Spekulation und Vermutung
Nachdem die Behörden in diesem Jahr in Potsdam und Berlin bereits verstärkt gegen die linke Szene und antifaschistische Gruppen Antifa vorgegangen waren, wird nun ein weiterer Fall bekannt – diesmal aus der deutsch-polnischen Grenzstadt Frankfurt (Oder).
Die linke Szene in Frankfurt (Oder) hat Ärger. Gestern veröffentlichte die linke Rechtshilfeorganisation Rote Hilfe e.V., dass es in der Szene offenbar einen Informanten oder eine Informantin gibt, die einzelne Personen in einem Fall von Brandstiftung schwer belastet haben soll. Der Umfang der Aussagen sei noch nicht abschätzbar, erklärt Sebastian Fechner, der Sprecher der »Soligruppe Frankfurt«. Die Gruppe, die die von der Verfolgung Betroffenen unterstützt, vermutet: »Offenbar geht es den Behörden um eine akribische Durchleuchtung und Diffamierung der linken Szene Frankfurts.«
Hintergrund der Untersuchungen ist, dass in der Nacht vom 5. auf den 6. September 2004 der Wahlkampfbus des brandenburgischen Wirtschaftsministers Ulrich Junghanns (CDU) abbrannte. Die Abteilung Staatsschutz des Landeskriminalamtes in Eberswalde hat die Ermittlungen übernommen. Der Fall sei ihr von der Staatsanwaltschaft zugewiesen worden, »weil es sich um eine politisch motivierte Tat handelte«, sagt Toralf Reinhard, der Pressesprecher des Brandenburger LKA.
Die linke Szene in Frankfurt (Oder) sieht sich seit gut eineinhalb Jahren hohem Druck durch die Strafverfolgungsbehörden ausgesetzt. Die Rote Hilfe dazu: »Die Polizei hat insgesamt etwa 30 Sachverhalte aus den letzten drei Jahren, überwiegend Sachbeschädigungen, zum Anlass genommen, um gegen offenbar willkürlich ausgewählte Personen vorzugehen und diese mit verschiedensten Ermittlungsmethoden einzuschüchtern. Was diese Personen verdächtig macht, bleibt bis heute ein Geheimnis der Ermittlungsbehörden.«
Die Ermittlungen beruhten im Wesentlichen auf Spekulationen und Vermutungen. Es habe gut 30 Verfahren gegen eine Person gegeben, die aber größtenteils eingestellt worden seien, erzählt auch die Anwältin eines der Beschuldigten. Grund für das Vorgehen gegen ihren Mandanten sei die Aussage eines Zeugen gewesen, der gesagt habe: »Ich vermute, er könnte es gewesen sein.« Dies sei dann Grundlage in 14 Verfahren gewesen, die sich gegen drei weitere Personen richteten. Nach Angaben der Roten Hilfe habe dass Landgericht in Frankfurt (Oder) erkannt, dass das Ziel einer vom Amtsgericht abgesegneten Hausdurchsuchung »offenbar die Suche nach Zufallsfunden gewesen sei« und diese für rechtswidrig erklärt.
Dass im aktuellen Fall ein Informant bzw. eine Informantin im Spiel ist, sei durch Akteneinsicht bekannt geworden, erzählt die Anwältin. Das LKA mache dazu »aus grundsätzlichen Erwägungen« keine Aussage, sagt Reinhard. Auf die Frage, inwieweit die Bundesanwaltschaft in die Ermittlungen einbezogen sei, antwortete er, dass dort »die Aktenlage zur Verfügung stehe«, weil geprüft würde, ob ein »die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts tangierender Vorfall« vorliegt. Bisher sei dies jedoch nicht der Fall. Auch sei es bisher nicht gelungen überhaupt einen Tatverdacht gegen eine Person zu erhärten.