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Schweres Erbe einer jüdischen Siedlung

Rück­gabeanträge für 22 Grund­stücke am Rande von Cot­tbus / Eigen­tümer wehren sich / Gerichtsver­fahren laufen 

Das Bun­de­samt zur Regelung offen­er Ver­mö­gens­fra­gen und die
Ver­wal­tungs­gerichte in den neuen Bun­deslän­dern müssen sich noch immer mit
Rück­gabeanträ­gen für ehe­ma­liges jüdis­ches Ver­mö­gen befassen. Auch im
Cot­tbuser Stadt­teil Groß Gaglow block­iert ein Rück­gabe­stre­it 22 Grundstücke.
Bei­de Seit­en, Nachkom­men der früheren Besitzer und die heuti­gen Eigentümer,
fordern Gerechtigkeit. Eine Lösung des Kon­flik­tes ist nicht in Sicht. 

1930 hat­te eine «Jüdis­che Lan­dar­beits­ge­sellschaft» in Groß-Gaglow ein
ehe­ma­liges Rit­tergut erwor­ben, um es in einzel­nen Parzellen an jüdische
Siedler zu verkaufen. Die Sied­lung galt nach dem Ersten Weltkrieg als
Muster­pro­jekt für die beru­fliche Neuori­en­tierung viel­er mit­tel­los­er Juden in
Deutsch­land, darunter zahlre­iche ehe­ma­lige Frontsoldaten. 

In Gaglow sollte ein mod­ern­er Obst­bau mit Bewässerung und Kon­servierung der
Erträge entste­hen. In Jerusalem gibt es noch heute in einem Archiv darüber
Unter­la­gen mit Fotos der ersten Siedler­häuser in Groß Gaglow. 

1932 über­nah­men die jüdis­chen Siedler ihre Höfe, darunter auch der Vater von
Rein­hold Schanz­er. Doch die Machter­grei­fung der Nazis set­zte der
Auf­bauar­beit ein Ende. Ihr «Reich­serb­hofge­setz» ver­fügte, dass nur der noch
Bauer und damit Landbe­sitzer sein könne, der «deutschen oder artverwandten
Blutes» sei. Im April 1935 wur­den die jüdis­chen Siedler aus Groß Gaglow
ver­trieben. Vorher waren sie mit Aufmärschen vor ihren Häusern
eingeschüchtert worden. 

Die Eltern von Rein­hold Schanz­er gin­gen nach Berlin. Die Mut­ter starb, der
Vater wurde ins KZ deportiert und umge­bracht. Rein­hold Schanz­er, damals 14
Jahre alt, gelangte auf ein Schiff nach Palästi­na. Im Hafen von Haifa wurde
das Schiff beschossen und versenkt. Rein­hold Schanz­er kon­nte sich nur mit
dem, was er am Leibe trug, schwim­mend an Land ret­ten. Er wuchs in einem
Kib­buz auf, ging später in die USA. Kein Stück Papi­er blieb in seinem
Besitz, mit dem er heute die Gaglow­er Siedler­stelle seines Vaters nachweisen
kann. 

In das Haus der Schanz­ers in Groß Gaglow zogen 1935 die Eltern von Gerda
Schnei­der (Name geän­dert). Ihr Vater fiel kurz danach im Krieg, die Mutter
zog auf dem Hof vier Kinder müh­sam allein groß. Eine andere Siedlerstelle
bekam der Vater von Karl Homer. Er kam aus Würzburg in die Lausitz. Karl
Homer ist heute der Chef eines Groß Gaglow­er «Vere­ins der
Resti­tu­tions­bedro­ht­en» . In ihm haben sich die heuti­gen Eigen­tümer der
früher jüdis­chen Siedler­höfe zusam­menge­tan. «Die Leute kamen erst hier her,
als die jüdis­chen Siedler schon weg waren, von denen war kein­er an deren
Vertrei­bung beteiligt» , ver­sichert Homer. 

Von ein­er neuen Sied­lungs­ge­sellschaft kauften sie die Parzellen. Nur drei
der neuen Siedler seien damals aktive Nazis gewe­sen, viele andere erst Jahre
später aus Anpas­sung in die NSDAP einge­treten. «Es stimmt ein­fach nicht,
dass alle neuen Siedler Nazis waren, die selb­st an der Vertrei­bung der Juden
beteiligt waren und sich dann in deren Häuser set­zten» , so Karl Homer. 

Warten auf Entscheidung

Rein­hold Schanz­er und die Nachkom­men ander­er früher­er jüdis­ch­er Besitzer,
sowie die Claims Con­ferenz, eine Organ­i­sa­tion, die Ansprüche von
Holo­caust-Opfern ver­tritt, haben Rück­gabeanträge gestellt. Darüber wird
inzwis­chen vor Gericht gestritten. 

Eine Entschei­dung des Bun­de­samtes zur Regelung offen­er Ver­mö­gens­fra­gen über
die Ansprüche der Claims Con­ferenz liegt nach Auskun­ft von Karl Homer noch
nicht vor. 

