Die Schlagzeilen schreien “Justizskandal” und erschrecken die Leser mit
Rufen wie “Nazi-Braut soll Justizbeamtin werden” und “Nazi-Schlägerin wird
Knast-Wärterin”. Für einige Blätter scheint der Fall klar zu sein: Es darf
nicht sein, dass eine Frau, die 1992 an einem Anschlag auf ein
Asylbewerberheim beteiligt war, heute zur Justizvollzugsobersekretärin -
also Gefängniswärterin — ausgebildet wird. Dass eine “Nazi-Braut” nun
Nazi-Schläger bewachen soll. Doch es könnte sein, dass die Boulevardpresse
irrt — und sich der Fall Monika S. als eines der seltenen Beispiele
gelungener Resozialisierung erweist.
Sommer 1992. Im Osten ziehen junge Rechtsextremisten vor Flüchtlingsheime
und randalieren. Die Krawalle in Rostock sind der Höhepunkt. Auch die
Asylbewerberunterkunft in Lübbenau ist Angriffsziel. An einer Attacke
beteiligt sich Monika S., Mitglied der Neonazi-Organisation “Deutsche
Alternative”. Mit zwei anderen Frauen wirft sie in der Nacht zum 24. Juli
Brandflaschen auf das Heim, in dem 130 Asylbewerber leben. Der Hausmeister
und eine Polizeistreife können das Feuer rechtzeitig löschen.
Im Januar 1993 verurteilt das Kreisgericht Lübben Monika S. zu zweieinhalb
Jahren Haft. Ihre Komplizinnen kommen mit Bewährungsstrafen davon. Monika S.
verbüßt zwei Drittel ihrer Strafe und wird auf Bewährung entlassen. Während
der Haft im Gefängnis Luckau spricht sie mit dem Tagesspiegel. Monika S.
sagt hässliche Sätze über Asylbewerber. “Wenn denen was passiert, das stört
mich nicht, das sind für mich keine Menschen” und ähnliches.
Seitdem sind zehn Jahre vergangen. Was hat sich bei S. getan? 2002 erkundigt
sie sich, inzwischen Mutter von drei Kindern, bei der SPD, wie man Mitglied
wird. Allerdings meldet sich S. dann nicht mehr. In Justizkreisen heißt es,
die Frau habe sich in der Ausbildung bewährt. Und sie habe geweint, als
jetzt ihre Biographie plötzlich in die Schlagzeilen geraten ist. Dabei hat
Monika S. von ihrem Arbeitgeber, dem Justizministerium, nichts zu
befürchten. Der Behörde ist die Vergangenheit von Monika S. schon bekannt.
Im April 2002 hat S. ihre Ausbildung begonnen. Warum die Frau ins Gefängnis
zurückwill, diesmal als Wärterin, ist unklar. Monika S. war gestern für den
Tagesspiegel nicht zu erreichen. Kurze Zeit nach Beginn ihrer Ausbildung hat
es Ärger gegeben: Bei einem Praktikum in der JVA Cottbus wird S. von Wärtern
wiedererkannt, die einst in Luckau Dienst hatten. Das Brandenburger
Justizministerium befasst sich mit dem Fall und kommt zu dem Schluss, dass
es keinen Grund gibt, S. zu entlassen. Sie gilt als “engagiert”, wird
überprüft und besteht im November einen Persönlichkeitstest.
Es gebe keinen Skandal, sagt Ministeriumssprecherin Petra Marx. Vielmehr
handele es sich um einen “gelungenen Fall der Resozialisierung”. Und die
Fortsetzung der beruflichen Laufbahn von Monika S. “hängt nicht vom Geschrei
der Boulevardpresse ab”.