LUCKENWALDE Seit sechs Jahren wird Nico Z. immer wieder von einer Frage eingeholt: “Warum war ich ausgerechnet an diesem Tag dort an der Tankstelle?” Dieser Tag — das war der 30. September 1996, an dem zwei italienische Bauarbeiter nahe der Trebbiner Elf-Tankstelle von enthemmten Jugendlichen krankenhausreif geschlagen wurden. Einer von ihnen war Nico Z., damals 16 Jahre jung und heute, nach abgeschlossener Ausbildung, voller Elan in seinem Wunschberuf tätig.
Neben dem durchtrainierten jungen Mann, der offen auf alle Fragen antwortet, wirkt der zweite Angeklagte, der schmächtige Karsten H. (26), abwartend und verschlossen. Er war damals in der gewaltbereiten Trebbiner Szene ein Mitläufer-Typ, der im nüchternen Zustand wenig Selbstbewusstsein hatte. Zu dem Vorwurf, mit einem bereits verurteilten Kumpanen einen am Boden liegenden Italiener geschlagen zu haben, äußert er sich nicht.
Nico Z. beschreibt dagegen bereitwillig den Verlauf jenes unseligen Abends aus seiner Sicht. Doch dabei springen Ungereimtheiten ins Auge. So gibt er zu, nach seinem zufälligen Auftauchen bei der Gruppe an der Tankstelle extra nach Hause gefahren zu sein, um zwei Baseballschläger zu holen. Er hatte damals eine Wut gegen die Italiener im Bauch, denn die hätten wenige Tage zuvor seine damalige Freundin “angemacht”, erinnert sich Nico Z. vor Gericht.
Warum er dann bei der Hetzjagd quer übers Feld aber die “Keulen” einfach weggeworfen haben will, kann er nicht glaubhaft erklären. Der Hauptbelastungszeuge Jan Weicht, der 1997 für seinen Anteil an der Gewaltorgie zu 15 Jahren Freiheitsentzug verurteilt wurde, schildert die Vorgänge anders. Er habe Nico Z. gesehen, wie er mit dem Schläger oder einem Knüppel auf einen der Italiener eingeschlagen habe, versichert Weicht. Und auch für die Tat von Karsten H. liefert seine Schilderung den entscheidenden Beweis.
Mehr verwertbare Zeugenaussagen stehen dem Gericht, ähnlich wie bei den im September vorangegangenen Verhandlungen, nicht zur Verfügung. Einer der Vorgeladenen entschuldigt sich wegen einer Magen-Darm-Infektion. “Dieser Gerichts-Virus scheint ja in Trebbin öfter zu grassieren”, kommentiert der Richter die zum wiederholten Male vorgebrachte Ausrede.
Doch die Schuld der Angeklagten ist für das Gericht ohnehin erwiesen, und es urteilt in beiden Fällen nach Jugendstrafrecht. Karsten W. erhält eine Verwarnung und muss gemeinnützige Arbeit leisten. Er hat von einer früheren Strafe noch ein Schuldkonto von 30 Stunden. “Arbeit mag er offenbar nicht”, begründet der Richter die Auflage. Eine Geldstrafe wäre der Situation des Arbeitslosen nicht angemessen.
Die Verwarnung für Nico Z. wird mit einem Bußgeld von 1800 Euro gewürzt, das einer gemeinnützigen Organisation zugute kommt. Die Reue des jungen Mannes wirkt glaubhaft, die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit hat er noch nicht beendet. “Ich war nie ein Rechtsradikaler”, beteuert er im Gerichtssaal. Der Richter hält dagegen: “Sie haben bei einer Hetzjagd auf Ausländer mitgemacht und auch mitgeprügelt — wenn das kein Rechtsradikalismus ist!”