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Sie sind uns als Störer aufgefallen”

Mit rechtlich umstrit­te­nen Briefen ver­suchte die Bran­den­burg­er Polizei Atom­kraft­geg­n­er von Protesten abzuhal­ten. Grund­lage sind frag­würdi­ge Per­so­n­en­dateien. Deren Ein­rich­tung hat die Innen­min­is­terkon­ferenz beschlossen 

Im Mai 2001, als ein Cas­tor-Trans­port aus dem bran­den­bur­gis­chen Rheins­berg nach Lub­min anstand, bekam der Berlin­er Medi­zin­stu­dent Jochen Som­mer* Post vom Polizeiprä­sid­i­um Oranien­burg. Man wende sich an ihn, da er als Stör­er aufge­fall­en sei, hieß es in dem Brief. Das Schreiben endet mit dem Hin­weis, dass “alle polizeirechtlich zuläs­si­gen Maß­nah­men durchge­set­zt wer­den, um die öffentliche Sicher­heit und Ord­nung im Zusam­men­hang mit dem Cas­tor-Trans­port zu gewährleisten”.
Atom­kraftkri­tik­er Som­mer war einiger­maßen über­rascht von dem Brief. Schließlich war er noch nie in Oranien­burg gewe­sen — dafür allerd­ings zwei Monat zuvor in Gor­leben. Dort hat­te er sich während eines Cas­tor-Trans­portes mit einem Fahrrad­schloss an ein Gleis geket­tet. Nach­dem die Polizei ihn befre­it hat­te, hat­te er jedoch nichts mehr von der Sache gehört. Erst im Sep­tem­ber 2001 teilte ihm das Landgericht Lüneb­urg mit, er sei angeklagt. Später wurde das Ver­fahren gegen ein Bußgeld von 300 Euro eingestellt.
Die Vor­a­bin­for­ma­tion über den nicht verurteil­ten Gor­leben-Besuch­er hat­te die Bran­den­burg­er Polizei offen­sichtlich über eigens ein­gerichtete Com­pu­t­er­dateien erhal­ten. Kurz zuvor, im Novem­ber 2000, hat­ten die Innen­min­is­ter den Auf­bau solch­er Dateien für “poli­tisch motivierte Gewalt­täter” beschlossen. In den Aus­führungs­bes­tim­mungen dazu wer­den Auf­nah­mekri­te­rien genan­nt, darunter Delik­te wie “Wider­stand gegen Voll­streck­ungs­beamte” oder “Ver­stoß gegen das Ver­samm­lungs­ge­setz”. Die Verge­hen wer­den expliz­it auch im Zusam­men­hang mit “Nuk­leartrans­porten” genannt.
Auf der Grund­lage dieser Dateien wur­den im Vor­feld des Rheins­berg-Cas­tors so genan­nte Gefährder-Ansprachen gemacht. Die hält die Ham­burg­er Anwältin Ulrike Donat für “rechtsstaatlich höchst beden­klich”. Der Juristin der BI Lüchow-Dan­nen­berg waren im Zusam­men­hang mit Cas­tor-Trans­porten bish­er Meldeau­fla­gen, aber keine Gefährder-Ansprachen bekan­nt. Sie kri­tisiert, dass man in die “Gewalt­täter links”-Datei und eine ältere “Anticastor”-Datei bere­its bei ver­muteter “Szenezuge­hörigkeit” einge­tra­gen wer­den könne. “Es reicht aus, dreimal einen Info­s­tand anzumelden, um in die Kartei zu geraten.”
Heiko Hom­burg, Sprech­er des bran­den­bur­gis­chen Innen­min­is­ters Jörg Schön­bohm (CDU), vertei­digt das Vorge­hen beim Rheins­berg-Cas­tor. Die Bran­den­burg­er Polizei habe sich damals mit ihren Berlin­er Kol­le­gen abges­timmt. Die Gefährder-Ansprachen seien nur an eine sehr kleine Gruppe von Leuten ergan­gen. “Der geset­zestreue, rechtschaf­fene Bürg­er wird niemals in Kon­takt mit solchen Maß­nah­men kom­men”, prophezeit Homburg.
Für Som­mer ist klar, dass er sich auch in Zukun­ft von so ein­er Rhetorik nicht ein­schüchtern lässt. Er will nicht hin­nehmen, dass friedlich­er Protest als gewalt­tätig dargestellt wird. Eigentlich ist Som­mer auch ziem­lich unzufrieden mit der Berichter­stat­tung über Cas­tor-Proteste und er ist vor­sichtig gewor­den im Umgang mit der Presse. Jet­zt erzählt er seine Geschichte allerd­ings, damit sich möglichst viele Leute beim Gor­leben-Cas­tor quer­stellen. Er selb­st werde “auf jeden Fall wieder ver­suchen, zu block­ieren, aber dies­mal stelle ich mich clev­er­er dabei an”. 

* Name von der Redak­tion geändert

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