«Ich kann abwarten» , sagt der 65-Jährige und stopft sich bedächtig die
Tabak­spfeife. Doch andere Betrof­fene haben nicht seine Gelassen­heit. «Wir
wollen endlich eine recht­skräftige Entschei­dung» , sagt Ger­da Schneider.
«Der Abwasser­an­schluss muss jet­zt bezahlt wer­den, doch wir kön­nen ja nichts
mehr am Haus machen, bevor wir nicht wis­sen, wie es weitergeht.» 

Auch Rein­hold Schanz­er will Klarheit. Er lebt, inzwis­chen hoch betagt, in
den USA und hat die Rück­über­tra­gung des Grund­stücks von Ger­da Schneider
beantragt. Das Lan­desamt zur Regelung offen­er Ver­mö­gens­fra­gen (Larov) in
Bran­den­burg hat das abgelehnt. 

Er klagt dage­gen. «Es muss fest­gestellt wer­den, dass meinem Groß­vater Unrecht ange­tan wurde, das ist eine Frage der Gerechtigkeit» , sagt der Sohn von Rein­hold Schanz­er, der kür­zlich bei einem Deutsch­landbe­such auch einen
Abstech­er nach Groß Gaglow machte. 

Auch die Nachkom­men eines anderen jüdis­chen Siedlers haben einen
abschlägi­gen Bescheid vom Larov bekom­men und sind dage­gen vor Gericht
gezogen. 

Recht­san­walt Wolf­gang Lüder ver­tritt bei­de Fälle. «Unrecht bleibt auch 70 Jahre später noch Unrecht und muss kor­rigiert wer­den» , so der Stand­punkt des Anwaltes. 

«Man kann die Schick­sale der Men­schen nicht gegeneinan­der set­zen» , warnt
Karl Homer, der Vor­sitzende des Gaglow­er Betrof­fe­nen­vere­ins. «Es geht hier
um Untat­en der Nazis, dafür müsste die Bun­desre­pub­lik ger­adeste­hen.» Doch
Homer weiß, dass es für so eine Lösung des Kon­flik­tes kein­er­lei Aussicht
gibt. 

Grund­stücke weiterverkauft

Nur gut eine Hand­voll der Grund­stücke wür­den heute noch von Nachkom­men der
dama­li­gen deutschen Siedler bewohnt. Die andern derzeit­i­gen Eigentümer
hät­ten die Häuser später gekauft, ohne Ken­nt­nis der Vorgeschichte. Weder
sie, noch die Enkel der deutschen Siedler könne man heute für das Unrecht
haft­bar machen, das die Nazis vor 70 Jahren per Gesetz an den jüdischen
Siedlern verübt hät­ten, die dadurch ihre Exis­tenz ver­loren, sagt Karl Homer. 

Viele der heuti­gen Bewohn­er der Grund­stücke seien keines­falls wohlhabend und
deshalb gar nicht in der Lage, vielle­icht eine Entschädi­gung zu zahlen,
geschweige denn, sich ein neues Haus zu bauen. In die alten Häuser hätten
sie seit Jahrzehn­ten viel Arbeit und jeden Pfen­nig Geld gesteckt. Dass die
Resti­tu­tions­be­mühun­gen der jüdis­chen Nachkom­men auch ein Kampf um moralische
Wiedergut­machung sind, kann Homer jedoch auch ver­ste­hen: «Irgend­wie ist das
schon tragisch.» 

Für ihn sei es auch ein Unter­schied, ob eine Organ­i­sa­tion wie die Claims
Con­ferenz für die frühere «Jüdis­che Sied­lungs­ge­sellschaft» Ansprüche stellt,
oder ein Nachkomme der Ver­triebe­nen. «Wenn da jemand käme, der keine
Exis­tenz hat und nicht weiß, wo er hin soll, mit dem würde ich meinen Acker
teilen» , sagt Homer. Nur das kleine Wohn­haus könne er nicht hergeben. 

In den offe­nen Ver­fahren wird um Grund­buchein­träge, eidesstattliche
Ver­sicherun­gen und teil­weise gezahlten Entschädi­gun­gen gestrit­ten. In
eini­gen Einzelfällen, so Homer, habe es indi­vidu­elle Vere­in­barun­gen gegeben.
Wenn jedoch ins­ge­samt noch eine Entschei­dung zulas­ten der heutigen
Eigen­tümer fall­en sollte, werde es sich­er zu ein­er Klage kom­men, die bis zum
Europäis­chen Gericht­shof geht, kündigt er an.

Eine Antwort auf „Schweres Erbe einer jüdischen Siedlung“

Ich bin entset­zt über das Vorge­hen der JCC gegen die Bewohn­er in Groß Gaglow.
Vorallem das Ver­hal­ten der Bun­desre­pub­lik. Altes Unrecht kann nicht durch neues Unrecht beglichen wer­den. Ich bin sel­ber ein ver­tieben­er aus Lem­berg ( Liviw) 1939.
Ich erhilt eine Entschädi­gung von 2.500.- DM von der Bundesrepublik.
Warum geht das nicht mit dem ehe­ma­li­gen jüdis­chen Eigen­tum? Hier sollte doch das Gesetz der Gle­ich­be­hand­lung greifen. Wenn es um Recht geht, dann müßen alle amerikanisch Juden den
Indianern
ihr Eigen­tum rückerstatten.
Ich ste­he voll hin­ter Ihnen.

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