Leuchtturm der Bewerbung
Verbunden mit der Verleihung des Titels “Kulturhauptstadt Europas 2010” fließen EU-Fördergelder in nicht unerheblicher Höhe. Die
Errichtung einer Stadtschlosskopie, mitten auf Potsdams wichtigster Kreuzung, sollte von Beginn an “der architektonische Leuchtturm
der Bewerbung” sein. Da trotz jahrelanger Suche kein Privatinvestor gefunden werden konnte, und die bisher zur Finanzierung des
Schlossneubaues genutzten EFRE-Fördertöpfe der EU versiegen, erhofft sich die Potsdamer Stadtschlosskoalition von dem
Kulturhauptstadttitel weitere Mittel für die Realisierung ihres Lieblingsprojektes.
Bei der Bewerbung um den Titel “Kulturhauptstadt Europas 2010” setzte nicht nur Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) als
unabdingbare Voraussetzung auf den Wiederaufbau des Stadtschlosses als Sitz des Landtages. (Berliner Morgenpost, 21.7.03)
Auch verschiedene Landespolitiker äußern sich immer wieder wohlwollend zum Wiederaufbau des
Stadtschlosses. Allerdings tun sie dies häufig nur hinter vorgehaltener Hand, wissen die
Abgeordneten doch um die Wirkung beim Wähler, der der Versenkung von zig Millionen Euro für
das Landtagsschloss in der ohnehin prosperierenden Landeshauptstadt skeptisch gegenübersteht,
während in den Randregionen des Landes Schulen und Kitas geschlossen und Infrastrukturprojekte
auf die “lange Bank” geschoben werden.
Die Sanierung des derzeit vom Brandenburger Landtag genutzten “Kreml” wurde seit Jahren hinausgezögert, um damit die Errichtung
einer Stadtschlosskopie, als Sitz eines gemeinsamen Berlin-Brandenburger Landtages zu ermöglichen. Die für den derzeitigen
Zustand verantwortlichen Landespolitiker bezeichnen den Kreml deshalb gerne auch mal als “Bruchbude, um der vermeintlichen
Notwendigkeit eines Parlamentsneubaues Nachdruck zu verleihen.
Auch der Potsdamer OB formulierte vor einiger Zeit unumwunden: “Jeder Euro in den Kreml ist weggeworfenes Geld.” (MAZ)
Obwohl der bisherige Fusionsfahrplan, der eine erneute Volksabstimmung im Jahr 2006 und die Länderfusion 2009 vorsah, von beiden
Landesregierungen mittlerweile verworfen wurde, planen Landesregierung und die Stadt Potsdam weiter die Errichtung einer
Stadtschlosskopie als Sitz eines gemeinsamen Berlin-Brandenburger Landtages. Um dieses Vorhaben vermitteln zu können, bedient
man sich zahlreicher weiterer Kniffe und Rechentricks.
Seriöse Schätzungen gehen für die Errichtung einer Stadtschloßkopie von über 200 Millionen Euro Baukosten aus. Dabei ist die
Tatsache, dass der Bau mitten auf Potsdams wichtigster Kreuzung entstehen soll, und somit erhebliche Folgekosten verursachen
würde, noch gar nicht berücksichtigt.
So müssten u.a. ein dritter Havelübergang und mehrere Straßen neu gebaut, sowie eine Schneise durch den Wildpark geschlagen
werden. Die Stadtmitte aber wäre endgültig tot. Nichts da mit belebendem Effekt.
Für die Sanierung des “Kreml” wird mit der, nur für den Fall des Zustandekommens der Länderfusion
(Vergrößerung der Zahl der Abgeordneten) veranschlagten Summe von 70–80 Mio Euro gerechnet.
Diesen Kosten stellen die Befürworter des Wiederaufbaus lediglich 90–130 Millionen Euro für das Schloss gegenüber. Die Botschaft
lautet, dass der Stadtschlossnachbau unwesentlich teurer sei, als Sanierung und Umbau des bisherigen Landtages.
Dabei wurden die Kosten für die Erschließung und die Umverlegung von Leitungen im Bereich des Schlossstandortes in Höhe von ca.
45 Millionen Euro, ebenso unterschlagen wie die Tatsache, dass das bereits bestehende, angeblich so dringend sanierungsbedürftige
Landtagsgebäude(Kreml), ja trotzdem saniert werden muss. Bei einer Nutzung durch Landesbehörden wären immer noch mindestens
20 Mio Euro dafür notwendig. Stattdessen will man jetzt offenbar den “Kreml” an sich selbst verkaufen, den Verkaufserlös als Beitrag
zur Gegenfinanzierung werten und die ja trotzdem anfallenden Sanierungskosten abziehen. Weitere, ebenfalls nicht berücksichtigte
etwa 45 Millionen Euro kostet die historisch nachempfundene Fassade des Landtagsschlosses.
Und genau hier liegt der Hund begraben. Das “Schönrechnen” der Kosten für den Wiederaufbau des Stadtschlosses durch die Stadt-
und Landespolitiker wird allein nicht reichen, um einen solchen
Beschluss rechtfertigen zu können.
Der Titel “Potsdam ‑Kulturhauptstadt Europas 2010” wird benötigt, um einen Beschluss zu einem Parlamentsneubau auf dem
historischen Schlossgrundriss fassen zu können.
Um unnötige Schnörkeleien, und damit verbundene Kosten, zu vermitteln, bedarf es einer massiven Fremdfinanzierung, zumal
Potsdam kaum noch in der Lage ist, die zur Erlangung von Fördergeldern erforderlichen Eigenbeteiligungen aufzubringen. Ein
modernes Landtagsschloss auf dem historischen Grundriss wäre jedoch noch nicht mal mehr den glühendsten Stadtschlossfans
vermittelbar.
Die Kulturhauptstadtbewerbung ist somit in zweifacher Hinsicht notwendig: Einerseits um das
Landtagsschloss zu rechtfertigen und andererseits als Marketing- und Geldbeschaffungsinstrument für
die dringend benötigten €päischen Fördermittel sowie die notwendige Fremdfinanzierung.
Das Beharren auf den Plänen zur Errichtung des Stadtschlosses ist allerdings auch grösster Bremsklotz bei der Entwicklung nicht nur
der Stadtmitte Potsdams.
So steht u.a. die eigentlich längst beschlossene Sanierung der Bibliothek plötzlich wieder zur Disposition, wegen der damit
möglicherweise verbundenen Schwierigkeiten, den geplanten Abriss der benachbarten FH nicht so einfach durchzusetzen zu können.
Zumindest aber dieser Teil des durchaus sanierungswürdigen Gebäudes, steht den Wiederaufbauplänen des Stadtschlosses, nicht nur
optisch, schlicht im Weg.
Ganz aktuell soll nun ein Spaßbad am Brauhausberg errichtet werden, obwohl die dort bereits vorhandene Schwimmhalle keineswegs
abrisswürdig ist. Der Brauhausberg, mit einem Spaßbad zu seinen Füßen, wäre aber wohl noch weniger landtagswürdig , steht doch
die Frage der möglichen Verlegung des Landtagssitzes an.
