Kampagne gegen drohenden Einzug von Neonazis in Stadt- und Bezirksparlamente Brandenburgs. Gespräch mit Kim Sommer
Kim Sommer ist Pressesprecherin der Kampagne »Keine Stimme den Nazis«, mit der ein Bündnis aus knapp 40 antifaschistischen Initiativen, gewerkschaftlichen Gruppen und Parteijugendverbänden gegen den drohenden Einzug von Neonazis in Stadt- und Bezirksparlamente bei den Kommunalwahlen in Brandenburg mobil macht. Infos im Internet: keinestimmedennazis.de
Ende September sind Kommunalwahlen in Brandenburg. Welche Ziele hat sich die NPD gesteckt?
Die NPD will flächendeckend antreten und in möglichst viele Kreistage und Stadtverordnetenversammlungen einziehen.
Wie realistisch ist das?
Momentan ist die NPD in drei Kreisparlamenten in Brandenburg vertreten. Allerdings verfügt die Partei flächendeckend noch über keine festen und dauerhaften Strukturen. Ihr fehlt es außerdem an brauchbaren Kandidaten, die sie in den Wahlkampf schicken könnte. Allerdings setzen die Verantwortlichen derzeit alles daran, diese Defizite wettzumachen.
Wie gehen die Neonazis dabei vor?
Es wird versucht, Anschluß an die Bevölkerung zu finden. Dazu wird ganz gezielt die Zusammenarbeit mit Bürgerinitiativen und Vereinen gesucht. Darin engagieren sie sich dann zum Beispiel für die Sanierung einer Straße und verpassen sich damit ein Image von Bürgernähe. Das geschieht auch mit Aktivitäten wie der Veranstaltung von Kinderfesten oder der Verteilung von Schülerzeitungen. Um die Leute nicht zu verschrecken, halten die Repräsentanten mit ihrer menschenverachtenden Ideologie hinterm Berg. Sie verbreiten aber billige Klischees über Migranten, knüpfen an bestehende Rassismen in der Bevölkerung an oder verkaufen sich als Alternative zum Sozialabbau. Wofür die NPD wirklich steht – für nationalistischen Wahn, Antisemitismus, Rassismus, verquere Kapitalismuskritik, Führerkult und Homophobie –, offenbart erst ein Blick in Programm und Parteizeitung.
Wie involviert sind bei alledem die »Freien Kameradschaften«?
Wo immer die NPD in Brandenburg in Erscheinung tritt – ob bei den seit einiger Zeit vermehrten Kundgebungen, rund um Infotische oder auf Aufmärschen – stehen ihr gewalttätige Neonazis aus dem Spektrum der »Freien Kameradschaften« tatkräftig zur Seite. Wie überall in Ostdeutschland sind Partei und »Kameradschaften« personell und organisatorisch eng verbunden.
In Brandenburg ist seit neun Jahren die Deutsche Volksunion (DVU) im Landtag vertreten. Machen die Rechtsparteien zur Kommunalwahl gemeinsame Sache?
Der sogenannte Deutschlandpakt zwischen NPD und DVU, also die Abmachung, bei Wahlen nicht zu konkurrieren, hat bei dieser wie schon bei der vorhergehenden Kommunalwahl keine Geltung. Wir gehen davon aus, daß die NPD die Abstimmung auch als Testlauf für die brandenburgische Landtagswahl im nächsten Jahr ansieht. Sollte sie im September gut abschneiden, wird sie mit Sicherheit auch 2009 gegen die DVU antreten, in der Hoffnung, ihre Erfolge in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern zu wiederholen.
Ist die Bevölkerung in Brandenburg besonders empfänglich für rechte Propaganda, oder warum initiieren Sie gerade hier eine Gegenkampagne?
Laut einer Emnid-Umfrage können sich zwölf Prozent der 18- bis 29jährigen vorstellen, die NPD zu wählen. Brandenburg ist eines der Bundesländer mit den meisten rassistischen Übergriffen. Vor allem in ländlichen Regionen existiert eine stabile rechte Szene mit einer Infrastruktur aus Bands, Läden und Modelabels. Die Landesregierung kommt ihren Aufgaben, etwa die Jugendarbeit in allen Landesteilen entsprechend auszufinanzieren, immer weniger nach, und dieses Vakuum wird von der extremen Rechten genutzt. Es gibt immer mehr »NoGo-Areas« für Menschen, die deren Feindbild entsprechen.
Erhalten Sie bei Ihrer Kampagne Unterstützung seitens der großen Parteien?
Unsere Kampagne wird ganz bewußt ohne die großen Parteien durchgeführt, weil wir uns nicht zu Wahlkampfzwecken instrumentalisieren lassen wollen. Teil des Bündnisses sind deshalb nur die parteinahen Jugendverbände wie die Jusos, die Grüne Jugend und [‘solid], aber nicht die Mutterparteien.
Was haben Sie sich vorgenommen?
Wir planen eine Konzerttour durch Brandenburg. Daneben wird es Informations- und Bildungsveranstaltungen in zahlreichen Städten und Dörfern geben, außerdem verschiedene Kundgebungen und Demonstrationen, sowie diverse Materialien zum Verteilen, Kleben etc.