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Schönbohm wiegelt ab

»Dieser Mord ist kein poli­tis­ches Natur­ereig­nis aus heit­erem Him­mel, son­dern ein Sym­bol für das gesellschaftliche Kli­ma, was in der Region südlich von Pren­zlau vorherrscht. Es war klar, daß so etwas wieder passiert«, erk­lärt Hol­ger Zschoge vom antifaschis­tis­chen Vere­in »Salz und Pfef­fer« gegenüber junge Welt. 


Bere­its am 12. Juli sollen die mut­maßlichen Täter Sebas­t­ian F. (17), Mar­cel S. (17) und Mar­co S. (23) den 17jährigen Mar­i­nus Schöberl aus Ger­swalde in der bran­den­bur­gis­chen 580-See­len Gemeinde Pot­zlow in der Uck­er­mark erst ver­schleppt, dann zu Tode gequält und anschließend in ein­er ehe­ma­li­gen Jauchegrube ver­schar­rt haben. Wie die Staat­san­waltschaft Neu­rup­pin in Medi­en­bericht­en mit­teilt, sind die Täter der recht­sradikalen Szene zuzuord­nen. Anlaß für das »viehis­che Ver­brechen« seien die blondge­färbten Haare und die Hip-Hop­per-Hosen des Opfers gewe­sen, die den Tätern als »undeutsch« erschienen. Zuvor hät­ten sie Schöberl als »Juden« beze­ich­net. Erst am vor­let­zten Sam­stag wurde der Leich­nam des bis dahin als ver­mißt gemelde­ten Jun­gen ent­deckt. Ein­er der mut­maßlichen Täter hat­te sich mit dem Mord gebrüstet und andere Jugendliche zum Tatort geführt. Gegen Mar­cel S. und Sebas­t­ian F., die den Mord ges­tanden haben, erg­ing am ver­gan­genen Dien­stag Haft­be­fehl. Mar­co S. ver­büßt bere­its seit August eine drei­jährige Haft­strafe wegen gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung. Der Neon­azi hat­te einen Monat nach der Tat in Pot­zlow einen Asyl­be­wer­ber aus Sier­ra Leone bru­tal zusam­mengeschla­gen. Die Staat­san­waltschaft prüft, ob gegen weit­ere Jugendliche ein Ermit­tlungsver­fahren wegen unter­lassen­er Hil­feleis­tung ein­geleit­et wird. Min­destens drei bis fünf Per­so­n­en, die nicht an der Tat beteiligt waren, müßten zumin­d­est geah­nt haben, daß Schöberl umge­bracht wurde, erk­lärte Ober­staat­san­walt Gerd Schnittch­er gegenüber der Märkischen All­ge­meinen. Diese waren anwe­send, als das Opfer kurz vor seinem Ver­schwinden von den drei Beschuldigten in zwei Woh­nun­gen gequält wurde. 

 

Die Aktivis­ten von »Salz und Pfef­fer« haben seit Juli 2000 in der Uck­er­mark 144 Straftat­en mit recht­sex­tremen Hin­ter­grund reg­istri­ert. In Pot­zlow hat­ten rechte Schläger schon 1997 einen 45jährigen Mann mit Base­ballschlägern zu Tode geprügelt. »Wenn es eine zeit­lang ruhiger ist, dann nur, weil einige beson­ders gewalt­tätige Aktivis­ten ger­ade im Knast sitzen. Kom­men die raus, geht’s wieder los«, beschreibt Zschoge die Lage. »In der Region dominiert eine sehr aktive recht­sex­treme Szene die Jugend­kul­tur«. Der Anpas­sungs­druck für Jugendliche sei extrem hoch: Wer sich in den Springer­stiefel-Main­stream nicht ein­füge, bekomme »erhe­bliche Prob­leme«. Der Mord an Schöberl, der sich offen­bar nicht anpassen wollte, sei hier­für ein deut­lich­es Beispiel. Es gebe zwar staatliche Repres­sion gegen Recht­sradikalis­mus durch die Polizei. Das gesamt­ge­sellschaftliche recht­sna­tionale Kli­ma in der Region werde jedoch nicht bekämpft. Weit­er kri­tisiert Zschoge die Arbeit des Jugendzen­trums in Strehlow, in dem auch die mut­maßlichen Mörder Schöberls verkehrten: »Da wird sich schon länger an akzep­tieren­der Jugen­dar­beit ver­sucht. Die recht­en Jugendlichen sollen in den Schoß der Gesellschaft zurück­ge­holt wer­den. Aber wenn das ganze Umfeld rechts ist, wie soll sich da was ändern?« Nach Ansicht des »Salz und Pfeffer«-Aktivisten sei das Konzept, das recht­sradikale Gesin­nung bei Jugendlichen toleriert, zum Scheit­ern verurteilt. 