Im Wohngebiet “Am Stern”, wo die Schließung der vorhandenen kleinen Stadtteil-Schwimmhalle nur noch eine Frage der Zeit ist,
machte der Bau eines Spaßbades zwar mehr Sinn, allerdings unterließ es die Stadt, für die dortige, tatsächliche Brachfläche,
Fördermittel zu beantragen. Die beim Land zu beantragenden EU-Fördergelder aus dem Europäischen Fonds für regionale
Entwicklung(EFRE) wurden stattdessen für die Baufeldfreimachung des Stadtschlossgrundrisses und die Tieferlegung des Alten
Marktes beantragt, bewilligt und auch verwendet. Auch die archäologischen Grabungen wurden aus diesem Topf bezahlt. Es bleibt
abzuwarten, ob Potsdam wie sonst üblich, die Kosten für diese Grabungen von einem späteren Bauherren des Schlosses
zurückfordert.
Das Bestreben gewisser Kreise, dass im 2. Weltkrieg schwer beschädigte, und später in der DDR, ebenso wie die Garnisonkirche,
abgerissene Stadtschloss neu zu errichten, geht einher mit weiteren Versuchen zur Restaurierung des Staates Preussen.
Wie sehr sich die herrschende Klasse in Potsdam auf das Stadtschloss versteift hat, zeigte schon der Abriss des halb fertigen
Theaterneubaus auf dem Alten Markt im Jahr 1991, nur um den Stadtschlossgrundriss freizuhalten.
Dabei scheint ihnen beinahe jedes Mittel recht zu sein.
“Potsdam will sich erst noch bewerben”
Vom 21.6.03 bis zum 14.7.03 führten die Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN), eine der beiden großen Potsdamer Lokalzeitungen
auf ihren Internetseiten eine TED-Umfrage zum Pro&Contra de
r Bewerbung Potsdams als Kulturhauptstadt durch.
(Etwa alle 4 Wochen wird dort ein TED zu einem Thema durchgeführt, und anschließend in der gedruckten Ausgabe ausgewertet.)
Am 1.7.03 wurde der TED zum ersten Mal manipuliert. Das bis dahin erreichte Abstimmungsergebnis wurde, zu Gunsten der
Befürworter der Kulturhauptstadtbewerbung,
völlig auf den Kopf gestellt. Nach einer weiteren, eher unbedeutenden Manipulation am 11.7.03 und einem zweiten entsprechenden
Hinweis
an die Redaktion der Onlineausgabe am 13.7.03, wurde der TED am 14.7.03 abgebrochen.
Die übliche Auswertung des TED-Ergebnisses in der gedruckten Ausgabe fand in diesem Fall nicht statt. Doch auch mit den
Manipulationen blieben die Befürworterheraus letztlich in der Minderheit.,
Alle abgegebenen Kommentare im den TED begleitenden Meinungsforum standen der Potsdamer Bewerbung durchwegs ablehnend
gegenüber.
Alle, bis auf eine Ausnahme: “Potsdam will sich erst noch bewerben” schrieb der Autor/die Autorin, (?so, als sei noch gar nichts
entschieden..!?)
Bei der Überprüfung der zu diesem Kommentar gehörenden Email-Adresse avock@uva.de, stellte sich heraus, dass diese zu einer
Werbeagentur Namens UVA GmbH gehörte.
Auf ihrer Internetseite bietet die UVA GmbH “Kommunikationskonzepte für Produkte und Dienstleistungen”, oder mit anderen Worten
“Platzierung von Marken am Markt” an.
Verfasserin des Beitrages im o.g. Meinungsforum war die Geschäftsführerin der UVA GmbH, Andrea Vock. Diese entpuppte sich
immerhin als Mitglied des Programmbeirat Bewerbung Kulturhauptstadt
der Stadt Potsdam, Arbeitsgruppe Kommunikation und Marketing
Am 18.8.03, bei einer Zusammenkunft des Politischen Lenkungskreises(!?) dankte der Oberbürgermeister Frau Vock namentlich für
die gelungenen ersten Präsentationen . (Pressemitteilung d. Stadt Potsdam; 344/2003 v. 18.8.03)
Die UVA GmbH zeichnete u.a. verantwortlich für die, letztlich gescheiterte Idee, die Band Die Prinzen als “Botschafter der
Kulturhauptstadtbewerbung Potsdams”(MAZ) beim Stadtwerkefest am 22.6.03 auftreten zu lassen. (Idee und Konzept von UVA!)
Dieses Fest sollte die erste Werbeveranstaltung für die, hinter den Kulissen längst beschlossene, Kulturhauptstadtbewerbung
sein. Die UVA GmbH ist ganz nebenbei auch Inhaber diverser InternetDomains wie z..Bsp. www.kulturhauptstadtpotsdam.de.
Doch das blieb nicht die einzige Überraschung.
Interessanter Weise betreute die UVA GmbH zu diesem Zeitpunkt auch das Corporate Design der Internetseiten der Tageszeitung
PNN, die diesen o.g. TED durchführten.
Privat führt Frau Vock seit Jahren, gemeinsam mit ihrem Ehemann und einem weiteren Anwohner
einen erbitterten Feldzug gegen das Babelsberger Karl- Liebknecht- Stadion.
Die Darstellung der vorgenannten Tatsachen in einem Internetforum wurde allerdings mit der Androhung einer Unterlassungsklage an
den Betreiber des Forums durch den Anwalt von Frau Vock
beantwortet. Dies könnte zumindest auf ein schlechtes Gewissen hindeuten.
Den Rechner an für ein paar Stunden,
Stimmen alle paar Sekunden,
ob Sonntags morgens, Männertag,
Vierhundert neue auf n Schlag,
so,
machen wir aus schlimmen Pleiten,
einen gutplatzierten Zweiten .
Am 21.7.03, erschien in der Märkischen Allgemeinen(MAZ) erstmals ein Hinweis auf eine Umfrage im Internet, unter der Adresse
www.kultur2010.de.
Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde das Abstimmungsergebnis zu Gunsten Potsdams manipuliert.
So hieß es im letzten Satz: “Potsdams Punktekonto verbesserte sich innerhalb von zwei Tagen um nahezu 600 auf 2028 Zähler.”
Für Samstag, Sonntag als auch prozentual gesehen, ein recht großer Stimmenzuwachs.
Die Abstimmung lief bereits seit Anfang Mai 2003. Vom 1.bis 5. Mai 2003 wurden mehr als 3.000 Kulturschaffende in Deutschland
aufgefordert, ihr Online-Votum
abzugeben, danach war die Abstimmung online öffentlich zugänglich.
Am Erscheinungstag des Artikels erhielten alle Städte zusammen insgesamt nur 42 Stimmen.
Schon am 24.7.03 folgte der nächste Zwischenstandsbericht in der MAZ auf den zahlreiche weitere
folgen sollten.
Anfang August 2003 begann gleich eine ganze Reihe von Städten die Umfrage zu manipulieren.
Dies fiel dann auch den Betreibern der Seite auf, so dass ein Abstimmen unter der bekannten Adresse ab dem 12.8.03 nicht mehr
möglich war.
Erst Anfang September wurde die Umfrage weitergeführt. Die Manipulationen führten jetzt immer öfter zu drastischen
Stimmengewinnen, so dass ab Mitte September
teils über 1000 “Stimmen” pro Tag abgegeben wurden. Im begleitenden Forum tauchte zu diesem Zeitpunkt nur alle paar Tage ein
einsamer Kommentar auf.
