Potsdam — Die V‑Mann-Affäre, die laut Parlamentarischer
Kontrollkommission
(PKK) keine ist und von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) seit voriger
Woche
als “vollständig aufgeklärt” eingestuft wird, sorgt in Potsdamer
Regierungskreisen weiter für Unruhe. In der Staatskanzlei wird
gemutmaßt, dass die in der
Kommission vertretenen Parlamentarier von SPD, CDU und PDS den Fall des
V‑Mannes, der einen Neonazi in einem abgehörten Telefonat vor einer
anstehenden
Razzia warnte, allzu vorschnell für weitgehend beendet erklärt haben.
Der Kommissions-Vorsitzende Christoph Schulze (SPD) hatte nach der mehr
als
vierstündigen Sitzung erklärt, es gebe keine V‑Mann-Affäre, was auch in
der
eigenen Fraktion für Verwunderung sorgte. Denn nach Bekanntwerden des
Falls
hatte Schulze sogar damit gedroht, seinen Vorsitz niederzulegen, sollte
Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin die Kommission nicht über den
brisanten Verrat
informiert haben. Anschließend gab er sich mit der Entschuldigung von
Wegesin
zufrieden, der diese Panne einräumte.
Seit vergangener Woche schieben sich die Behörden nun gegenseitig den
schwarzen Peter zu. Der Generalbundesstaatsanwalt dementiert die
Potsdamer Version,
über den Verrat der Razzia rechtzeitig informiert gewesen zu sein. Und
das
Verfassungsschutzamt und das Landeskriminalamt müssen sich fragen
lassen,
weshalb der V‑Mann erst 18 Monate nach dem Verrat abgeschaltet wurde
und die
Staatsanwaltschaft nicht sofort wegen Geheimnisverrats ermittelte.
Laut Nachrichtenmagazin Focus soll sich Wegesin nachdrücklich für den
Schutz
des Spitzels eingesetzt haben. Deshalb will die Staatsanwaltschaft
Potsdam
dem Vorwurf der Vertuschung durch Polizei oder Verfassungsschutz
nachgehen,
falls das Innenministerium die Ermittlung genehmigt. Da zu der
Vorgehensweise
der Sicherheitsbehörden unterschiedliche Varianten vorliegen, sei es
zum
gegenwärtigen Zeitpunkt verfrüht, “irgendwelche Schlussfolgerungen” zu
ziehen,
schränkte ihr Sprecher Ralf Roggenbuck gestern ein.