(Berliner Zeitung, Jens Blankennagel) BERNAU. Den Fensterrahmen hat es aus der Wand gedrückt. Das Doppelglas ist geborsten, ebenso das steinerne Fensterbrett. Der materielle Schaden am Jugendclub Dosto mitten in Bernau ist nicht groß, verletzt wurde am Sonntag bei dem Anschlag mit einem Sprengsatz auch niemand — und doch ermittelt der für politisch motivierte Taten zuständige Staatsschutz. Denn die Auseinandersetzungen um die Zukunft des “linken” Jugendclubs haben mit der Explosion eine neue Dimension erreicht.
DVU-Politiker demonstrierte mit
“Wir vermuten, dass mehrere pyrotechnische Erzeugnisse explodiert sind”, sagte der Sprecher des Polizeipräsidiums Frankfurt (Oder), Roland Kamenz. “Es gibt aber keine Spuren für einen selbstgebauten Sprengsatz.” Die Ermittler vermuten einen Zusammenhang mit der Demonstration des “Nationalen Bündnisses Preußen” am Sonnabendmorgen: 45 Rechtsextremisten waren aufmarschiert, weil die Stadt 250 000 Euro bereitstellen will, damit das marode “Dosto” ein neues Domizil bekommt. Nach Polizeiangaben demonstrierte auch der DVU-Kreischef für Barnim, Oberhavel und Uckermark, Klaus-Dieter Mann, mit. Auch eine Fahne der DVU wurde geschwenkt. Bei der Gegendemo des “Netzwerks für Toleranz” beteiligten sich neben 150 Bernauern auch die PDS-Landespolitiker Dagmar Enkelmann und Ralf Christoffers.
Zu einer weiteren Auseinandersetzung war die Polizei am Sonnabendmorgen zum Strausberger Club “Horte” gerufen worden. Sechs angeblich stadtbekannte Rechtsradikale — unter ihnen der Sohn der DVU-Politikerin Liane Hesselbarth — wollten in dem linken Club angeblich nur Bier trinken, wurden aber des Hauses verwiesen. Dann eskalierte die Situation. Die Linken sagen, die Neonazis wollten provozieren, ein Neonazi habe mit einem Hammer zugeschlagen. Die Rechten behaupten, sie wurden mit Baseball-Schlägern vertrieben — einer musste ins Krankenhaus.
Brandenburgs DGB-Chef Dieter Scholz forderte am Montag ein entschlossenes Vorgehen gegen rechtsextremistischen Terror. Der Sprengsatz in Bernau zeige “eine neue Qualität politischen Handelns rechter Gruppierungen”. Er forderte einen besseren Schutz von Einrichtungen vor rechtsextremen Tätern.
Das “Dosto” — Kurzform des russischen Wortes für Sehenswürdigkeit — befindet sich in einer Baracke, die sich Jugendliche nach der Wende als Club eingerichtet hatten. Inzwischen ist das Dach undicht und die Stadt will bis März eine neue Bleibe suchen und mit 250 000 Euro finanzieren. “Wenn der Stadt dieser Club nicht wichtig wäre, würde sie nicht so viel Geld in Aussicht stellen”, sagte Eva Maria Rebs von der Stadtverwaltung. Als der Neonazi-Aufmarsch bekannt wurde, trafen sich die Fraktionschefs des Stadtparlaments und riefen mit zur Gegendemo auf. “Wir wollen die Rechten nicht in der Stadt haben und setzen dabei auf ein breites Bündnis und nicht auf Aktionismus”, sagte sie.
Seit Monaten kursieren in der Stadt Aufkleber und Flugblätter gegen den Club. Darauf stand: “Das Dosto abbrennen” oder “Für Chaoten kein Geld”. “Der Anschlag mit dem Sprengsatz zeigt, dass es nicht mehr nur um eine politische Auseinandersetzung bei Demonstrationen geht”, sagte der Dosto-Sozialarbeiter Knut-Sören Steinkopf. “Nun besteht auch eine Gefahr für unsere Gesundheit und unser Leben.”
Steinkopf zieht Parallelen zur Polemik von Neonazis gegen Asylbewerber. “Wenn die propagandistische Hetze lange genug andauert, schlägt sie irgendwann in Gewalt um und es gibt Tote.”