POTSDAM — Während Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) gestern pausenlos um Schadensbegrenzung bemüht war, wurden auch in Brandenburg Erinnerungen daran wach, wie schwer das Geschäft mit Vertrauens-Leuten (V‑Leuten) sein kann. Unvergessen ist die Krise, die die Enttarnung von Brandenburgs prominentestem V‑Mann im Juli 2000 auslöste. Damals wurde das Geheimnis von Carsten Szczepanski aus Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald) gelüftet. Unter dem Decknamen “Piato” hatte der wegen versuchten Mordes vorbestrafte Landesorganisationsleiter der NPD lange Zeit die brisantesten Details über Verbindungen der rechtsextremen Partei zur militanten Skinhead-Szene offenbart. Er war nach seiner Haft in den NPD-Kreisverband Spreewald eingeschleust worden.
Nach seiner Enttarnung — die von Todesdrohungen aus der rechtsextremen Szene begleitet war — tauchte Piato gemeinsam mit Frau und Kind im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms unter. Sein Aufenthaltsort wird gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Hinweise, dass er später Skinhead-Konzerte in Mecklenburg-Vorpommern vorbereitet hätte oder als maskierter Zeuge im Amtsgericht Bernau aufgetreten wäre, ließen sich nie belegen. Immer wieder kursierte auch das Gerücht, Szczepanski sei nach Königs Wusterhausen zurückgekehrt. Intime Kenner der lokalen Szene haben jedoch eine simple Erklärung für das Gerücht: “Es gibt dort jemanden, der dem Szczepanski zum Verwechseln ähnlich sieht.”
Dass die Sicherheitsbehörden die Informationslücke, die durch “Piatos” Enttarnung gerissen wurde, seit über einem Jahr weitgehend geschlossen hat, wird längst eingeräumt. Doch an “Piatos” Zuträgerqualitäten reicht offenbar noch keiner der neu geworbenen V‑Männer heran.
Das beliebteste Lockmittel für V‑Leute ist Geld. “Piato” soll für seine Dienste immerhin etwa 1500 Mark monatlich erhalten haben. Außerdem soll die Einrichtung seines Computerladens in Königs Wusterhausen mit staatlicher Unterstützung finanziert worden sein. Ähnliches gilt für die Anschaffung seines Autos. Grundsätzlich zeigt die Erfahrung mit V‑Leuten, dass Angehörige der rechtsextremen Szene materiellen Anreizen rascher erliegen als Mitglieder der linksextremen Szene. In der Regel richtet sich die Höhe des Honorars nach der Qualität der beschafften Informationen.
Bei der Anwerbung von V‑Leuten spielt die professionelle Einschätzung ihrer materiellen Wünsche eine große Rolle. “Ist er für Geld zugänglich? Hat er Schulden? Hat er eine Vorliebe für Autos?” Auch nach solchen Kriterien prüfen Sicherheitskreise die Erfolgschancen einer Anwerbung. In einer ersten “Forschungs- und Werbungsphase” wird zudem beobachtet, wie gewandt sich eine Person verhält und wie stressresistent sie ist. “Manche leiden unter dem Verräter-Syndrom und kommen damit nicht klar.” Von denen, die als V‑Leute umworben werden, sagen knapp 20 Prozent zu. Grundsätzlich gilt: Selbstanbieter werden nicht genommen.
Zu Beginn ihrer Tätigkeit werden neue V‑Leute auf ihre “Nachrichtenehrlichkeit” geprüft. Das bedeutet, dass sie vertrauliche Informationen liefern sollen, die dem Verfassungsschutz jedoch bekannt sind. Der häufigste “Abschaltungsgrund” für V‑Leute in der rechtsextremen Szene ist Alkoholmissbrauch.