Schwere Fehler bei den Sicherheitskräften / Scheinheiliges Verhalten der
Stadtoberen
Potsdam — Nachdem sich schon viele öffentliche Mandatsträger,
Sicherheitskräfte und Journalisten zu den Ereignissen rund um den
Neonazi-Aufmarsch am vergangenen Samstag äußerten, sieht die AK Antifa als
Mitorganisatorin der Proteste dazu gezwungen, eine eigene Auswertung des 30.
Oktober in Potsdam vorzunehmen, welche Sie hiermit erhalten.
Das Ergebnis vorweg: Die rund 1000 vorwiegend jugendlichen und
studentischen AntifaschistInnen, welche am Samstag-Vormittag die Lange
Brücke und später die Innenstadt blockierten, verhinderten den von Christian
Worch geplanten öffentlichkeits- und medienwirksamen Aufzug von
Rechtsextremen in der Potsdamer Innenstadt. Zu bedauern ist jedoch, dass der
neofaschistische Aufmarsch nicht gänzlich verhindert werden konnte.
Zu verdanken war die Durchführung der Neonazi-Demonstration auf einer
alternativen Route der Polizei. Die Sicherheitskräfte zeichnen aus unserer
Sicht auch verantwortlich für die Eskalation der Situation in der
Stadtmitte. Wären die Polizeibeamten nicht eingeschritten, als Barrieren aus
Bauzäunen auf der Langen Brücke errichtet wurden, wäre es aus unserer Sicht
weder zu Steinwürfen gegen die Sicherheitskräfte noch zu einer destruktiven
Hetzjagd auf AntifaschistInnen durch die Innenstadt gekommen. Wie bereits
aus dem Innenministerium in der Presse bestätigt wurde, haben die
Einsatzkräfte vor Ort die Situation unterschätzt – und aus unserer Sicht aus
diesem Grund zur Eskalation beigetragen.
Auch die Stadtoberen hielten sich mit Kritik an den gewaltsamen Protesten
nicht zurück und warfen den AntifaschistInnen mehrfach öffentlich vor, dass
sie für die mediale Präsenz der Rechtsextremen in der Öffentlichkeit
verantwortlich seien. Im Gegensatz zur Stadt Potsdam und Teilen des
bürgerlichen Bündnisses, hält es die AK Antifa für notwendig, öffentlich auf
Rechtsextremismus aufmerksam zu machen anstatt das Problem totzuschweigen
oder – wie von den „friedlichen Protesten“ eindrucksvoll vorgeführt – ganz
wegzuschauen. Die ewige Selbstbeweihräucherung der politischen
Verantwortlichen in dieser Stadt beim Thema Rechtsextremismus ist
scheinheilig. Anstatt der vielen Worte der bekannten Gesichter hätten wir
beispielsweise Herrn Jakobs und seine selbst mit 2.500 bezifferten
MitstreiterInnen (es waren wohl eher wenige Hundert) auf der Langen Brücke
gesehen.
Als Fazit bleibt nochmals zu konstatieren, dass es in den überregionalen und
auch ausländischen Medien ein eher positives Echo zu den Protesten gegeben
hat. Der neonazistische Aufmarsch blieb aus der Innenstadt fern und musste
auf eine größtenteils unattraktive weil wenig bewohnte Route ausweichen, auf
der sie von einigen Protestierenden auch noch lautstark begleitet wurde.
Insgesamt also ein gelungenes Zeichen gegen Rechts… und die öffentlichen
Organe fallen auf das Motto der Neonazis herein und produzieren nun
parteiübergreifend ein Klima der Angst – unter der Halluzination eines
„linken Terrors“. Anstatt die antifaschistische Gegenwehr anzuerkennen, wird
sie öffentlich denunziert und kriminalisiert. Die weitere Debatte bleibt
abzuwarten…