Am Mittwoch sollte das Potsdamer Stadtparlament zum dritten Mal darüber entscheiden, ob an Stelle des im Zweiten Weltkrieg bombardierten friderizianischen Stadtschlosses ein neuer Landtag gebaut werden soll. Bei jW-Redaktionsschluß lag das Ergebnis noch nicht vor. Im Herbst vergangenen Jahres hatte die Fraktion der Linkspartei.PDS, die mit 18 von 50 Stadtverordneten größte, zweimal den Antrag abgelehnt. Am Morgen des gestrigen Tages war den regionalen Medien zu entnehmen, daß Entwarnung gegeben werden konnte. Die Linkspartei-Oberen der Stadt signalisierten, daß sie auch weiterhin die treuste Opposition ihrer Majestät respektive des Oberbürgermeisters Jann Jakobs und seiner den Nachfolgestaat Preußens regierenden SPD sein wollen. Linkspartei-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg erklärte, seine Truppe werde dem Schloßneubau nicht im Wege stehen, wenn zugleich einem Forderungskatalog von sieben Punkten zugestimmt werde – Verkehr, Kitas, etc.
Bis Jahresende stellte sich die Stadtlinke stur, vor allem mit Hinweis darauf, daß die märkische Landeshauptstadt andere Sorgen hat, als eine Luxushütte fürs Parlament zu errichten. Der Sinneswandel kam rasch und fast über Nacht. Eine von der Stadt veranstaltete Umfrage unter Potsdams Bürgern erbrachte eine relative Mehrheit von etwa 43 Prozent für den Neubau. Die lokale Märkische Allgemeine zitierte aus der Umgebung des OB: »Die ganze Umfrage dient nur dem Zweck, die Scharfenbergtruppe wieder vom Baum runterzuholen.« Sollte das nötig gewesen sein, dann war die Aktion ein voller Erfolg. Noch eleganter kann das Instrument der direkten Demokratie kaum genutzt werden. Die störrische Linkspartei-Basis ist ruhiggestellt und erhält eine kostenlose Aussicht auf mehr und bessere Kindergärten, Schulen, sanierte Bibliotheken etc. Das sektiererische Verhalten gegenüber Potsdamer Neubürgern wie Friede Springer, Wolfgang Joop oder Günter Jauch, die ein verbale Nähe von Kita und Schloß für unsäglich erklärten, ist endlich beendet. 17 Jahre harter Arbeit waren nötig, um etwas demokratisch-feudale Millionärszivilisation im kommunistisch verseuchten Gelände zu etablieren. Dem kann sich die Linkspartei nicht verweigern.