Potsdam — Brandenburgs Christdemokraten stellen sich auf einen Wechsel ihres Landesvorsitzenden und Innenministers Jörg Schönbohm ins neue Bundeskabinett ein, der Aussichten hat, Bundesverteidigungsminister zu werden. Wie der Tagesspiegel am Montag erfuhr, soll in diesem Fall Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) neuer Vize-Regierungschef in der Brandenburger SPD/CDU-Koalition werden. Unklar ist dagegen, wer das Innenressort übernehmen würde. Wahrscheinlich sei, dass dann Schönbohms Staatssekretär Eike Lancelle für eine Übergangszeit Innenminister würde, hieß es in CDU-Kreisen. „Im Moment gibt es keine Lösung. Es ist schwer, dieses Amt nach Schönbohm zu besetzen.“
Für Jörg Schönbohm wäre es die Krönung seiner politischen wie auch der militärischen Karriere, wenn er als erster Militär in der Geschichte der Bundeswehr Verteidigungsminister würde. Die Chancen für den früheren General, der sich vor allem auch bei der Auflösung der DDR-Armee Anerkennung erworben hat, sind am Montag im Berliner Koalitionspoker jedenfalls deutlich gestiegen. Neben Schönbohm scheint, wie übereinstimmend aus der Bundes- und Landespartei verlautete, nur noch der Chef der hessischen CDU-Landtagsfraktion Franz-Josef Jung im Rennen um das Verteidigungsressort zu sein, das nach dem mit der SPD-Spitze ausgehandelten Kompromiss an die CDU gehen wird. Es hänge von Proporzfragen ab, ob Angela Merkel mit Jung der bei der Postenverteilung unterrepräsentierten, aber einflussreichen hessischen CDU den Vorzug gibt oder Schönbohm über das „Ostticket“. „Die Chancen stehen fifty-fifty“, sagte ein führender Brandenburger Unionspolitiker.
Dass Schönbohm einen Ruf aus Berlin ausschlagen könnte – wie Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der Vizekanzler und Außenminister hätte werden können und Nein sagte – gilt in der märkischen Union als ausgeschlossen. „Wenn er gerufen wird, geht er“, hieß es gestern unisono.
Schönbohm selbst hatte in den letzten Monaten in mehreren Interviews deutlich gemacht, dass er das Amt des Bundesverteidigungsministers übernehmen würde. Dem Vernehmen nach soll er Merkel bereits vor der Bundestagswahl jedoch auch signalisiert haben, dass er das Amt nur unter zwei Bedingungen übernehmen würde: Er werde kein „Abrüstungsminister“ für die Bundeswehr und es bleibe bei der Wehrpflicht.
Dass der 67-jährige „Patriarch“ der Brandenburger CDU nach der Niederlage seines Landesverbandes bei der Bundestagswahl erstmals deutliche Kritik und sogar Rücktrittsforderungen aus den eigenen Reihen einstecken musste, dürfte seine Bereitschaft zum Wechsel nach Berlin bestärken. „Er will weg. Es wäre ein eleganter Abgang aus Brandenburg“, sagte einer, der ihn kennt. Schönbohm hatte nach den Babymorden von Frankfurt (Oder) mit seiner These von der Proletarisierung Ostdeutschlands durch das SED-Regime als einer Ursache für heutige Gewaltkriminalität eine Welle der Empörung in Ostdeutschland ausgelöst, die bis in den eigenen Landesverband reichte. In der Brandenburger CDU ist man sich weitgehend einig darüber, dass die Schönbohm-Thesen eine wesentliche Ursache für das schlechte Abschneiden der CDU in Brandenburg war, wo die Partei mit 20,6 Prozent nur drittstärkste Kraft hinter SPD und Linkspartei wurde. Danach war der Ruf an Schönbohm lauter geworden, seine Nachfolge zu regeln, statt diese Frage immer wieder zu vertagen.
Intern hat Schönbohm zwar mittlerweile klargestellt, dass Wirtschaftsminister und Vizeparteichef Ulrich Junghanns sein „Kronprinz“ sei. Offen blieb jedoch, wann der Wechsel in der Parteispitze erfolgen soll. Dieser Druck würde bei einem Gang ins Bundesverteidigungsministerium deutlich abnehmen. „Es wäre eine deutliche Entlastung, wenn die Brandenburger CDU erstmals in ihrer Geschichte einen Bundesminister stellen würde“, heißt es in der Unionsspitze. Es sei sogar gut, wenn ein so gestärkter Schönbohm weiter Landesvorsitzender bliebe – solange er das für richtig halte.