(FRED HASSELMANN) BELZIG Die 16-jährige vietnamesische Schülerin, die bis Freitag ins Belziger Fläming-Gymnasium ging und bislang bei einer Pflegefamilie in Wiesenburg gewohnt hat, ist gemeinsam mit ihrem 13-jährigen Bruder in der bekannten Jugendeinrichtung “Alreju — Allein reisende jugendliche Flüchtlinge” in Fürstenwalde untergebracht worden. Dort werden pro Jahr etwa 45 “unbegleitete minderjährige Flüchtlinge”, wie sie offiziell genannt werden, bis zu ihrer Volljährigkeit in dem Jugendprojekt der Diakonie betreut.
Der Beitrag “Abschied mit Tränen”, MAZ vom 22. Januar, hatte bei den Lesern ein starkes Echo ausgelöst. So wurde unter anderem Unverständnis darüber geäußert, weshalb sich offenbar kein Weg für einen Aufschub bis zum Schuljahresende finden ließ. “Viele Eltern und Großeltern freuen sich über einen Ausbildungsplatz ihrer Kindern in den alten Bundesländern und sind doch zugleich in Sorge, wie es in der neuen Umgebung zugehen mag. Sie hoffen auf ein gutes Umfeld. Darauf können wir auch für dieses vietnamesische Mädchen nur hoffen, was sich hier bisher offensichtlich wohlgefühlt und ein sehr gutes Zeugnis hat”, schreibt Rentnerin Elfriede Spitzner aus Treuenbrietzen.
Annemarie Schmidt aus Belzig fragt sich besorgt: “Haben sie wirklich die beste Lösung gefunden, wenn die Schülerin durch die Umsetzung in eine fremde Umgebung und neue Schulverhältnisse zweifellos in ihren Prüfungen benachteiligt ist?” Und Ingeborg Grauel aus Belzig will in ihrer Zuschrift wissen: “Weshalb diese Heimlichtuerei? Warum werden Pflegeeltern abgelehnt, die Einwände des Schuldirektors, der Mitschüler und des Schulsprechers überhört?”
Erstmals hat gestern das Jugendamt der Kreisverwaltung Potsdam-Mittelmark offiziell Stellung zu dem Fall genommen. Wie Amtsleiter Bodo Rudolph gegenüber der MAZ erklärte, sei das Bleiberecht der beiden jungen Vietnamesen nicht mehr gesichert gewesen, nachdem eine geplante Adoption aus verschiedenen Gründen nicht zu Stande gekommen sei. “Ihre ′Duldung′ lief am 24. Januar 2005 aus. Deshalb mussten kurzfristig Entscheidungen getroffen werden, die vordringlich dem Ziel dienten, das Bleiberecht zu sichern”, betont Rudolph.
Nach seiner Darstellung sei vor wenigen Tagen eine Lösung für die Kinder vorbereitet worden. “Doch dazu müssen die leiblichen Eltern, deren Aufenthalt in Vietnam derzeit nicht bekannt ist, ihre Zustimmung gegenüber dem zuständigen deutschen Gericht erteilen”, heißt es in der Erklärung des Jugendamtes.
Für Rudolph ist die Unterbringung der beiden vietnamesischen Kinder in einem speziellen Heim des Landes Brandenburg die bestmögliche Lösung. Er begründete die bisherige Zurückhaltung mit Informationen gegenüber der öffentlichkeit mit dem “Sozialdatenschutz” der Minderjährigen sowie dem “laufenden Verfahren”, aus dem Details nicht genannt werden dürften.
Zudem sei es in diesem Fall zuerst um die Klärung ausländerrechtlicher Fragen und erst nachrangig um die schulischen Belange der Betroffenen gegangen. Rudolph sprach von einer “komplizierten Angelegenheit”, betonte allerdings, dass die Verwaltung des Jugendamtes “unbürokratisch und schnell” gemeinsam mit der Ausländerbehörde das Bleiberecht sichern konnte. Er kündigte an, dass das Jugendamt nun alle Anstrengungen unternehmen werde, ein Adoptionsverfahren mit nahen Verwandten der beiden Geschwister in Berlin zum erfolgreichen Abschluss zu bringen.
Unterdessen hat die PDS-Kreistagsabgeordnete Astrit Rabinowitsch, Vorsitzende des Sozialausschusses, angekündigt, auf der nächsten Sitzung des Kreistages eine offizielle Anfrage zu dem Fall zu stellen. Sie hatte verwundert auf die bisherigen Informationen reagiert. “Denn eigentlich ist es offizielle Strategie im Land Brandenburg, betroffene Kinder zu Pflegeeltern statt in Heime zu bringen”, sagt Rabinowitsch.