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Semesterbeiträge an der Börse

Prax­is­näher« sollte das Studi­um wer­den, mehr mit dem wirk­lichen Leben sollte es zu tun haben, fordern Poli­tik­er, Unternehmer und nicht wenige Pro­fes­soren seit Jahr und Tag. Mit gutem Beispiel voran geht die Europa-Uni­ver­sität Viad­ri­na in Frank­furt an der Oder. In einem Kurs der Wirtschaftswis­senschaften wird es dort bald zuge­hen wie im echt­en Leben. Mit der Zus­tim­mung der Uni­ver­sität­sleitung wur­den 30 000 Euro aus den Semes­ter­beiträ­gen der Studieren­den für Speku­la­tio­nen an der Börse freigegeben. 

Ein solch­er Kurs gehöre »dur­chaus zu ein­er mod­er­nen wirtschaftswis­senschaftlichen Aus­bil­dung dazu«, meint Thymi­an Busse­mer, der per­sön­liche Ref­er­ent von Gesine Schwan, der Präsi­dentin der Uni­ver­sität. Die ehe­ma­lige Kan­di­datin für das Amt des Bun­de­spräsi­den­ten sieht die Dinge ähn­lich. Dafür bedank­te sich der Vor­sitzende des Fach­schaft­srates Wirtschaftswis­senschaften, Johannes Vogel, öffentlich bei der Uni­ver­sitätsver­wal­tung, die »entschei­dend an der Umset­zung des Pro­jek­tes mit­gewirkt« habe. 

Im Dezem­ber vorigen Jahres hat­te das Studieren­den­par­la­ment ins­ge­samt 60 000 Euro für stu­den­tis­che Pro­jek­te aus­geschrieben. Als Voraus­set­zung für die Förderung galt, dass das Pro­jekt den Studieren­den zugute kom­men und »nach­haltig« sein müsse, was auch immer das bedeuten mag. Bis Ende Feb­ru­ar gin­gen beim Asta mehrere Anträge ein, darunter der Vorschlag eines Pro­jek­ts zur Finanzierung ein­er Wohn- und Begeg­nungsstätte und der Vorschlag zur Finanzierung des Wirtschaft­skurs­es »Active Port­fo­lio Man­age­ment«. In diesem Kurs soll­ten die Studieren­den ein Wert­pa­pi­er-Port­fo­lio ver­wal­ten. »Die von uns beantragten Gelder in Höhe von 30 000 Euro sollen das Grund­kap­i­tal dafür bilden«, schrieben die Antragsteller. 

Aus öffentlich zugänglichen Unter­la­gen geht her­vor, dass dieses Pro­jekt vom Fach­schaft­srat der wirtschaftswis­senschaftlichen Fakultät ini­ti­iert wurde. Diesem Gremi­um gehörte auch der Wirtschaftsstu­dent André Pod­dub­ny vom »Lib­eralen Cam­pus« an, ehe er zum Vor­sitzen­den des Asta gewählt wurde. In dieser Funk­tion wiederum war er an der Entschei­dung über die Zulas­sung der Anträge beteiligt. Dem Ein­druck, er habe sich seinen eige­nen Antrag bewil­ligt, wider­spricht er vehement. 

In seinem 20 Seit­en lan­gen Papi­er heißt es: »Der inter­na­tionale Aus­tausch, ein Kern­element unser­er Uni­ver­sität, weist ein ernst­zunehmendes Defiz­it in der Anzahl der jährlichen Incom­ing und Out­go­ing Stu­dents auf (…) An dieser Stelle set­zt unser Pro­jekt an, mit dem sich die Viad­ri­na deut­lich pro­fil­ieren könnte.« 

Katrin de Boer, eine ehe­ma­lige Abge­ord­nete des Studieren­den­par­la­ments, protestiert: »Ich finde es äußert fraglich, wie man mit einem Kurs, der nur 36 Teil­nehmer pro Semes­ter zulässt, den Studieren­de­naus­tausch wieder ins Gle­ichgewicht brin­gen kann.« Und Antje Sim­nack, eben­falls Stu­dentin der Kul­tur­wis­senschaften, ergänzt: »Wie damit Nach­haltigkeit gewährleis­tet wer­den soll, ver­mag ich nicht zu erkennen.« 

Darauf ange­sprochen, dass man nicht 30 000 Euro öffentlich­er Gelder an der Börse aus­geben müsse und stattdessen ein Plan­spiel machen könne, ver­weist Pod­dub­ny auf ein eigens zu diesem Zwecke ange­fer­tigtes Gutacht­en der Diplompsy­cholo­gin Karin Bal­tr­usch von der Uni­ver­sität Ros­tock. Anhand ein­er »Leis­tungs-Stress-Kurve« ver­sucht sie, »den Zusam­men­hang zwis­chen Erre­gung und Leis­tung« zu beweisen. »Bei einem niedri­gen Erre­gungsniveau (Spiel­geld) bleibt auch die Leis­tung ger­ing.« Anders gesagt: »Plan­spiele mit Spiel­geld bergen die Gefahr, dass die Spie­len­den auf­grund des fehlen­den Risikos neg­a­tiv­er Kon­se­quen­zen kog­ni­tiv ›aussteigen‹ kön­nen, d.h. nicht pflicht­be­wusst fühlen.« Warum also nicht lieber pflicht­be­wusst mit den Beiträ­gen der Studieren­den spekulieren? 

Am 10. Mai bekam Pod­dub­nys Port­fo­lio-Pro­jekt auch die Zus­tim­mung des Studieren­den­par­la­ments. Mit dem »real­ität­sna­hen Ler­nen durch aktives Han­deln mit Wert­pa­pieren« kön­nen sich 36 aus­gewählte Studierende nun einen Schein erwer­ben. Eventuelle Gewinne sollen zur Hälfte für »stu­di­en­rel­e­vante« Reisen und Sym­posien ver­wen­det wer­den, den Rest bekommt das Studieren­den­par­la­ment selbst. 

»Das Pro­jekt reduziert die uni­ver­sitäre Forschung und Lehre auf ihren kap­i­tal­is­tis­chen Gebrauch­swert«, sagt die Stu­dentin Antje Sim­nack besorgt. Uni­ver­sität­spräsi­dentin Schwan hinge­gen hätte es sich wohl kaum träu­men lassen, dass Studierende in solchem Maße das Konzept ein­er »Stiftung­suni­ver­sität« verin­ner­lichen würden. 

von kamil majchrzak

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