehr ernst. Zugleich müsse Struck “eine empfindliche Niederlage hinnehmen”. Die Chancen für das endgültige Aus des Bombodroms stünden damit sehr gut. Das Gericht werde darüber voraussichtlich Mitte 2004 entscheiden. ddp
Die Pressemitteilung des Potsdamer Verwaltungsgerichts zu seiner Entscheidung findet sich hier. Homepage der BI Freie Heide: www.freieheide.de