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Schwieriges Gedenken


Vor 60 Jahren tagten die Siegermächte des Zweit­en Weltkriegs in Potsdamer
Schloss Cecilienhof

(Berlin­er Zeitung, Mar­tin Kles­mann) POTSDAM. Eigentlich, so dachte sich der Pots­damer Ober­bürg­er­meis­ter Jann
Jakobs (SPD), sollte die Welt im Som­mer 2005 auf die Stadt an der Havel
schauen: Die Staat­sober­häupter von Rus­s­land, den Vere­inigten Staat­en von
Ameri­ka und von Großbri­tan­nien soll­ten kom­men und den 60. Jahrestag der
Pots­damer Kon­ferenz am his­torischen Ort würdig bege­hen — wenig­stens aber
soll­ten doch die Regierungschefs kommen.

Damals vor 60 Jahren hat­ten die Siegermächte des Zweit­en Weltkriegs im
Pots­damer Schloss Cecilien­hof die €päis­che Nachkrieg­sor­d­nung festgelegt.
Der sow­jetis­che Dik­ta­tor Stal­in, die britis­chen Pre­miers Win­ston Churchill
und Clement Atlee sowie US-Präsi­dent Har­ry Tru­man bestätigten dort die
Teilung Deutsch­lands und Europas und regel­ten die Verteilung der
Ein­flusssphären in der Welt. Sie verpflichteten sich im Pots­damer Abkommen,
die Deutschen zu demokratisch geprägten Men­schen umzuerziehen und stimmten
der Vertrei­bung der Deutschen aus den Ost­ge­bi­eten zu. Außer­dem wurde
fest­gelegt, welche Repa­ra­tio­nen Deutsch­land zu leis­ten hatte.

Zu hoher Sicherheitsaufwand

Dieser jahrzehn­te­lang nach­wirk­ende Kon­ferenz also wollte die Stadt Potsdam
nun mit ein­er großen Gedenkver­anstal­tung bege­hen. “Wir hat­ten bereits
konkrete Pla­nun­gen begonnen”, heißt es aus dem Büro des Potsdamer
Ober­bürg­er­meis­ters. Doch die Pots­damer Staatskan­zlei von Ministerpräsient
Matthias Platzeck hat SPD-Ober­bürg­er­meis­ter Jakobs schließlich in einem
Gespräch klar gemacht, dass eine solch promi­nente Ver­anstal­tung der
Lan­desregierung nicht ins Konzept passe. “Wir haben ihm den Zahn ziehen
müssen”, hieß es dazu aus der Pro­tokol­labteilung der Staatskan­zlei. Eine
solche Großver­anstal­tung laufe Gefahr, eine geplante zen­trale Gedenkfeier
zum 60. Jahrestages des Kriegsendes in Berlin in den Schat­ten zu stellen.
Außer­dem hätte ein über­aus hoher Sicher­heit­saufwand betrieben wer­den müssen.
“Und die Queen war ja ger­ade schon in Cecilien­hof”, heißt es in der
Staatskan­zlei. Vor allem aber sei es schwierig gewe­sen, dem 60. Jahrestag
der Pots­damer Kon­ferenz eine aktuelle poli­tis­che Botschaft angedei­hen zu
lassen. Tat­säch­lich sei damals ja alles Mögliche hier beschlossen worden.
US-Präsi­dent Tru­man schrieb sog­ar in sein­er Vil­la an der offiziellen
Presseerk­lärung zum Atom­bomben­ab­wurf auf die japanis­chen Städte Hiroshima
und Nagasaki.