Am 25.9.03 wurde die Umfrage beim Gesamtergebnis von 40.000 “Stimmen” beendet. Potsdam belegte zu diesem Zeitpunkt nur
Platz 7.
Nachdem die Abstimmung im März 2004 wieder bei 0 begonnen hatte, wurden bis Mitte April wiederum 40000 “Stimmen” abgegeben.
Trotz Manipulationen (tagelang kaum Stimmen, dann plötzlich über Nacht wieder Hunderte neue.) lag Potsdam damals aber auch nur
auf Platz 8.
Ab Mitte Mai 2004 wurde dann weitergezählt.
Bald waren plötzliche Zuwächse von Hunderten “Stimmen” beinahe an der Tagesordnung, z.Bsp. frühmorgens an Himmelfahrt, am
Pfingstsonntag usw. Scheinbar hatte der Rest der Republik allerdings anderes zu tun, guckt man sich das Verhältnis der “für
Potsdam” abgegebenen “Stimmen” zu allen sonstigen an.
Anfang Juni wurde das Treiben wird immer dreister.
So wurden z.Bsp am 4.6.04 binnen 24 Stunden insgesamt 1710 Stimmen abgegeben. Diese “Stimmen” verteilten sich wie folgt;
Görlitz + 60
Osnabrück + 58
Karlsruhe + 42
Potsdam + 1356
(Die restlichen Stimmen verteilen sich auf die anderen Städte)
Durch sekundengenaue Erfassung der Potsdamer “Stimmengewinne” stellte sich an diesem Tag heraus, dass ein Programm auf nur
einem Rechner verantwortlich sein musste. Verschiedene Tests ergaben eine Regelmäßigkeit, wie sie manuell einfach nicht zu
bewerkstelligen wäre. So dauerte es jedes mal exakt 26 Sekunden bis zur nächsten “Stimme” für Potsdam. Erstmals konnte dadurch
das “Abstimmungsergebnis” sogar zutreffend vorrausberechnet werden
Ausgehend von einem (aktuellen) Abstimmungsintervall von 26 Sekunden errechnete sich ein Zuwachs von 100 “Stimmen” binnen 43
Minuten.
Nach 7433 “Stimmen” um 1:43 Uhr, hatte Potsdam dann tatsächlich um 2:26 Uhr 7533 und um 3:09 Uhr 7633 “Stimmen”!!!
Die folgenden Ereignisse führen zu der Vermutung, das es offenbar nur eine einzige Quelle war, die für die massiven Potsdamer
Zuwächse verantwortlich zeichnete: die Rathausspitze bzw. die Stadtverwaltung selbst.
Denn auf eine kleine Anfrage der Fraktion “Die Andere“an den Oberbürgermeister, wie es möglich sein konnte das Potsdamer
Ergebnis korrekt vorherzusagen, passierte Erstaunliches:
Eingereicht wurde die Anfrage am 29.6.04. Interessanter Weise änderte sich das Abstimmungsverhalten bei der Umfrage, schon
innerhalb der ersten Stunde nach Einreichung der Anfrage im Büro des Oberbürgermeisters, erheblich. Auch in den dann folgenden
Tagen und Wochen wurden nur noch etwa 20 % der Stimmen für Potsdam abgegeben, als vor Einreichung der Anfrage.
Binnen der 7 Tage, vom 21.6. ‑28.6. erhielt Potsdam insgesamt 2925 Stimmen, also etwa 417 durchschnittlich pro Tag. Im Minimum
wurden pro Tag 261, im Maximum 682 Stimmen für Potsdam abgegeben. Vom 1.7. ‑8.7. erhielt Potsdam insgesamt nur noch 598
Stimmen, also etwa 85 durchschnittlich pro Tag. Im Minimum wurden pro Tag 25, im Maximum 141 Stimmen für Potsdam abgegeben.
An keinem Tag der Woche nach Abgabe der Anfrage wurden also noch annähernd so viele Stimmen für Potsdam abgegeben, wie in
der Woche vor Abgabe der
Anfrage jeden Tag mindestens zusammen
kamen.
Erste Informationen zum Inhalt der Anfrage wurden jedoch erst am 8./9.7. in der Presse veröffentlicht.
OB und Stadtverwaltung hatten in ihrer Antwort natürlich “keine Kenntnis von Manipulationen”, und konnten somit die Frage nach den
Verursachern nicht beantworten.
Anzumerken ist allerdings, dass diese Vorgänge für die Potsdamer Lokalpresse Grund genug waren, die “tolle” Platzierung Potsdams
bei dieser Umfrage, seit dem nie wieder zu erwähnen. Auch aus dem Sprachgebrauch von Kulturhauptstadt GmbH,
Kommunalpolitikern und sogar dem Kulturhauptstadtmanager selbst, der sich doch so gerne auf die Umfrage berief,
verschwand diese völlig. Und dies, obwohl zuvor noch wöchentlich berichtet wurde.
Technische Änderungen bei der Abstimmung, am 30.9.04, beeinflussten das Geschehen nur vorrübergehend.
Am 7.10.04 erhielt Potsdam, binnen einer halben Stunde, mehr Stimmen als in der ganzen vergangenen Woche insgesamt. Der
Stimmenzuwachs Potsdams an diesem Tag war größer als der Zuwachs aller Städte in der vorherigen Woche zusammen.
Am 9.10.04 wurde ein Buchstabencode zur Erschwerung von Mehrfachabstimmungen eingeführt, der Potsdams Höhenflug schlagartig
beendete.
Nachdem die Manipulationen bereits nach der Einreichung der kleinen Anfrage beim OB deutlich zurückgegangen sind, konnten diese
in Folge der technischen Änderung der Abstimmung am 9.10.04 gar nicht mehr stattfinden. Seit dieser technischen Änderung hatte
Potsdam, bis zur Unterbrechung der Umfrage im Februar 2005 und von Regensburg und Bremen einmal abgesehen, den geringsten
Zuwachs zu verzeichnen.
Stimmenzuwachs seit 9.10.04:
Die am 30.9. und 9.10. eingeführten technischen Änderungen haben zumindest die Manipulationen zu Gunsten Potsdams beendet.
Das Abstimmungsergebnis insgesamt enthält diese jedoch noch, und ist somit wenig aussagekräftig.
In den knapp 5 Monaten seit der letzten technischen Änderung, am 9.10.04, sind folgende Stimmen abgegeben worden:
(Stand v. 2.3.05, in Klammern der offizielle Zwischenstand)
1. Braunschweig +23383 (27949)
2. Lübeck +20889 (28332)
3. Karlsruhe +10899 (26402)
4. Essen + 8471 (15943)
5. Halle + 6280 (13816)
6. Kassel + 5989 (13517)
7. Görlitz + 5219 (39068)
8. Potsdam + 3453 (34150)
9. Regensburg + 2309 (10016)
10. Bremen + 1571 (30045)
Im Juni 2004 brauchte Potsdam nicht mal eine Woche, für den gleichen Stimmenzuwachs.
Über 25.000 der bislang etwa 34.100 für Potsdam abggeebenen “Stimmen” sind eindeutig auf Manipulationen zurückzuführen.
