(BM 30.06.03) Potsdam — Wenige Wochen nach dem vereitelten Bombenattentat am Dresdener
Hauptbahnhof schließt Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) eine Änderung des
Brandenburger Polizeigesetzes nicht mehr aus. “Wir prüfen derzeit, ob eine
24-Stunden-Video-Überwachung an gefährdeten Orten möglich ist”, sagte Schönbohm der
Berliner Morgenpost. Damit würde Brandenburg als erstes Land konkret auf den
Bombenfund in Sachsen reagieren und seine Videoüberwachung ausweiten. In
Berlin lehnt die rot-rote Koalition dies ab.
Ende des Jahres 2001 führte Schönbohm die damals stark umstrittene
Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen vor den Bahnhöfen in Potsdam, Erkner und
Bernau sowie vor einer Großdisko in Rathenow ein. Allerdings drücken die
Polizisten nur bei Verdacht auf den roten Aufnahme-Knopf — und das angeblich mit
Erfolg. Seit Einführung des für zunächst fünf Jahre geplanten Pilotprojekts sind
die Straftaten auf den vier Plätzen nach Auskunft des Innenministeriums
deutlich zurückgegangen.
“Im Falle einer echten Bedrohung wie in Dresden reicht die
verdachtsabhängige Überwachung aber nicht mehr aus”, sagt der innenpolitische
Sprecher der
CDU-Landtagsfraktion, Sven Petke. Die derzeitige Regelung habe präventiven
Charakter. Sie werde den Anforderungen nicht mehr gerecht. Es sei für die
Polizisten nicht immer rechtzeitig erkennbar, dass etwas passieren werde.
Eine Rund-um-die-Uhr-Aufzeichnung an Plätzen, die von vielen Menschen
frequentiert werden und automatisch nach 24 oder mehr Stunden gelöscht werde, würde
für erhöhte Sicherheit sorgen und wäre auch im Hinblick auf den Datenschutz
durchaus vertretbar, meint der CDU-Innenexperte.
“Niemand in der Bevölkerung hätte Verständnis, wenn später keine Aufnahme
des Täters vorhanden ist”, sagt er. Parallel dazu fordert der Innenexperte die
Bahn auf, ihre großen Bahnhöfe flächendeckend überwachen zu lassen. Das
Unternehmen verzichtet bislang im Land Brandenburg auch im Hauptbahnhof von
Potsdam auf Kamera-Aufnahmen.
Die Sozialdemokraten signalisieren mittlerweile Diskussionsbereitschaft. Der
Innenexperte der SPD-Landtagsfraktion, Werner-Siegwart Schippel, ist nicht
mehr strikt gegen die 24-Stunden-Überwachung. Die oppositionelle PDS dagegen
lehnt die Änderung des Polizeigesetzes indes grundsätzlich ab. Begründung: Es
werde schon jetzt zu viel überwacht.
Der Brandenburger Landes-Datenschutzbeauftragte Alexander Dix weist darauf
hin, dass die gegenwärtige Rechtslage ausreicht, um ein Ereignis wie in
Dresden per Video zu dokumentieren. Seine Sprecherin Lena Schraut spricht von einer
Scheindiskussion. Schon jetzt könnte der Hausherr — in den meisten Fällen
also die Bahn — die Bahnhöfe rund um die Uhr mit Videokameras überwachen. Und
auf den Vorplätzen reiche die Beobachtung durch die Polizei durchaus. “Nach
Dresden sind die Beamten garantiert noch aufmerksamer geworden.” Deshalb müsse
kein Gesetz geändert werden. Schrauts Eindruck: “Hier machen sich die
Politiker wieder einmal nur wichtig.”