(Junge Welt, Christoph Schulze) Wie reagiert man auf einen Neonaziangriff von solch ungeheuerlicher Brutalität, wie er sich Anfang Juni im brandenburgischen Frankfurt/Oder ereignete? »Zumindest darf man nicht einfach schweigen, wie es die Stadtrepräsentanten tun«, sagte eine Frankfurterin, die am Freitag abend an der antifaschistischen Demonstration in der Stadt teilnahm. Insgesamt gingen rund 350 Menschen, zumeist autonome Antifaschisten aus Brandenburg und Berlin, auf die Straße, um gegen Gewalt von rechts zu protestieren.
Die Tat, die den Anlaß zur Demo gab, war auch für brandenburgische Verhältnisse ungewöhnlich grausam: Stundenlang war Gunnar S. von fünf Rechten gefoltert worden, nachdem sie ihn auf offener Straße im Frankfurter Plattenbau-Stadtteil Neubeserinchen entführt hatten. Der 32jährige wurde geschlagen, Zigaretten wurden auf seiner Haut ausgedrückt, er wurde gezwungen, Vogelkot zu essen, man vergewaltigte ihn mit einem Besenstiel. Nachdem Gunnar S. gefunden wurde, mußten ihn die Ärzte zeitweise in ein künstliches Koma versetzen, so schlimm waren seine Schmerzen. Immer noch ist einer der Tatverdächtigen, der Neonazi Ronny Brettin, flüchtig. Das Motiv ist weiterhin unklar. Fest steht, daß Gunnar S. früher der Frankfurter Punkszene angehörte und seine Peiniger stadtbekannte Rechtsextreme sind. Schon 2003 war ein ehemaliger Punk in Frankfurt von Rechten überfallen und gefoltert worden. Das Opfer starb.
Gleich zu Beginn der Demonstration am Freitag kam es zu Provokationen durch Rechte und bald darauf zu Rangeleien mit der Polizei. Die Ordnungshüter hatten schon im Vorfeld klargemacht, daß sie von dem Antifa-Aufzug nichts hielten. In Redebeiträgen warfen die Antifas der Stadt Ignoranz im Umgang mit rechter Gewalt vor. So würden die rechten Umtriebe, etwa die rassistischen Angriffe in der Nähe der Diskothek »B5«, kaum thematisiert.
Am Sonnabend gab es im südbrandenburgischen Finsterwalde eine weitere Demonstration von rund 200 Antifas, die mit der Forderung »Linke Freiräume schaffen!« antraten. Alternative Kultur sei notwendig, um den Rechten Einhalt zu gebieten. Südbrandenburg ist seit Jahren als Rückzugsgebiet für Rechte bekannt. Offenbar setzt die Brandenburger Antifa generell verstärkt auf Demonstrationen als politisches Mittel. Waren es sonst um die fünf Kundgebungen jährlich, so gab es 2004 bis jetzt schon zehn. Weitere sechs sind bis zum Jahresende geplant. Bedenklich nur, daß zeitgleich mit der Finsterwalder Demonstration in Wittstock Neonazis ungestört zu Ehren des Nazikriegsverbrechers Rudolf Heß aufmarschierten.