(Prenzlauer Zeitung, Claudia Marsal) Quasi offene Türen eingerannt haben die Vertreter der
Flüchtlingsinitiative Prenzlau sowie der Vereine “Pfeffer und Salz” Angermünde
und PUKK Schwedt in dieser Woche mit ihrem “Offenen Brief an die politisch
Verantwortlichen in der Uckermark”.
In dem Schreiben forderten die Sprecher Bethy Muriuthi, Jans Tangermann und
Christin Meile den Landkreis auf, umgehend die politischen und rechtlichen
Rahmenbedingungen zur vorbehaltlosen Auszahlung von Bargeld an die hier
lebenden Asylbewerber zu schaffen.
Selbiges sei zu Wochenbeginn geschehen, versicherte
Uckermark-Sozialdezernentin Marita Rudick auf Nachfrage.
Prompt reagiert
Man habe so prompt auf die am 7. Januar 2003 überraschend erfolgte Aufhebung
des Runderlasses zur Festlegung auf das Sachleistungsprinzip bei der
Versorgung von Asylbewerbern durch das Landeskabinett reagieren können, weil
sich der Kreistag bereits vor über einem Jahr gegen die bisher praktizierte
Wertgutschein-Praxis ausgesprochen hatte.
“Es war somit klar, was politischer Wille der Abgeordneten ist. Ich habe
demzufolge das Sozialamt gebeten, umgehend die Umstellung von Sach- auf
Bargeldleistungen vorzunehmen, alle vertraglichen und organisatorischen Fragen
schnell zu klären und gehe davon aus, dass das bereits ab Februar greift”,
führte Marita Rudick weiter aus.
Nur Taschengeld
Allerdings nur für den dafür in Frage kommenden Personenkreis, sprich
Asylbewerber, die bereits länger als drei Jahre in Deutschland sind, schränkte
die Dezernentin ein.
Das werde zirka ein Viertel der hier lebenden Frauen, Männer und Kinder
betreffen, rechnete sie auf Bitten des Uckermark Kurier hoch.
Alle übrigen fielen auch weiterhin unter das per Gesetz festgeschriebene
Sozialhilfe-Sachleistungsprinzip.
Selbiges regelt bislang noch bei allen Asylbewerbern, dass lediglich das
Taschengeld — im Schnitt 41,40 Euro pro Person/Monat — bar ausgezahlt wird.
“Die Sachleistungen werden bis dato ausschließlich in Form von Wertgutscheinen
— durchschnittlich 158 Euro — gewährt”, war dazu gestern bei Mitarbeiter
Eberhard Munzel im Asylbewerberheim Prenzlau zu erfahren.
Er rechne damit, dass sich der Ausgabemodus — das Sozialamt kommt an zwei
Zahltagen im Monat ins Heim — jetzt um ein Vielfaches vereinfachen werde und
freue er sich für die Asylbewerber, dass erneut ein Etappensieg errungen
werden konnte.
Massive Proteste hätten bereits im Jahr 1997 dazu geführt, dass die
Versorgungsmagazine der Heime aufgelöst wurden und sich die Asylbewerber
fortan selbst in Handelseinrichtungen der Stadt Prenzlau mit Waren des
täglichen Bedarfs eindecken und ihren Lebensunterhalt sichern konnten, und
zwar mit besagten Wertgutscheinen. Diese hätten allerdings den Nachteil, dass
sie nicht in allen Märkten akzeptiert würden, dass die Anschaffung technischer
Geräte damit nur eingeschränkt möglich sei und dass sie die Inhaber auch nicht
ertüchtigten, diverse Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, zählte Bethy
Muriuthi einige der Hauptkritikpunkte auf.
Brot nicht beim Bäcker
Es sei ihnen also nicht möglich, wie jeder andere Bürger auch mal ein Brot
direkt beim Bäcker oder eine Wurst beim Fleischer zu holen, ganz zu schweigen
von einem Friseurbesuch oder diversen Reparaturen.
“Dieses diskriminierende Prinzip”, so der Wortlaut des “Offenen Briefes”, habe
die Flüchtlinge zudem zu Menschen zweiter Klasse degradiert und dem
rassistischen Alltag Vorschub geleistet.Deshalb habe man sich auch an der seit
Ende 2002 laufenden Volksinitiative zur Abschaffung dieser Ungleichbehandlung
beteiligt, Unterschriften gesammelt und Gutscheinumtauschaktionen organisiert.
“Es ist für uns deshalb eine große Freude, dass unser Engagement Erfolg
gezeigt hat”, hieß es weiter.
Der vorliegende Beschluss der Landesregierung Brandenburg sei allerdings nur
ein Etappenziel, da es noch weitere ausgrenzende und diskriminierende Gesetze
und Festlegungen gebe.
Man erinnere in diesem Zusammenhang an die Residenzpflicht, die eingeschränkte
ärztliche Versorgung oder das Prinzip der Unterbringung in Übergangsheimen
weit ab im Wald (Crussow).
“Wir werden uns deshalb auch weiter für eine gleichberechtigte Behandlung von
Flüchtlingen und gegen diskriminierende Gesetze engagieren”, schließt der
“Offene Brief”.