7. Februar 2002 · Quelle: berliner zeitung

Schönbohm erfolglos im Kampf gegen Rechts

POTSDAM. Die Polizei ist bei der Bekämp­fung des Recht­sex­trem­is­mus an der Gren­ze ihrer Leis­tungs­fähigkeit ange­langt. Das sagte am Mittwoch Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU). “Mit repres­siv­en Mit­teln haben wir alles getan, was möglich ist. Jet­zt kann man nur noch die Präven­tion stärken.” Trotz des beständig ver­stärk­ten Polizeiein­satzes gegen Rechts stag­niert die Zahl rechts­gerichteter Straftat­en auf dem Vor­jahres­niveau — als Bran­den­burg einen neuen Spitzen­wert erre­icht hat­te. Das geht aus dem Extrem­is­mus­bericht her­vor, den Schön­bohm am Mittwoch vor­legte. Vor­sichtig opti­mistisch bew­ertete der Innen­min­is­ter den­noch, dass die Fal­lzahlen im Jahresver­lauf nen­nenswert zurück­gin­gen: “Man kön­nte vielle­icht sagen, es ist Licht am Ende des Tun­nels zu sehen.”
Vor einem Jahr hat­te der Innen­min­is­ter noch einen Anstieg rechter Krim­i­nal­ität um 27 Prozent auf 365 Straftat­en für das Jahr 2000 ver­melden müssen. Damit nahm Bran­den­burg bun­desweit einen Spitzen­platz ein. Für das Jahr 2001 sei ein Ver­gle­ich wegen der Umstel­lung der Zählweise für poli­tisch motivierte Straftat­en nicht möglich, sagte Schön­bohm. Während sich Bran­den­burg strikt an die neuen, von ihm äußerst skep­tisch bew­erteten Zäh­lvor­gaben gehal­ten habe, hink­ten andere Län­der hin­ter­her. Im Innen­min­is­teri­um geht nun die Furcht um, das Land könne schon deswe­gen aber­mals als Hort rechter Gewalt gebrand­markt werden.

Ins­ge­samt weist die neue Sta­tis­tik 2061 Straftat­en aus, denen, so Schön­bohm, “eine poli­tis­che Moti­va­tion zu Grunde liegen kön­nte”. In der Ver­gan­gen­heit seien nur Delik­te als extrem­istisch eingestuft wor­den, die darauf ziel­ten, die frei­heitlich demokratis­che Grun­dord­nung abzuschaf­fen. Mit 906 Straftat­en wird knapp die Hälfte der 2001 gezählten Fälle der recht­en Szene zuge­ord­net, 69 dem linken Spek­trum. 1 027 Straftat­en wer­den als “Staatss­chutzde­lik­te ohne explizite poli­tis­che Moti­va­tion” aus­gewiesen. Unter diesem Posten wür­den “selb­st Hak­enkreuzschmier­ereien auf ein­er Grund­schul­toi­lette als extrem­istis­che Straftat aufgenom­men”, sagte der Innenminister.

Bed­ingt aus­sage­fähige Ver­gle­ich­szahlen zum Vor­jahr gab Schön­bohm nur für den Bere­ich der Gewalt­tat­en bekan­nt. In den Jahren 2000 und 2001 wer­den je 86 Fälle rechter Gewalt aus­gewiesen. Linke Gewalt­de­lik­te stiegen von 18 auf 21 an. Auf­fäl­lig sei, dass bei der rechts­gerichteten Krim­i­nal­ität noch im ersten Quar­tal des vorigen Jahres 321 Straftat­en (davon 25 Gewalt­de­lik­te) aktenkundig wur­den. Im vierten Quar­tal waren es nur noch 139 (davon 15 Gewaltdelikte).

Als Bren­npunk­te rechter Krim­i­nal­ität gel­ten laut Innen­min­is­ter weit­er­hin Guben, Rathenow, Frank­furt (Oder), Königs Wuster­hausen und Eber­swalde. Dort wür­den abends und am Woch­enende zusät­zlich je 30 Polizis­ten einge­set­zt. Darüber hin­aus seien die von den fünf Polizeiprä­si­di­en geführten Mobilen Ein­satzein­heit­en gegen Gewalt und Aus­län­der­feindlichkeit (Mega), beste­hend aus min­destens 15 Polizis­ten, an recht­en Tre­ff­punk­ten präsent. In kri­tis­chen Zeit­en — Woch­enen­den und den Aben­den vor Feierta­gen — werde die Mega auf bis zu 200 Kräfte aufgestockt.

Im ver­gan­genen März richtete das Min­is­teri­um zudem Son­derkom­mis­sio­nen “Tomeg” in Cot­tbus, Guben, Pots­dam, Köngis Wuster­hausen, Rathenow, Prenzlau/Templin und Frank­furt (Oder) ein. In diesem Jan­u­ar kam eine weit­ere im Bere­ich Wittstock/Pritzwalk hinzu. Die Abkürzung “Tomeg” ste­ht für “Täteror­i­en­tierte Maß­nah­men gegen extrem­istis­che Gewalt”. Sie sollen sich gezielt mit polizeibekan­nten Straftätern der recht­en Szene befassen. Zu Auf­gaben der “Tomeg”-Kommissionen zählt der Infor­ma­tion­saus­tausch auch mit anderen Insti­tu­tio­nen, wieder­holte, unangemeldete Kon­trollen, aber auch Gespräche mit Eltern, Lehrern oder Arbeit­ge­bern. Mit den Mit­teln der Polizei, sagte Schön­bohm, sei Bran­den­burg “am Anschlag”. Der Recht­sex­trem­is­mus bleibe die größte Her­aus­forderung des Landes.

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