POTSDAM Die Landesausländerbeauftragte Almuth Berger hofft auf ein Einlenken des Sozialministeriums im Streit um Bargeldzahlungen an Asylbewerber. Die Stadt Potsdam hat als erste Kommune im Land seit Monatsbeginn Sachgutscheine für Flüchtlinge komplett abgeschafft. Stattdessen wird nur noch Bargeld ausgezahlt. Der Vorstoß hat das Sozialministerium in dieser Woche zu einem Runderlass veranlasst, der alle Städte und Kreise auffordert, weiterhin Gutscheine auszuhändigen, wenn Asylbewerber seit weniger als drei Jahren hier leben.
Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hat sich bereits für die Beibehaltung des neuen Systems ausgesprochen. Die zuständige Fachbereichsleiterin Bärbel Eichenmüller hat eine rechtliche Prüfung angekündigt. Die Stadt wolle Möglichkeiten finden, an der Bargeldzahlung festzuhalten. Almuth Berger hält den Potsdamer Weg für rechtlich möglich. Das sei eine Frage der Auslegung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Berlin, Hamburg, Bremen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern würden genauso verfahren. “Ich würde mir wünschen, dass das Sozialministerium diesen Weg mitgeht”, so Berger zur MAZ.
Unverständnis löste der Erlass bei der Volksinitiative zur Überwindung des Sachleistungsprinzips im Land Brandenburg aus. Gerade hatte man sich über die erste Abschaffung der umstrittenen Gutscheinregelung gefreut. In einem offenen Brief an Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) verlangt die Initiative nun eine Klarstellung. Das Sozialministerium weise die Kommunen nämlich nicht auf ihre gesetzlichen Spielräume hin. Im Runderlass fehle der Hinweis, dass vom Prinzip der Gutscheinzahlung bei besonderen Umständen abgewichen werden kann. Die Initiative führt als Begründung die Diskriminierung der Asylbewerber bei der Zahlung mit Gutscheinen an, die nur in bestimmten Geschäften eingelöst werden können. Häufig würden Gutscheine auf dem Schwarzmarkt gegen Bares eingetauscht — für die Hälfte ihres Werts. Bargeldzahlungen würden die Lebenssituation von Flüchtlingen verbessern, sagt Almuth Berger. Dies sei somit ein Beitrag zum Abbau der Fremdenfeindlichkeit. Auch die Arbeitsgruppe für ein Landesintegrationskonzept spreche sich für die Abschaffung der Gutscheine aus.
Die Kommunen führen zudem finanzielle Gründe an. In Potsdam kostete allein das Drucken der Gutscheine jeden Monat 600 Euro. Auch der Verwaltungsaufwand ist jetzt geringer. Vom Land werden die Kommunen jeweils nur mit Pauschalen entschädigt.
Nach Angaben des Sozialministeriums wird in etwa der Hälfte der märkischen Kommunen Bargeld an Asylbewerber gezahlt, die seit mehr als drei Jahren hier leben. Die übrigen Kreise beschränken sich auf Gutscheine. Für Flüchtlinge, die weniger als drei Jahre hier leben, gilt der “Vorrang der Sachleistung”, so Sozialministeriumssprecherin Claudia Szczes. Die kreisfreien Städte Potsdam, Brandenburg und Cottbus sowie die Kreise Potsdam-Mittelmark, Uckermark, Dahme-Spreewald und Oberspreewald-Lausitz hatten im vergangenen Jahr die Initiative zur Abschaffung des Gutscheinsystems ergriffen. In Brandenburg/Havel wird eine Änderung noch geprüft. Die Stadt Cottbus zahlt an fast 80 Prozent ihrer Asylbewerber schon seit über einem Jahr Bargeld. Lediglich Neuankömmlinge erhalten noch Gutscheine, so der Sprecher der Stadt Cottbus, Peter Lewandrowski.
Umstrittene Gutscheine
Die Gutscheinregelung wurde 1994 unter der damaligen Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) eingeführt. Kirchen und Flüchtlingsorganisationen hatten seither gegen den Erlass protestiert. “Eigentlich gab es nie Gründe für die Gutscheine”, sagt Lutz Boede von der Volksinitiative zur Überwindung des Sachleistungsprinzips. Die erhoffte Abschreckung für Flüchtlinge, nicht hierher zu kommen, seien sie Gutscheine nicht gewesen, sagt Boede. In Potsdam erhalten die 503 Asylbewerber jetzt zwischen 199 und 280 Euro. Der Wert orientiert sich an der Sozialhilfe.