Hinzu kommt, dass die Lan­desregierung sich nicht dem Vor­wurf aus­set­zen will,
zen­trale Feier­lichkeit­en allein auf die reiche Lan­deshaupt­stadt zu
konzen­tri­eren. Deshalb räumt die Pots­damer Staatskan­zlei der vom Landkreis
Märkisch-Oder­land geplanten Gedenkver­anstal­tung zum 60. Jahrestag der
bluti­gen Schlacht um die Seelow­er Höhen große Bedeu­tung ein. Bei heftigsten
Gefecht­en zwis­chen der Wehrma­cht und der her­an­rück­enden Roten Armee waren
dort im April 1945 etwa 50 000 Sol­dat­en ums Leben gekom­men, davon allein 33
000 Rotarmis­ten. Was die Pots­damer Kon­ferenz ange­ht, soll es nun lediglich
ein wis­senschaftlich­es Sym­po­sium am his­torischen Ort in Cecilien­hof geben,
das der His­torik­er Man­fred Görtemak­er von der Uni­ver­sität Pots­dam derzeit
vor­bere­it­et. Die Tagung soll hochkarätig beset­zt sein. Die Landesregierung
bere­it­et einen Emp­fang vor. Die Stadt Pots­dam unter­stützt das Sym­po­sium und
will mit eige­nen Ver­anstal­tun­gen einen Bogen span­nen von der Zer­störung der
Pots­damer Stadt­mitte im April 1945 bis hin zu den Feier­lick­eit­en zur
deutschen Ein­heit, die in diesem Jahr in Pots­dam stat­tfind­en. Bere­its im
April soll der Grund­stein für den Wieder­auf­bau der Pots­damer Garnisonkirche
gelegt wer­den. Jene kriegs­beschädigte Kirche, in der die Nationalsozialisten
einst den Schul­ter­schluss mit dem Preußen­tum insze­niert hat­ten, war 1968 auf
Geheiß der SED-Oberen gesprengt worden.

Auch das Pots­damer Ein­stein-Forum plant für Mitte Juni eine Veranstaltung
unter dem Arbeit­sti­tel “Par­a­dig­ma Pots­dam — Wege zur Demokratie”. Der
informelle Arbeit­sti­tel lautet: “Kann man ein besiegtes Volk umerziehen?”.
Dabei soll es auch um die aktuelle Sit­u­a­tion im Irak oder in Afghanistan
nach der US-Inva­sion gehen. Und die FPD-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung
beschäftigt sich mit der Pots­damer Kon­ferenz unter dem Aspekt: Wie viele
lib­erale Ideen fan­den sich im Pots­damer Abkom­men? Die Stiftung hat ihren
Sitz in der Vil­la, in der US-Präsi­dent Tru­man einst wohnte und zur
Entspan­nung am Piano spielte.

Gedenkstätte im Erdgeschoss

Schloss Cecilien­hof, der his­torische Tagung­sort, ist baulich in einem
besseren Zus­tand als ältere Pots­damer Schlöss­er. “Nur das Dach ist durch
einen Mate­ri­alfehler in keinem allzu guten Zus­tand”, sagt Hart­mut Dorgerloh,
Gen­eraldirek­tor der Schlösser­s­tiftung. Aber es beste­he keine Gefahr. Das
Schloss wirkt wesentlich beschei­den­er als es ist: Um über das wahre Ausmaß
des Pots­damer Land­haus-Schloss­es mit seinen 176 Zim­mern hinwegzutäuschen,
wur­den die einzel­nen Baukör­p­er geschickt um mehrere Innen­höfe herum verlegt.

Im Schloss befind­en sich heute Hotel und Restau­rant, in dem die
Lan­desregierung gerne Staats­gäste empfängt. Einige Räume im Erdgeschoss sind
als Gedenkstätte “Pots­damer Kon­ferenz” ein­gerichtet wor­den. Hier ist das
Mobil­iar vom Som­mer 1945 noch erhal­ten. Im Holz getäfel­ten Konferenzsaal
befind­et sich auch noch der rundliche Kon­feren­ztisch samt den Ses­seln, auf
denen Stal­in, Tru­man und die anderen damals saßen. Die heutigen
Staat­sober­häupter wer­den darauf aber nicht Platz nehmen, auch wenn der
Pots­damer Ober­bürg­er­meis­ter sie gerne begrüßt hätte.

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