Kulturhauptstadt-Gespräch
Am 13.3.04 schrieb die PNN;
“1.Kulturhauptstadt-Gespräch -
Der Verein Kulturhauptstadt Potsdam lädt zu seinem 1. Kulturhauptstadt-Gespräch am 16.März um 18 Uhr(.…..)Die
Kulturhauptstadtbewerbung steht, sie soll am 27.März der Öffentlichkeit übergeben werden. Darum legt der Verein bei dem Gespräch
besonderen Wert darauf, dass auch die Bürger zu Wort kommen.”
Der Veranstaltungsraum war mit etwa 100, meist älteren Personen fast voll ausgefüllt. Die bereits in der Presse angekündigten
Personen wie; Moritz van Dülmen(Manager der
Bewerbung), Wieland Eschenburg(Mitglied des Programmbeirates der Bewerbung), Fides Mahrla (Vorsitzende des Kulturhauptstadt
e.V. und Mitglied des Programmbeirates der Bewerbung), Herr Uwe Eric Lauffenberg (Intendant Hans-Otto-Theather), ein Vertreter von
der Stiftung Schlösser und Gärten, und noch ein, oder zwei weitere Personen mehr, deren Namen mir entfallen sind, bildeten
zusammen mit dem Moderator das Podium.
Nach ein paar einleitenden Worten durfte jeder Podiumsteilnehmer etwas sagen.
Van Dülmen erklärte viel zum Prozedere der Bewerbung und ganz grob deren Finanzierung(Bund, Land, EU usw.) Sein Beitrag hätte
wortgleich in jeder anderen Bewerberstadt genauso gehalten werden können, ohne dass dies aufgefallen wäre. Potsdamspezifisch war
da nichts, außer der Aufforderung an die Anwesenden, am 27.3. in der Schiffbauergasse die “Schirmherrschaft” für Potsdams
Bewerbung zu übernehmen. Die ersten 300 Besucher würden einen Schirm erhalten. Die Zahl der Mitbewerber wurde mehrfach von
van Dülmen falsch angegeben. Es waren zu diesem Zeitpunkt 16 statt 15 Mitbewerber.
Frau Mahrla erklärte, dass schwierigste sei es, die Potsdamer “auf die Beine zu bringen”, und dass sich der Verein sich als
“Sprachrohr für die aktive Bevölkerung” verstehe. Im weiteren Verlauf kamen von ihr noch die Stichworte “Nachhaltigkeit”, “Sinn
machen” und “Feedback bekommen”.
Wieland Eschenburg sprach zwar länger als seine Vorredner, sagte aber noch weniger. “Wenn die Potsdamer erst mit dem Herzen
dabei sind, dann läuft das schon.” und
“Wir sind am Anfang eines Marathonlaufes”, denn “alle, die wir hier sitzen, bekommen diese Chance nur einmal im Leben.”
Der Vertreter der Schlösserstiftung verlangte nach “Unverwechselbarkeit” und verwies auf das Gebiet Stadtkanal, Neuer Markt, Alter
Markt, jedoch ohne
ausdrückliche Erwähnung des Stadtschlosses. Weitere seiner Stichworte waren “Herzen gewinnen” und “Bürgerhauptstadt 2010”
Herr Lauffenberg sprach vom “soziokulturellen Zentrum Schiffbauergasse” und pries die Zuwendungsverträge über drei Jahre (für
ausgewählte Einrichtungen der “Leitkultur”) als “feine Sache”.
Außer Appellen und Willensbekundungen gab es nichts Inhaltliches zu hören.
Dann kam das Publikum, darunter viele bekannte Gesichter aus Stadtverwaltung und Stadtverordnetenversammlung, zu Wort.
Herr Kapuste (CDU) wies darauf hin, dass die Kulturhauptstadtbewerbung nicht für die PotsdamerInnen sondern für die Gäste aus der
EU gedacht sei. Jemand meinte, die Bewerbung sei egal ob erfolgreich oder nicht auf jeden Fall richtig. Ein Student erklärte, dass die
Bewerbung, nach entsprechender Abstimmung von den Studentischen Gremien nicht unterstützt würde, worauf in den hinteren Reihen
der einzige Beifall des Abends zu vernehmen war.
Auf die Frage, was denn nun so angedacht sei; hiess es aus dem Podium, “na, ääh, der Fotowettbewerb, und der “Potsdam ist Kult
-Aufkleber. Auf eine weitere Publikumsfrage nach konkreten Inhalten kam die Antwort “Man könne sich ja nicht in die Karten gucken
lassen”, im übrigen “sei da z.Bsp. der Fotowettbewerb…”.
Außer in einem Nebensatz wurde das Herzstück der Bewerbung, das Stadtschloss nicht erwähnt.
Auf Äußerungen von Oberbürgermeister Jann Jakobs hingewiesen, nach denen der Wiederaufbau des Stadtschlosses zwingende
Vorraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung sei, und wie denn das Podium darüber denke, entstand zunächst Verwirrung wer
denn darauf jetzt antworten müsse. Eschenburg tat es dann, sprach von “Mitte weiterentwickeln” wobei er ja “nichts dafür könne, wenn
das mit der geplanten Schlossnutzung durch den Berlin-Brandenburger-Landtag vorläufig nichts wird”. Die Nachfrage, ob denn
angesichts dieses Nichtbedarfes des Stadtschlosses “die Bewerbung sich erübrigt habe”, wenn man den OB beim Wort nehmen will,
konnte oder wollte Eschenburg nicht verstehen bzw. beantworten.
“Schirmherren” wider Willen
Nach Wochen massiver Werbung in Presse, TV und Rundfunk, sollte am 27.3.04 die Übernahme der Schirmherrschaft über die
Bewerbung durch die “Potsdamer Bevölkerung” stattfinden.
Wer ein Tombolazettelchen mit seinem Namen schmückte, bekam dann tatsächlich kostenlos einen gelben, lilaroten oder orangenen
Regenschirm. Nach Abschluss der Aktion waren von 6 Kartons &aac
ute; 50 Schirmen immerhin 3 Kartons leer, ein vierter geöffnet, aber noch
fast voll. 2 Kartons waren ungeöffnet. Etwa 30 Personen hatten es lediglich auf einen Schirm abgesehen, so dass beim Kommando
Schirm aufspannen sich letztlich nur etwa 150 Schirme öffneten.
Viel mehr Leute waren es denn auch nicht, die gekommen waren. Ohne die “Offiziellen”, aus Stadtverwaltung und Parteien, den
zahlreichen Mitarbeitern(Zettelverteilerinnen, Standbetreuerinnen, Musikern) und etlichen zufällig vorbeigekommenen Touristen, hätte
sich wohl höchstens eine Handvoll Schirme geöffnet. Erwartet wurden mehrere Tausend Besucher. Da half es auch nicht, dass die
Schirmschwinger je nach Kommando eines BB-Radio-Moderators ihre Schirme hochhielten, schwenkten, zusammenfalteten oder
schnell wieder öffneten, weil die Sonne dann doch noch rauskam. Der unverholen formulierten Aufforderung nach wohlwollender
Berichterstattung kam die Lokalpresse pflichtgemäß nach und berichtete von Hunderten, begeisterten PotsdamerInnen, welche nun
die Schirmherrschaft über die Kulturhauptstadtbewerbung übernommen hätten.(MAZ/PNN)
Erst in der Jahreschronik 2004, hiess es zum 27.März in der MAZ:
“Nicht einmal die eigens georderten Schirme für die ersten 300 Gäste werden alle.”
