Presseerklärung die Arbeitsgemeinschaft Neuengamme e. V., der Verband der deutschen Überlebenden des KZ Neuengamme, erklärt ihre Solidarität mit den Überlebenden des KZ Sachsenhausen
Ausdrücklich verurteilen wir jegliche Gleichsetzung der Verhältnisse in
sowjetischen Speziallagern mit der planmäßigen Vernichtung in den
nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Der Innenminister von
Brandenburg Jörg Schönbohm (CDU) hatte am 23. April 2006 dazu aufgerufen, im
Rahmen der Gedenkfeier zum 61. Jahrestag der Befreiung des KZ Sachsenhausen
der Opfer des sowjetischen Speziallagers auf dem gleichen Gelände ebenfalls
zu gedenken. Dies von den Überlebenden eines nationalsozialistischen KZ zu
fordern, ist eine unverschämte Provokation.
Laut Tagesspiegel sagte Schönbohm in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen vor
den Überlebenden folgendes:
“Es wäre ungerecht, hier in Sachsenhausen aber nicht auch der Menschen zu
gedenken, die nach 1945 hier eingesperrt waren, ebenso rechtlos wie die
KZ-Opfer. Auch nach 1945 wurde hier weiter gefoltert und getötet, starben
Menschen an den furchtbaren Verhältnissen im sowjetischen Speziallager.
(…) An sie muss deshalb um so nachdrücklicher erinnert werden, da ihrer
über 40 Jahre lang an diesem Ort überhaupt nicht gedacht wurde. (…) Sie
als Überlebende des Konzentrationslagers werden sicherlich besonders gut
empfinden können, was dies bedeutet, nämlich eine andauernde Verhöhnung der
Opfer über ihr körperliches und seelisches Leiden, ja über ihren Tod
hinaus.” (Tagesspiegel, 26. April 2006)
Die Arbeitsgemeinschaft Neuengamme hat sich immer gegen eine Gleichsetzung
von Nationalsozialismus und Stalinismus ausgesprochen. Zu den in den
Speziallagern Inhaftierten gehörten auch ehemalige Mitglieder der
SS-Wachmannschaften, die für die Folter und Morde in den
Konzentrationslagern verantwortlich waren.
Wir sehen Schönbohms provokative Äußerungen auch im Zusammenhang mit dem
Versuch mehrerer CDU-Politiker, unter ihnen BundesInnenminister Wolfgang
Schäuble, nach dem Mordversuch an Ermyas M. am vergangenen Osterwochenende
die Gefahr des Rassismus in Deutschland leugnen zu wollen.
Bündnis MadstoP fordert Hausverbot für Jörg Schönbohm für die Gedenkstätte Sachsenhausen
Der Auftritt des Brandenburgischen Innenministers Jörg Schönbohm am 23.
April 2006 in der Gedenkstätte Sachsenhausen war ein Skandal. Die
Gleichsetzung von Überlebenden des nationalsozialistischen
Konzentrationslagers mit den Häftlingen des später auf selbem Gelände
befindlichen Internierungslagers, war eine vorsätzliche Beleidigung der
Naziopfer. Die überwiegende Mehrheit der Internierungshäftlinge waren
Menschen, welche aktiv in die nationalsozialistischen Verbrechen
verstrickt waren: es handelte sich nachweislich um Täter.
Die
Internierung solcher Verbrecher fand in allen Besatzungszonen statt.
Weil es sich bei den Internierungshäftlingen mehrheitlich nicht um
unschuldige Menschen handelte, verbietet es eine Entschließung der EU
von 1993, der Naziopfer und der Internierten an ein und derselben Stelle
zu gedenken. Gegen diese Entschließung verstößt die Gedenkstätte
Sachsenhausen schon seit einigen Jahren.
Es gehört schon eine größere Portion Kaltschnäuzigkeit dazu, den
ehemaligen KZ-Häftlingen die Gleichsetzung mit ihren Peinigern zum
Jahrestag ihrer Befreiung ins Gesicht zu sagen. Abgesehen von dieser
unerhörten Taktlosigkeit, handelt es sich bei der von Schönbohm bemühten
Gleichsetzung um ein rechtsextremes Argument. Und deshalb fordern wir
als Konsequenz seines anstößigen Verhaltens ein Hausverbot für ihn in
der Gedenkstätte.
Den Leiter der Gedenkstätte Prof. Günther Morsch fordern wir eine
eindeutige Positionierung auf Seiten der überlebenden KZ-Häftlinge und
einen feinfühligeren Umgang bei der Auswahl von Rednern zu den
Befeiungsfeierlichkeiten.
Bündnis MadstoP