POTSDAM — Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hat das Kirchenasyl für
von
Abschiebung bedrohte Asylbewerber in Frage gestellt. Ein solches
juristisches Institut gebe es nicht, betont er in einem Schreiben an
die
Polizeipräsidenten in Potsdam und Frankfurt (Oder). Die jüngste Zusage
der
Landesregierung, das Kirchenasyl zu respektieren, finde ihre Grenzen in
geltendem Recht. Dieses dürfe vom Kirchenasyl nicht überlagert werden.
Polizisten, die geltendes Recht vollziehen, müssen Schönbohm zufolge
keine
Repressalien befürchten. Der Minister bezog sich damit auf die
Einstellung
staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gegen zwei Polizisten nach einer
Anzeige des Pfarrers Johannes Kölbel in Schwante (Oberhavel) wegen
einer
Hausdurchsuchung. Kölbel hatte zwei Vietnamesen von November bis Anfang
Januar Kirchenasyl gewährt. Der leitende Oberstaatsanwalt von
Neuruppin,
Gerd Schnittcher, bestätigte gestern, dass es keine förmlichen
Ermittlungen
gegen die Beamten gebe. Es habe sich erwiesen, dass Kölbel mit dem
Betreten
der Gemeinderäume durch die beiden Polizisten auch ohne
Durchsuchungsbefehl
einverstanden war, sagte Schnittcher. Nach Darstellung des Geistlichen
wurde
ihm während der Aktion bei seiner telefonischen Nachfrage nach deren
Rechtmäßigkeit vom zuständigen Polizeischutzbereich zugesichert, dass
der
Durchsuchungsbefehl nachgereicht wird. Außerdem seien auch seine
Privaträume
durchsucht worden. Dazu erklärt Schönbohm in seinem Schreiben, es seien
-
und zwar im Einvernehmen mit dem Pfarrer — ausschließlich Gemeinderäume
durchsucht worden. “Dass dieser kirchliche Würdenträger den Sachverhalt
danach anders darstellt, ist ein Verhalten, das er mit seinem
Selbstverständnis abzumachen hat.” Es werde auch künftig kein Abgehen
vom
Grundsatz des Vollzugs rechtskräftiger Entscheidungen geben, so lange
nicht
per Gesetz Härtefallregelungen vorgesehen seien, erklärt Schönbohm.
Derartige Regelungen strebe er politisch an. Schnittcher zufolge kann
Kölbel
gegen die Einstellung der Ermittlungen Beschwerde einlegen, über die
dann
vom Generalstaatsanwalt des Landes zu entscheiden wäre. Die
Ermittlungen
gegen den Pfarrer selbst wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz
werden
unterdessen fortgesetzt. Dabei habe Kölbel jetzt Gelegenheit zu einer
Stellungnahme, sagte Schnittcher. In Brandenburg lebten nach Angaben
des
Innenministeriums Ende vergangenen Jahres rund 8000 ausreisepflichtige
Ausländer. Zu ihnen zählt auch eine kongolesische Familie mit zwei
Kindern,
die seit einigen Tagen in Brandenburg/Havel Kirchenasyl genießt. Das
Aktionsbündnis gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit hat erneut eine
Härtefallkommission zur Überprüfung von Abschiebeanordnungen gefordert.
Fälle von Kirchenasyl in schwerwiegenden humanitären Situationen
zeigten die
Notwendigkeit einer solchen Kommission für Brandenburg, erklärte der
Vorsitzende des Aktionsbündnisses, der Cottbuser Generalsuperintendent
Rolf
Wischnath, gestern in Potsdam.
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