Am 1.4.04 schrieb die Berliner Morgenpost:
“—–Kulturhauptstadt-Bewerbung: Kritik hinter den Kulissen
Potsdam — Die Druckerschwärze auf Potsdams Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt Europas 2010 ist noch nicht ganz trocken,
da wird intern schon Kritik an der Vermarktung des Projektes laut. “Die Potsdamer werden überhaupt nicht mitgenommen”, sagen
Insider, die nicht namentlich genannt werden wollen. So sei der öffentliche Bewerbungsakt, bei dem die Potsdamer Bürger die
Schirmherrschaft übernommen haben, ein kompletter Fehlschlag gewesen.
Statt einer Vielzahl von begeisterten Anhängern der Kulturhauptstadt-Idee verloren sich am Sonnabend gerade mal 500 Menschen auf
dem Gelände des Kulturstandortes Schiffbauergasse. Es sei versäumt worden, die Potsdamer rechtzeitig und überzeugend zu
informieren, weshalb sich die Einwohner auch nicht mobilisieren ließen. Die gesamte Aktion sei, obgleich eine gute Idee, von den
Verantwortlichen in der Kultur GmbH um Projektmanager Moritz van Dülmen sowie der Kulturstadträtin Gabriele Fischer
“unprofessionell gehandhabt” worden. Auch die Vielzahl von Mottos wirke verwirrend. So steht die Bewerbung unter der Überschrift
“Potsdam weckt Visionen”, die Marketingkampagne wirbt mit “Stell dir vor…”, und der neue Kulturhauptstadtverein stellt den Slogan
“Potsdam ist Kult” voran.
Kulturmanager van Dülmen sieht bislang keine größeren Probleme. Er habe nie gesagt, dass zum Auftakt ein großes Volksfest
geplant gewesen sei. Die Zahl von 500 Besuchern bei der Auftaktveranstaltung sei “gar nicht so schlecht”, findet er. “Wir fangen jetzt
erst an, und wir müssen einen langen Atem haben.” Städten wie Kassel, die ihre Bewerbung schon vor einem Jahr mit großen
Aktionen begeleitet hätten, gehe jetzt die Luft aus. In der nächsten Zeit seien mehrere Werbeveranstaltungen geplant. Immerhin hätten
sich in noch nicht einmal einer Woche etwa 1000 Potsdamer als Schirmherren gemeldet, sagt van Dülmen. Er räumte ein, dass die
Kulturstadt GmbH und die Stadt bei der Bewerbung “ein bisschen Versteck gespielt” hätten.
Die Insider sehen das so: “Die Verantwortlichen schotten sich ab und reagieren auf Kritik empfindlich.” Irgendwann merkten sie es
nicht mehr, wenn ihnen ein Fehler unterlaufe, weil es ihnen keiner mehr sage. Am Dienstag hatte die Stadt ihre Bewerbung an das
Land Brandenburg überreicht, das sie nach einer nochmaligen Überarbeitung bis Ende Juni ans Auswärtige Amt weitergeleitet haben
muss.—-”
Da die Bilder von der (Nicht)-Übernahme der Schirmherrschaft, durch die Bevölkerung, doch eher peinlich wirkten, so dass lediglich
Bildausschnitte, der ach so ansehnlichen Menschenmenge ,
Verwendung fanden, wurde die sogenannte “Schirmherrenliste” geboren.
(Im Internet konnten sich “Interessierte” in eine Liste eingetragen. Diese wurde als Beleg für das
“große Engagement” der Potsdamer für die Bewerbung verwendet
Offenbar war die Idee Anfang April aber noch nicht ganz ausgegoren.
Kulturhauptstadtmanager van Dülmens äusserte, anlässlich der erstmaligen Erwähnung dieser Liste, am 14.5.04(PNN) den Wunsch,
5000 Schirmherren erreichen zu wollen.
Im weiteren Verlauf des Mai und des Juni wurden ständig neue Zwischenstände der Zahl der “Schirmherren” veröffentlicht, deren Zahl
schnell auf über 4000 anwuchs.
Die Schirmherrenliste bestand allerdings schon zu diesem Zeitpunkt im wesentlichen aus Phantasienamen, Namen von
Nicht-Potsdamer/Innen, den Namen der Stadtverwaltungs- und Kulturhauptstadt GmbH-MitarbeiterInnen nebst Familien, Vertretern der
“Leitkultur” sowie einigen Gewerbetreibenden.
(Mein persönlicher Lieblingsschirmherr aber ist der Landesverband Berliner Irrenoffensive;)
Nach dem bekannt werden der ersten Schirmherrschaft wider Willens (MAZ v. 9.7.04), verschwand auch die Schirmherrenliste aus
der öffentlichen Debatte. Wie schon im Falle der manipulierten Umfrage kam es dazu, erst nach einer kleinen Anfrage der Fraktion Die
Andere.
Im MAZ-Artikel heißt es dazu u.a.;
“Kulturhauptstadt-Manager Moritz van Dülmen sprach gestern von einem bedauerlichen Vorgang. Möglicherweise sei Poeschke
versehentlich als Mitglied des Kulturausschusses auf die Liste gekommen.”
Wäre diese Begründung zutreffend, müssten sich eigentlich alle Mitglieder des Kulturausschusses in der Schirmherrenliste
wiederfinden. Allerdings fanden sich dort keineswegs alle der damaligen Mitglieder des Ausschusses für Kultur tatsächlich auch in der
Schirmherrenliste wieder.
Frau Poeschke kann nicht durch das Nennen der/aller Kulturausschuss-Mitglieder auf die Liste geraten sein kann. Jedenfalls nicht
dann, wenn ein Mitglied des Kulturausschusses, eine erklärte Gegnerin der Bewerbung auf der Schirmherrenliste auftaucht, andere
Mitglieder des Kulturausschusses und gleichzeitig Befürworterinnen der Bewerbung aber keineswegs. So wurde z. Bsp. Monika
Keilholz(SPD) erst etliche Zeit nach diesen Ereignissen zur “Schirmherrin”, und ist Irene Wieczorek(PDS), zu dieser Zeit ebenfalls
Mitglied des Kulturausschusses, in der Schirmherrenliste bis heute nicht zu finden.
Daraufhin fanden sich aber weitere Potsdamer/Innen gegen ihren Willen auf der Liste der Schirmherren der Bewerbung wieder, die in
gedruckter Form sogar Teil der offiziellen Bewerbungsbroschüre ist.
“Von 95 Prozent der mittlerweile 3000 Schirmherren habe man die Zusage schwarz auf weiß”, so van Dülmen. Die Möglichkeit, sich
oder auch jemand ganz anderen unter http://www.potsdam2010.com , (der offiziellen Internetseite zur Bewerbung Potsdams), online
als Schirmherren eintragen zu können, wurde übrigens erst unmittelbar nach dem bekannt werden der ersten Schirmherrschaft“wider
Willens” geschaffen.
Nur noch ein einziges Mal, am 20.10.04 (MAZ), wurde Moritz van Dülmen mit über 4000 Schirmherren , diesbezüglich in der Presse
zitiert.
Erst am 5.1.05 berichtete die MAZ von einer weiteren kleinen Anfrage der Fraktion Die Andere.