 

Die Lei­t­erin des besagten Jugendzen­trums, Petra Freiberg, weist diese Kri­tik entsch­ieden zurück. »Wer so was sagt, gren­zt sel­ber aus. Wir kön­nen die Gesellschaft nicht in Grup­pen aufteilen«, so Freiberg. Im Jugend­club hätte man schon viel erre­icht. Das Prob­lem liege oft in den Fam­i­lien, das Umfeld sei extrem rechts. »Die Geset­ze im Jugend­schutz müssen über­dacht wer­den. Wenn die Jugendlichen keine Chance haben, sich in der Fam­i­lie zu entwick­eln, dann muß man sie da raus holen«, meint die Sozialar­bei­t­erin. »Wenn wir das Prob­lem nicht in den Griff bekom­men, wer­den wir uns noch alle umguck­en«. Die Poli­tik hätte kom­plett ver­sagt, klagt Freiberg an. »Bei den Peanuts, die die für die Kinder übrig haben, kann sich nichts entwick­eln.« Und weit­er: »Die Poli­tik­er sind doch alle pressegeil. Wenn wieder was passiert ist, wird zwei Wochen lang disku­tiert, das war’s.«

 

Das sieht Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) ganz anders. »In den ersten neun Monat­en in 2002 ist die poli­tisch-motivierte Gewaltkrim­i­nal­ität in Bran­den­burg um gut 30 Prozent zurück­ge­gan­gen«, so Schön­bohm gegenüber junge Welt. Im Rah­men des Bünd­niss­es gegen Extrem­is­mus und Gewalt sowie des Lan­despräven­tion­srates werde »viel getan«. Jedoch pocht der Poli­tik­er auf »die Ver­ant­wor­tung der Staats­bürg­er« bei der Bekämp­fung extrem­istis­ch­er Gewalt. Dies sei nicht allein Auf­gabe der Polizei. Jedoch könne er, so Schön­bohm, »nicht bestäti­gen«, daß in der Region Uck­er­mark gesellschaftlich, ins­beson­dere unter Jugendlichen, ein recht­sex­tremes Kli­ma vorherrsche. Allerd­ings gebe es da »ein hohes Maß an Gewalt­bere­itschaft«. So ein »ein­ma­lig und abschreck­ender Mord« wie der an Schöberl werde sich »nicht wieder­holen«, ver­sichert der Innen­min­is­ter. Die Tat sei aber weniger ein Prob­lem von Recht­sex­trem­is­mus als von »Dumpfheit«. Seines Wis­sens ver­fügten die Täter nur zum Teil über Schulabschlüsse. 

 

Bere­its am 16. Novem­ber hat­te Schön­bohm in ein­er Presseerk­lärung die Arbeit von Polizei und Ver­fas­sungss­chutz gelobt, auf die »erfol­gre­iche Konzep­tion aus Repres­sion und Präven­tion« gegenüber poli­tisch motiviert­er Gewalt hingewiesen. Genau an dem Tag, als die Leiche des von Recht­sradikalen zu Tode gefolterten Mar­i­nus Schöberl von Jugendlichen in ein­er Jauchegrube aus­ge­graben wurde. 

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