POTSDAM. CDU-Chef Jörg Schönbohm hat die Linkspartei.PDS-Spitzenkandidatin Dagmar Enkelmann am Donnerstag auf einer Wahlkampfveranstaltung in Potsdam bezichtigt, inoffizielle Mitarbeiterin der DDR-Staatssicherheit gewesen zu sein. Enkelmann kündigte daraufhin eine Klage gegen den Innenminister an. “Ich bin x ‑mal überprüft worden. Da gibt es absolut nichts”, sagte sie der Berliner Zeitung. Auf Nachfrage räumte ein Schönbohm-Sprecher am Abend ein, Schönbohm habe sich geirrt. “Es handelt sich um eine Verwechslung”. Eine Entschuldigung lehnte der dennoch ab. “Bei der PDS ist es ja nicht ehrenrührig, Stasi-IM gewesen zu sein”, sagte der Unions-Chef.
Auf einer Kundgebung mit CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel hatte Schönbohm vor rund 1 000 Zuhörern gesagt, bei der PDS wimmele es nur so von ehemaligen Stasi-IMs. Dabei zählte er unter anderem Landesparteichef Thomas Nord, die Abgeordnete Kerstin Kaiser-Nicht und eben auch Dagmar Enkelmann auf, die Fraktionschefin im Landtag und stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei.
Enkelmann sprach am Abend von einer “gezielten Provokation” Schönbohms. Als Innenminister müsse er wissen, was er sagt. Sie habe Rechtsanwalt Peter-Michael Diestel mit der Wahrung ihrer Interessen beauftragt. Diestel war der erste CDU-Fraktionschef im Potsdamer Landtag. Schönbohm überschreite die Grenzen des fairen Wahlkampfes, sagte Enkelmann. “Das war ein Fehler zu viel.” Enkelmann kandidiert in Ostbrandenburg für den Bundestag und ihr werden gute Chancen eingeräumt, ihren Wahlkreis direkt zu gewinnen.
In der CDU herrschte am Abend Entsetzen über den Vorfall. Parteivize Barbara Richstein versuchte, die Wogen zu glätten: “Das war eine Verwechslung. So etwas kann passieren”, sagte sie. Schönbohm habe einen “harten Tag” hinter sich.
Am Nachmittag hatte der Landtag die von der Linkspartei.PDS beantragte Entlassung des Innenministers mit der SPD/CDU-Koalitionsmehrheit abgelehnt. “Sie haben der deutschen Einheit nachhaltigen Schaden zugefügt. Dieser Schaden ist beträchtlich und bleibt bestehen”, hatte Enkelmann Schönbohm wegen seiner Äußerungen zur erzwungenen Proletarisierung in der DDR vorgehalten.
Genau die gleiche Formulierung hatte zunächst die SPD in einem Fraktionsbeschluss benutzt. Ministerpräsident Matthias Platzeck und SPD-Fraktionschef Günter Baaske gingen am Donnerstag pfleglicher mit dem angeschlagenen Innenminister um. Deswegen attackierten sie vor allem die PDS. “Der Zusammenhang zwischen diesem Antrag und dem Wahlkampf ist zu offensichtlich”, hielt Platzeck Dagmar Enkelmann vor. “Es gibt Grenzen, die man nicht überschreiten sollte.”
Mehrfach habe er klar gestellt, dass er die Äußerungen Schönbohms für “falsch und fatal” gehalten habe, sagte Platzeck. Anlässlich des neunfachen Babymordes von Frankfurt (Oder) habe er damit “die ostdeutsche Gesellschaft in Kollektivhaftung genommen”. Das habe ihn nicht nur erschreckt, sondern auch überrascht. “Denn ich weiß, dass Jörg Schönbohm ein differenzierteres Bild hat und Respekt für ihn kein Fremdwort ist.”
Ausdrücklich nahm Platzeck seinen Innenminister vor einer Gleichstellung mit Bayerns Ministerpräsidenten Edmund Stoiber in Schutz. Der habe — anders als Schönbohm — aus wahltaktischen Motiven ganz bewusst Ost gegen West in Stellung gebracht. Und Baaske rief: “Wir wollen nicht, dass der Mann, der die CDU in Brandenburg überhaupt politik- und koalitionsfähig gemacht hat, wegen einer Äußerung mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt wird.”
“Er wird noch für Brandenburg gebraucht”, betonte auch CDU-Fraktionschef Lunacek. Vor allem aber tat er etwas, was zuvor noch nie ein Christdemokrat in Brandenburg für nötig gehalten hatte: Er redete für Schönbohm. “Das Wegschauen bewegte ihn als Menschen, als Vater, als Großvater und als Innenminister. Das Verbrechen an sich hat er ausdrücklich nicht gemeint. Und er hat sich entschuldigt, das sollten wir auch respektieren.”
PDS-Fraktionschefin Enkelmann hatte Schönbohm in der Landtagsdebatte dagegen vorgehalten, er habe mit seinen Äußerungen zum wiederholten Male dem Ansehen des Landes geschadet. “Sie sind ein anhaltendes politisches Risiko für Brandenburg!”