Darin wird kritisiert, dass gezielt bei Kindern und Minderjährigen Unterschriften für die Schirmherrenliste gesammelt wurden. Van
Dülmen spricht in seiner Antwort, wohl eher unfreiwillig, wieder von mehr als 4000 Schirmherren, und bezeichnet die Vorwürfe im
übrigen als absoluten Quatsch .
Bemerkenswert fand er noch, dass Beschwerden nur bei der Fraktion(Die Andere) eingingen .
Das war dann, nach wiederum 3 Monaten
, auch die bis heute letzte Erwähnung der sogenannten “Schirmherren”, zumindest in der
Lokalpresse.
Auch ein Blick in die offizielle Schirmherrengalerie spricht Bände:
Gleich auf mehreren, der etwa 15 Fotos sind… natürlich, wer auch sonst?,
die Kulturhauptstadt-Mitarbeiter selbst zu sehen.
Dabei u.a. die Projektkoordinatorin der Kulturhauptstadt GmbH, Frau Miriam Weber, und ebenso wie sie, Programmbeiratsmitglied
Wieland Eschenburg.
Unübersehbar, dass ein abgebildeter Bauarbeiter, einige jugendliche Skater, ein Baby und eine Berliner Bär-Statue die Schirme
lediglich in die Hand gedrückt bekommen haben.
Abgerundet wird diese Farce von zwei einheimische Bediensteten auf den Malediven, die, offensichtlich dem Fotografen zuliebe, einen
Schirm und die Seiten 106 und 107 der Bewerbungsschrift Potsdams (verkehrt herum) präsentieren.
Alles in allem gleicht die Zusammenstellung der Fotos in der Schirmherrengalerie auf bestechende Weise der sogenannten
Schirmherrenliste selbst.
Bemerkenswert ist auch die fehlende Präsenz irgend welcher Schirmherren im einschlägigen Forum unter
http://www.kulturhauptstadt.potsdam.de/
So schrieb lediglich die bereits erwähnte Fides Mahrla (Programmbeiratsmitglied, Kulturhauptstadt e.V.) am 19.11.04,
“Liebes Webmaster-Team,
nach der heutigen Freischaltung habe ich unsere Mitglieder, Förderer und Freunde informiert und hoffe, dass wir reichlich Antwort
bekommen.
Ich wünsche mir, dass es uns auch auf dieser Plattform gelingt zu zeigen, wie sich die Potsdamer für ihre Stadt engagieren. Das tuen
wir mit viel Herz und Stolz. Wir wollen 2010 würdige Gastgeber als Kulturhauptstadt Europas sein.
Für eine erfolgreiche Bewerbung um diesen Titel wollen wir auch in den nächsten Monaten unsere Kreativität und Freizeit einbringen.
Wir freuen uns über jeden/jede, die uns dabei unterstützt.”
Es gab binnen knapp 4 Monaten nur eine Antwort;
von Thomas Wolff, am 22.11.04,
»»Hier dürfen Sie Ihre Gedanken und Fragen zur Bewerbung der Landeshauptstadt Potsdam als Kulturhauptstadt los werden.
Wir wünschen eine rege Diskussion.««
Kommt das nicht 2 Jahre zu spät? Warum darf immer erst “diskutiert” werden, nachdem Dinge längst beschlossen sind?
Warum nimmt niemand der Bewerbungsbefürworter mal Stellung zu der nicht vorhandenen Unterstützung in der Potsdamer
Einwohnerschaft? Aber kommen Sie mir bitte nicht mit der “Schirmherrenliste” oder manipulierten Umfragen! Das ist schon mal nach
hinten losgegangen!
Das war dann auch der letzte Beitrag in diesem Forum. (Stand 2.3.05!)
Festival der €päischen Weltmusik
Ein gutes Beispiel für den mangelnden Rückhalt der Bewerbung in der Bevölkerung, war das sogenannte Festival der
€päischen Weltmusik. Diese Veranstaltung sollte eine Werbeveranstaltung für die Kulturhauptstadtbewerbung sein. Am 31.Juli 04
kamen trotz massiver Werbung(Flyer, Radio, Presse) nur einige Hundert statt der erhofften 10000 Besucher. Die meisten von ihnen
wurden von der Band Mutabor angelockt.
Mutabor sagten, “dass es wichtiger ist, etwas zum Leben zu haben anstatt das “Raumschiff Bewerbung und Stadtschloss” mit
Leben zu erfüllen. Man soll die Menschen dort abholen, wo sie stehen, aber das ist im Falle der Bewerbung sinnlos…weil nicht
gewollt.”
Offen kritisierten sie, unter dem Jubel der Konzertbesucher, die Pläne zur Errichtung des Stadtschlosses unter dem Deckmäntelchen
Kulturhauptstadtbewerbung.
Bei der aktuell geplanten CD-Veröffentlichung des Konzertmitschnittes dürften diese Töne aber wohl kaum zu hören sein. Schließlich
soll die CD bei der Jugend Begeisterung für die Kulturhauptstadtbewerbung hervorrufen.
Immerhin 10 Besucher erklärten sich an diesem Tag zu Schirmherren der Bewerbung.
Als Grund für die gefloppte Veranstaltung nannten die Veranstalter das gute Wetter.
Mutabor bedauerten im nachhinein, wohl auf dem falschen Konzert gespielt zu haben.
Wenige Wochen zuvor hatte die Stadt kurzfristig die an gleicher Stelle geplante Veranstaltung “Rock gegen das Stadtschloss”
untersagt.
“Rock gegen das Stadtschloss”
Am 23.6.04 wurde das alternative Konzert Rock gegen das Stadtschloss (RGDS) nur 3 Tage vor dem langfristig geplanten Termin,
unter Angabe fadenscheiniger Gründe verboten!
Beim Rock gegen das Stadtschloss sollten diverse Potsdamer Bands aufspielen. Eine Hüpfburg für die Kleinen und Informationen für
die Großen waren geplant.
Das Verbot stellte erneut den Versuch der Stadt Potsdam dar, jegliche Kritik am “Leuchtturm der Bewerbung” zu unterdrücken. Dies
offenbarte sich durch ständig wechselnde, aber immer absurdere Begründungen des Verbots, auch dem letzten Beobachter. Hinter
vorgehaltener Hand erklärten Verwaltungsmitarbeiterinnen, das geplante Konzert sei nicht mit der Bewerbung um den Titel
Kulturhauptstadt Europas 2010 vereinbar .
Beim Rock gegen das Stadtschloß sollten diverse Potsdamer Bands aufspielen. Eine Hüpfburg für die kleinen und Informationen für
die Großen waren geplant.
Nach Kritik auf allen Ebenen, selbst in der Lokalpresse, wurde das, auch der Unterstützung des Bürgerbegehrens “Das Schloss kann
warten” dienende Konzert, doch noch genehmigt.
Das Konzert war mit über 2000 Besuchern, angesichts des hin und her (verboten/erlaubt), erstaunlich gut besucht. Bereits eine
Viertelstunde vor 22.00 Uhr belagerten allerdings Polizeibeamte das Mischpult, um auch ja für das pünktliche Ende der Veranstaltung
zu sorgen.
Zum einen wollte man wohl die öffentliche Wirkung des Konzertes minimieren, möglicherweise
wollte man aber auch Auseinandersetzungen provozieren, um dieKritiker des Stadtschlosses zu diskreditieren.
