POTSDAM. Die Polizei ist bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt. Das sagte am Mittwoch Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). “Mit repressiven Mitteln haben wir alles getan, was möglich ist. Jetzt kann man nur noch die Prävention stärken.” Trotz des beständig verstärkten Polizeieinsatzes gegen Rechts stagniert die Zahl rechtsgerichteter Straftaten auf dem Vorjahresniveau — als Brandenburg einen neuen Spitzenwert erreicht hatte. Das geht aus dem Extremismusbericht hervor, den Schönbohm am Mittwoch vorlegte. Vorsichtig optimistisch bewertete der Innenminister dennoch, dass die Fallzahlen im Jahresverlauf nennenswert zurückgingen: “Man könnte vielleicht sagen, es ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen.”
Vor einem Jahr hatte der Innenminister noch einen Anstieg rechter Kriminalität um 27 Prozent auf 365 Straftaten für das Jahr 2000 vermelden müssen. Damit nahm Brandenburg bundesweit einen Spitzenplatz ein. Für das Jahr 2001 sei ein Vergleich wegen der Umstellung der Zählweise für politisch motivierte Straftaten nicht möglich, sagte Schönbohm. Während sich Brandenburg strikt an die neuen, von ihm äußerst skeptisch bewerteten Zählvorgaben gehalten habe, hinkten andere Länder hinterher. Im Innenministerium geht nun die Furcht um, das Land könne schon deswegen abermals als Hort rechter Gewalt gebrandmarkt werden.
Insgesamt weist die neue Statistik 2061 Straftaten aus, denen, so Schönbohm, “eine politische Motivation zu Grunde liegen könnte”. In der Vergangenheit seien nur Delikte als extremistisch eingestuft worden, die darauf zielten, die freiheitlich demokratische Grundordnung abzuschaffen. Mit 906 Straftaten wird knapp die Hälfte der 2001 gezählten Fälle der rechten Szene zugeordnet, 69 dem linken Spektrum. 1 027 Straftaten werden als “Staatsschutzdelikte ohne explizite politische Motivation” ausgewiesen. Unter diesem Posten würden “selbst Hakenkreuzschmierereien auf einer Grundschultoilette als extremistische Straftat aufgenommen”, sagte der Innenminister.
Bedingt aussagefähige Vergleichszahlen zum Vorjahr gab Schönbohm nur für den Bereich der Gewalttaten bekannt. In den Jahren 2000 und 2001 werden je 86 Fälle rechter Gewalt ausgewiesen. Linke Gewaltdelikte stiegen von 18 auf 21 an. Auffällig sei, dass bei der rechtsgerichteten Kriminalität noch im ersten Quartal des vorigen Jahres 321 Straftaten (davon 25 Gewaltdelikte) aktenkundig wurden. Im vierten Quartal waren es nur noch 139 (davon 15 Gewaltdelikte).
Als Brennpunkte rechter Kriminalität gelten laut Innenminister weiterhin Guben, Rathenow, Frankfurt (Oder), Königs Wusterhausen und Eberswalde. Dort würden abends und am Wochenende zusätzlich je 30 Polizisten eingesetzt. Darüber hinaus seien die von den fünf Polizeipräsidien geführten Mobilen Einsatzeinheiten gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit (Mega), bestehend aus mindestens 15 Polizisten, an rechten Treffpunkten präsent. In kritischen Zeiten — Wochenenden und den Abenden vor Feiertagen — werde die Mega auf bis zu 200 Kräfte aufgestockt.
Im vergangenen März richtete das Ministerium zudem Sonderkommissionen “Tomeg” in Cottbus, Guben, Potsdam, Köngis Wusterhausen, Rathenow, Prenzlau/Templin und Frankfurt (Oder) ein. In diesem Januar kam eine weitere im Bereich Wittstock/Pritzwalk hinzu. Die Abkürzung “Tomeg” steht für “Täterorientierte Maßnahmen gegen extremistische Gewalt”. Sie sollen sich gezielt mit polizeibekannten Straftätern der rechten Szene befassen. Zu Aufgaben der “Tomeg”-Kommissionen zählt der Informationsaustausch auch mit anderen Institutionen, wiederholte, unangemeldete Kontrollen, aber auch Gespräche mit Eltern, Lehrern oder Arbeitgebern. Mit den Mitteln der Polizei, sagte Schönbohm, sei Brandenburg “am Anschlag”. Der Rechtsextremismus bleibe die größte Herausforderung des Landes.