(MAZ, Katherina Kastner) WALSLEBEN Was sich derzeit in Walsleben abspielt, bringt das kleine Dorf in Verruf:
“Hier werden Parolen ans Haus geschmiert wie in den 30er-Jahren”, ist Ronald
Strathausen erschüttert. An seine Fassade sind in der Nacht zu Dienstag in
blutroter Farbe folgende Worte gesprüht worden: “Lügner gez. Die Bürger.”
Eine Polizeistreife hatte die Schmierereien gestern Nacht gegen ein Uhr
entdeckt und daraufhin die Familie geweckt. Der Staatsschutz — eine
Abteilung der Kriminalpolizei, die für politische Straftaten zuständig ist -
hat die Ermittlungen inzwischen aufgenommen, informiert Oberstaatsanwältin
Lolita Lodenkämper.
Ronald Strathausen vermutet, dass die Aktion im Zusammenhang mit dem
Gerichtsverfahren gegen den 19-jährigen Mike K. aus Walsleben steht. Der
bekennende Rechte war vor einer Woche zu einer Freiheitsstrafe von drei
Monaten auf Bewährung verurteilt worden, weil er vor dem Wohnhaus der
Familie Strathausen den Hitlergruß gezeigt und Drohungen ausgesprochen habe
(die MAZ berichtete).
Nicht einmal 30 Stunden nach Urteilsverkündung erhielt die Familie den
ersten Drohanruf. Eine Stimme zischte: “Wir lassen unseren Kameraden nicht
im Stich. Merkt euch das!” In den nächsten Tagen habe es weitere Anrufe
gegeben, versichert Strathausen, der darüber Protokoll geführt hat.
Ihren Höhepunkt erreichten die Pöbeleien der Rechtsextremisten jedoch am
vergangenen Wochenende: Am Sonntagmorgen um 3.45 Uhr soll Mike K. zum
wiederholten Male vor dem Haus der Familie Parolen gegrölt und den
Hitlergruß gezeigt haben. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin erneut eine
schnelle Verurteilung angestrebt und in diesem Zusammenhang einen Haftantrag
gestellt. Doch aus Zeitmangel könne sich der Untersuchungsrichter nicht -
wie von der Anwaltschaft gewünscht — umgehend mit dem Fall beschäftigen.
Trotzdem rechnet Oberstaatsanwältin Lodenkämper mit einer neuen
Hauptverhandlung in wenigen Wochen. Man könne wohl davon ausgehen, dass der
Beschuldigte dann kein zweites Mal zur Bewährung verurteilt wird. Vielmehr
drohe dem 19-jährigen Neonazi eine Gefängnisstrafe.
“Von solchen Verbrechern wollen wir uns nicht einschüchtern lassen”, sagt
Ronald Strathausen in Bezug auf die Schmierereien an seiner Fassade. Er
fordert, dass schnell etwas gegen die Täter unternommen wird. “Denn es kann
jeden treffen, der aus dem eng bemessenen Weltbild dieser Leute
herausfällt”, meint der 43-jährige Angestellte. “Muss erst unser Haus
brennen? Muss es erst Tote geben, bevor gehandelt wird?”