Wohl auch aus Unmut über das resultierende Geschubse, bildete sich aus der nunmehr Parolen gegen das Stadtschloss und die
Kulturhauptstadtbewerbung rufenden Menge, ein spontaner Demonstrationszug von mehreren hundert Personen durch die Potsdamer
Innenstadt. Vom Verhalten einzelner Polizeibeamter einmal abgesehen, blieb auch dieser Teil des Abends völlig friedlich.
Die MAZ schrieb am 28.6.;
“Unmittelbar nach Ende des Konzerts auf dem Lustgarten bildete sich ein Demonstrationszug durch die Friedrich- Ebert- Straße. Mit
dem Ruf Nie wieder Stadtschloss! und einem Transparent Bildung statt Preußen bewegten sich die Demonstranten(.….)bis in die
Benkertstraße, wo die Polizei die Veranstaltung endgültig auflöste.”
Kultur in Potsdam
Die nach eigenem Bekunden “visionsgeprägteste Stadt Europas” stellte nur wenige Einzelheiten ihrer Bewerbung vor.
Nachdem im Frühjahr bereits ein Fotowettbewerb stattfand, soll nun ein Amateurfilmwettbewerb beginnen, für den “Potsdamer in
kurzen Beiträgen ihren ganz persönlichen Blick auf Potsdam vorstellen sollen”. Die Siegerfilme, so hofft der Kulturhauptstadtmanager
Moritz van Dülmen, sollen auf dem Studentenfilmfestival „Sehsüchte” zu sehen sein.
Dass die Studenten sich bereits gegen die Kulturhauptstadtbewerbung ausgesprochen haben interessiert offenbar nicht. Auch, dass
schon das Interesse am Fotowettbewerb äußerst dürftig war, wird stillschweigend übergangen.
Unter http://www.potsdamspiel2010.de wurde dann im Februar 2005 ein Internetspiel „Potsdam weckt Visionen“ gestartet. Für diese
Aktion konnte Jeanette Biedermann als die erste „Kulturhauptstadtbotschafterin“gewonnen werden. Die “Sängerin” und Darstellerin
aus der Seifenoper “Gute Zeiten, Schlechte Zeiten” führt als Comicfigur durch das Spiel.
http://www.potsdamspiel2010.de/
Auch die angek
ündigte Beflaggung der Stadt mit Werbefahnen wurde mittlerweile umgesetzt
Nachdem es nun schon mehrmals hieß, “Jetzt geht es aber richtig los”, soll es nun, laut einem neuen Informationsflugblatt, doch erst
2006 “so richtig” losgehen mit den Visionen.
Doch auch hier wird wieder der Gegensatz zwischen Anspruch und Wirklichkeit deutlich.
Das Informationsflugblatt besteht mehr aus Bildern, als aus (neuen) Informationen.
Zuerst, natürlich, Schloss Sanssouci, gelegen im gleichnamigen Park, die Nikolaikirche, deren Glocken wegen Einsturzgefahr eines
Teiles des Gebäudes, nur noch eingeschränkt läuten dürfen,
und ein weiteres, bereits vorhandenes Schloss das Neue Palais für dessen dringend notwendige Sanierung es hinten und vorne an
Geld fehlt, und das deshalb aus Sicherheitsgründen nur noch teilweise besichtigt werden kann. Da ist der süße schwarze Hund, der
so brav auf dem Bürgersteig liegt. Ganz ohne Leine. In Potsdam wurde eigens eine 100 x 150 m großes, sogenanntes
“Hundeauslaufgebiet” eingerichtet, um den Hunden an allen anderen Orten das Leben ohne Leine überhaupt erst verbieten zu können.
Auf dem Hundeauslaufplatz herrscht Maulkorbpflicht, was bedeutet, dass das beliebte “Stöckchenspiel” in Potsdam de facto verboten
ist.
Da plätschert auf einem anderen Bild ein Taucher mit Schirm im Heiligen See herum, wobei doch gerade dort die Wassernutzung den
Anliegern vorbehalten bleiben soll. Die abgebildete Badestelle erfreut sich bei der Bevölkerung großer Beliebtheit, soll aber weg, da die
vermögenden Anlieger ihre Ruhe bzw. den See für sich haben wollen.
Sogar eine völlig intakte Brücke will man abreißen, um dem gemeinen Volk den Zugang zu erschweren.
Und als drittes, zwei junge Damen, ebenfalls mit Schirm, die entspannt auf einer Wiese im Park liegen. Nur ist das betreten der
Wiesen verboten! Auch dieses Verbot wird konsequent durchgesetzt. Spielende Kinder werden da schon mal von der Polizei
verscheucht. Auch an Stellen, wo vor wenigen Jahren noch offizielle Sportveranstaltungen stattfanden. Wie sagt der Stiftungschef
neuerdings immer: “Auf einem Gemälde trampelt man doch auch nicht herum.”
Das einzige was in dieser Serie noch fehlte, wäre ein Radfahrer in einem der Parks.
Mit der Begründung, sie würden die historischen Wege beschädigen, zwingt man Radfahrer zum absteigen. Dass Veranstaltungen wie
die Schlössernacht, die Durchführung von elitären Veranstaltungen, und die zahlreichen Sondernutzungserlaubnisse für PKW die
Parkwege hundertfach mehr beanspruchen weiss aber auch jeder.
Wenn Lebensqualität dargestellt werden soll, bitte schön. Aber gleich 3 Situationen, so gegensätzlich zu den real existierenden
Verhältnissen darzustellen, ist, angesichts der aktuellen Auseinandersetzungen zu diesen Themen schon mehr als unangemessen.
Andererseits passen diese Darstellungen zum bisherigen Ablauf der Bewerbung wie die Faust aufs Auge.
Überhaupt schmückte sich die Bewerbung mit so manchen Federn, welche zuvor noch eifrig gerupft wurden.
So bleiben die Geschichte der Tanzfabrik, der Fabrik und des Waschhauses ebenso im Dunklen, wie der Umgang der Stadt mit Ihrer
Subkultur in den 1990er Jahren. Schließlich entstanden diese Projekte aus der bekämpften Hausbesetzerszene ursprünglich gegen
den erbitterten Widerstand der Stadt.
Erinnert sei an die grösstenteils rechtswidrigen Räumungen von selbstverwalteten Kulturzentren wie “Fabrik”, “Archiv”, “Villa”,
“Boumanns”, “Breiti”, “Haus Besenrein” und der Dortu “5” in den vergangenen Jahren.
(Nach einer persönliche Aufforderung vom damaligen Oberbürgermeister Dr. Horst Gramlich an die STEP, den beim Subbotnik
gesammelten Müll um die Dortu 5 nicht abzuholen, wurde eben jener Müll als Räumungsgrund benannt. Im Falle der “Villa”-Räumung
führte man den Schutz des Arabicum als Grund an, wobei die Hausbesetzer die einzigen waren, die das Arabicum tatsächlich
beschützt haben.
Dass die Bewerbung wenig mit den Menschen und ihren Bedürfnissen zu tun hat, ist klar in der Tagespolitik zu erkennen.
