Die letzte „Mahnwache“ der NPD in Brandenburg an der Havel, bei der die Stadtverwaltung und ihre Anti-Extremismus Koordinierungsgruppe einmal mehr zum „Wegschauen“ gegenüber (Neo)nazis aufgerufen hatte, war erst eine Woche her, da sorgte ein Fauxpas von Brandenburgs Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU) erneut für Unmut in der Stadt.
„Reichskriegsflagge“ gezeigt
Bei einer Bikerparade am Himmelfahrtstag posierte die Rathauschefin nämlich in einem Motorrad, das deutlich erkennbar mit der so genannten „Reichskriegsflagge“ (1867–1921) geschmückt war. Ein Symbol, das (Neo)nazis gezielt verwenden um damit das Verbot des Zeigens von Kennzeichen des Nationalsozialismus zu umgehen.
Ist das mangelnde Engagement der Stadt Brandenburg an der Havel, unter Führung der derzeitigen Oberbürgermeisterin, gegen den (Neo)nazismus etwa auf klammheimliche Sympathien zurückzuführen? Ist die CDU-Frau ein Fall für den Staatsschutz?
Eigentlich hätte Tiemann einschreiten müssen. Zwar ist das Zeigen der „Reichskriegsflagge“ (1867–1921) keine Straftat, jedoch im Land Brandenburg seit 1993 eine Ordnungswidrigkeit. Die Flagge ist, so das Brandenburger Innenministeriums aus demselben Jahr, „ein Symbol neofaschistischer Anschauungen oder der Ausländerfeindlichkeit“. Sie ist deshalb durch die Ordnungsbehörden einzuziehen. (1.)
Abgesehen von diesem rechtlichen Fauxpas, trägt Frau Tiemann als Oberbürgermeisterin aber auch eine moralische Verantwortung. Ihr Stadtoberhaupt mit “Reichskriegsflagge” posieren zu sehen, weckt mit Sicherheit bei vielen Bürger_innen der Stadt ganz andere Emotionen als “Bikerromantik”.
Gedenken zum 8. Mai „unangemessen“
Ein mangelhaftes Symbolverständnis scheint aber auch im ungefähr 20 km nördlich gelegenen Premnitz zu herrschen.
Dort hatte sich zunächst ein umstrittener Bürger der Stadt mit Hilfe eines Leserbriefes in einer Regionalzeitung über die städtische Ignorierung von Gedenkveranstaltungen zum 8. Mai beschwert. (2.)
Statt den Hinweis als Chance zu nutzen, fühlte sich jedoch eine vom Premnitzer Bürgermeister Roy Wallenta (parteilos) geführte merkwürdige Allianz aus SPD, CDU und regionalem Bürgerbündnis brüskiert und versuchte das Fernbleiben der Stadt auch noch durch ein abstruses Geschichtsbild zu rechtfertigen. Der 8. Mai sei in dieser Region angeblich gar kein Tag der Tag der Befreiung, so Wallenta und seine Sympathisant_innen in einem Leserbrief, weil er „leider mit der Errichtung eines neuen totalitären Regimes verbunden war“. (3.) Deshalb sei „unter diesen Umständen“ ein Verzicht auf die „öffentliche Kranzniederlegung“ durchaus „angemessen“. (4.)
Eine schallende Ohrfeige für die Opfer des Faschismus, die zu Tausenden im Premnitzer IG Farben Werk zur Zwangsarbeit gezwungen, von den Schergen des NS Regimes geschunden und erst im Mai 1945 von der Roten Armee befreit wurden. Sind sie Schuld am DDR-Trauma der jetzigen Stadtführung?
Und was ist mit denen, die in Premnitz, von den Nazis systematisch entkräftet, ihrem Leiden erlagen oder gar ermordet wurden? Ist die Wahrung ihres Andenkens „unangemessen“?
Quellen:
(1. ) Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Abteilung Verfassungsschutz (Berlin) / Ministerium des Innern des Landes Brandenburg, Abteilung Verfassungsschutz: „Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus“, 6. Auflage, August 2010, Abschnitt 3.2. Flaggen (Seite 10–11)
(2.) Günter Degner: „Ins Vergessen geraten“ (Leserbrief), Märkische Allgemeine Zeitung, 12. Mai 2011
(3.) Roy Wallenta (Bürgermeister), Christine Milde (Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung), Hans-Joachim Maaß (Vorsitzender der SPD Fraktion), Klaus-Wolfgang Warnke (Vorsitzender der Unabhängigen Wählergemeinschaft DMP), Johannes Wolf (Vorsitzender der CDU Fraktion): „Verzicht auf Kranzniederlegung ist angemessen“ (Leserbrief), Märkische Allgemeine Zeitung, 24. Mai 2011
(4.) wie (3.)