Beim letztjährigen antirassistischen Stadionfest “Der Ball-ist-Bunt” versuchte die Sportbeigeordnete Frau Fischer gar, dieses als Teil
der Kulturhauptstadtbewerbung zu vereinnahmen. Den überreichten Schirm wollte sie allerdings nach der Veranstaltung zurück.
So wollte man mit da Vinci s “Mona Lisa” für Potsdam werben, obwohl deren Bezug zu Potsdam nicht größer ist, als jener der
Statuen auf der Osterinsel. Immerhin hübsch anzuschauen.
Ausgerechnet den Wiederaufbau der Garnisonkirche als Beitrag zur Kulturhauptstadtbewerbung zu sehen, passt allerdings auch
besser zur gleichzeitigen Ablehnung der Kunstaktion “Die Himmlischen Vier”. Vielleicht, weil dabei die imaginären Gebeine aus
Brechts Legende vom Toten Soldaten am ehemaligen Standort der Garnisonkirche, diesmal zur ewigen Ruhe, beigesetzt werden
sollen, und in Geltow, vor den Toren Potsdams, das Führungskommando der Auslandseinsätze der Bundeswehr seinen Sitz hat.
Wird der erschreckende Zustand Potsdamer Kindertagesstätten durch die zuständige Beigeordnete als “rosig” bezeichnet, obwohl
sich dieser höchstens optisch verbessert.
Streicht man die Mittel für die Suchtberatung von “Chill Out”, der einzigen von den Betroffenen angenommenen Beratungsstelle.
Übrigens zählt Potsdam zu den Städten, mit der, trotz Toleranzedikt, höchsten Rate neonazistischer Gewaltdelikte.
Die Situation der bildenden Kunst schreit zum Himmel, und der Bau der lange versprochenen Kunsthalle, wird wohl selbst mit
Kulturhauptstadttitel nichts werden. Beim Versuch einen sogenannten Bürgerhaushalt zu suggerieren, wurden die Anwesenden
schlichtweg in die Irre geführt, und die seit langem versprochenen Kultur-Werbe-Stelen, werden nun doch eingespart.
Mehr und grössere Plakate mit dem Kulturhauptstadt-Logo sollen das Stadtbild prägen.
Aber wo sind die Visionen?
Selbst die PNN berichtete:
“… müssen die Inhalte und die Visionen, mit denen Potsdam vollmundig wirbt, viel deutlicher werden.”,
“… denn spätestens wenn die Jury nach der Umsetzungen dieser Visionen fragt, wie Potsdam sich als Kulturhauptstadt mit und für
Europa präsentieren will, könnte es schwierig werden.”,
es sei “… immer noch unklar, so einige Teilnehmer, mit welchen Inhalten und Zielen Potsdam eigentlich werbe.”
Selbst ein verzweifelt wirkender “Appell an den Stolz der Potsdamer” führte bislang nicht zu nennenswerter Bürgerbeteiligung, und
Kulturhauptstadtmanager van Dülmen stellte ernüchtert fest;
“…dass es in der Stadt selbst an der Begeisterung hapere.”
Am 17.11.04 wurde, stolz wie Oskar, die neue Telefonnummer 20100
präsentiert. Ein Wettbewerbsvorteil solle die Nummer sein. Schliesslich sei Potsdam die
einzige Stadt im Bewerberfeld,die man unter der 2010 erreichen kann. (PNN) ???
Inzwischen lautet die Nummer 2010100. (Na, bis dahin könnte es wirklich was werden;)
Auch der Warnhinweis in der Bewerbungschrift (S. 149), sich vor 5 Meter langen Welsen in Acht zu nehmen, die es in der Havel geben
soll, sorgte nicht nur in Anglerkreisen für Heiterkeit.
“Man sah nichts, man verstand nichts: Doch trotz des Technik-Desasters war die Stimmung gut bei den 500 geladenen Gästen in der
Sanssouci-Orangerie, als der Oberbürgermeister die Kulturhauptstadtbewerbung an Kulturministerin Johanna Wanka übergab.”
(Beitrag aus der MAZ-Chronik 2004 zum 30. März)
Potsdam ist nach wie vor die ostdeutsche Stadt mit den geringsten Ausgaben für Kultur, gerechnet pro Kopf der Bevölkerung.
Zu dem im Februar 2005 veröffentlichte Ergebnis der Forsa-Umfrage für die Potsdamer Zeitschrift Ci
cero , wer denn nach Meinung der
Deutschen Kulturhauptstadt werden solle, verweise ich nur auf die Stimmenzuwächse Potsdams und Regensburgs in der Umfrage seit
dem 9.10.04.
Die Bewerbungsschrift Potsdams, mit ausgesprochen schönen Sanssoucibildern, ist für nur 8 Euro noch immer für jedermann
erhältlich.
In Erinnerung bleiben wird wohl nur die Wortschöpfung des OB von der “Jugendszene”, die man stärker einbinden wolle, und ein
merkwürdiges T(Ü)V‑Gutachten von 3‑SAT, welches ausgerechnet die Nachhaltigkeit der Potsdamer Bewerbung positiv bewertete.
Von den Einrichtungen der Leitkultur einmal abgesehen, da mit festen Zuwendungsverträgen versorgt, bangen die Kultureinrichtungen
der Stadt weiter von Haushaltssperre zu Haushaltssperre um ihre Existenz. Trotz oder gerade wegen der Kulturhauptstadtbewerbung.
Noch nicht mal die Gewerbetreibenden unterstützten die Bewerbung. Die freie Kulturszene war
dagegen, die Bevölkerung interessierte sich trotz erheblichen Werbeaufwandes nicht dafür bzw. lehnte diese trotzdem ab, und selbst
bei den Vertretern der “Leitkultur” hielt sich die Begeisterung mehr als in Grenzen.
“Unvorstellbar -
Und wieder bebte der Berg und gebar eine Maus. Zunächst hat man den Spruch “Europa bewegt Potsdam” als Leitmotiv für die
Kulturhauptstadtbewerbung gekippt.
Gut so. Denn was wollte man damit eigentlich sagen außer gleichermaßen bieder wie anbiedernd, dass die Stadt verstanden hat, um
welches Thema es geht.
Dafür soll es nun eine Wortgruppe richten, in der bei flüchtigem Hinsehen immerhin Berlin-Potsdamer Lokalkolorit mitschwingt: Peter,
stell dir bei Erna vor! Oder so ähnlich. Genauer betrachtet erweist sich, dass der Slogan grammatikalisch doch einwandfrei ist: “Stell
Dir vor…”. Nix mit Mundart. Dafür wohnt diesem Motto eine Botschaft inne, die zumindest im kompletten deutschen Sprachraum das
Gegenteil von dem transportiert, was Potsdam bezweckt. Sie schwingen mit, diese Sponti-Sprüche: “Stell dir vor es ist Krieg und
keiner geht hin.” Oder: “Stell dir vor es ist Krieg und keiner schaut fern.” Die mächtige Einführung “Stell dir vor…” ist einfach eng mit
der Aufforderung verbandelt, dass niemand kommt und keiner schaut. Potsdam? Stell dir vor… Mit Sorge erinnert man sich da auch an
verwandte Slogans wie diesen: “Es ist nie zu spät noch als schlechtes Beispiel zu dienen.”
(Kommentar von Volker Oelschläger aus der MAZ vom 21.1.04)
Das haben wir ja nun erreicht,
Björn Trauer, Potsdam